Pflegetipps für Myrtus communis (Braut-Myrte)

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flu
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Pflegetipps für Myrtus communis (Braut-Myrte)

Beitrag von flu »

Hallo Indoor-Fans,

nach meinem Plädoyer für Indoors erhalte ich inzwischen die 4te Anfrage bezüglich Pflegetipps zu Myrten.
Eine Zusammenfassung meiner Erfahrungen möchte ich hier nun zum Besten geben:


Myrtus communis

Standort:
Wie alle Indoors wollen auch Myrten im Sommer raus. An die Sonne sollte man sie aber erst langsam gewöhnen da es sonst zu bräunlichen Blattverfärbungen (Verbrennungen) kommen kann. Im Winter kühl, also 5-15°C und hell halten.

Wasser:
Sehr sensibel sind Myrten beim Thema Gießen. Eine einmalige Ballentrockenheit kann schon das Ende bedeuten. Werden die Blätter matt, ist es schon fast zu spät! Im Sommer ist der Wasserbedarf sehr hoch. Im Winter weit geringer.

Umtopfen und Substrat:
Beim Umtopfen oder erstmaligen Eintopfen würde ich bei keiner Baumart die alte Erde vollkommen ausspülen, so auch nicht bei der Myrte. Der innere Ballenbereich bleibt immer unangetastet. Das puffert eventuelle Unterschiede der Bodenchemie in Bezug auf das neue Substrat ein wenig ab.
Ich benutze schon seit Jahren gängige Blumenerde mit Lehmanteil (die meisten gängigen "Bonsaierden" sind da gut geeignet). Diese Erde mische ich 1:1 mit Akadama. Damit bin ich auch bei Myrten sehr gut gefahren.
Biogold lieben Myrten wie die meisten andern Pflanzen auch. Ich bin begeistert von diesem org. Dünger. Ich drücke zur Vegetationszeit 3-4 Mal alle 5 cm Schalenrand ein Biogoldwürfel ins Erdreich.

Wachstum und Formgebung:
Myrten sind ja bekanntlich Sträucher und keine Bäume. Das sekundäre Dickenwachstum ist dementsprechend verhalten. Selbst bei bester Pflege hatte ich in 10 Jahren nur knapp über einen halben cm Dickenzuwachs (Durchmesser) im unteren Stammbereich.
Das Wachstum von Myrten ist durch sehr starke Apikaldominanz geprägt. In der Literatur wird daher immer nur die Besenform empfohlen. Aber mit etwas Geschick lassen sich auch andere Formen durchsetzen. Bei der Drahtung junger Zweige empfehlen sich Spanndrähte. Das Holz der Myrte ist sehr hart und spröde. Drahtungen des älteren Holzes müssen daher sehr viel länger einwirken als bei anderen Baumarten, die Gefahr des Einwachsens besteht bei dem geringen Dickenwachstums aber nur beschränkt. Die Gefahr des Astbruchs bei der Formkorrektur ist groß.

Schnitt:
Myrten sind sehr gut schnittverträglich. Du kannst locker bis ins alte Holz zurückschneiden (auch im Wurzelbereich), sie schlägt immer willig neu aus.
Beim Formschnitt ist sehr wichtig, dass der obere Kronenbereich immer als erstes behandelt wird. Im Abstand von ein paar Wochen kann man dann einen sehr viel verhalteneren Schnitt an den unteren Ästen vornehmen. So wirkst du der Apikaldominanz entgegen indem du den Saftstrom erfolgreich umlenkst. Es reicht schon aus, wenn du diese ein einziges Jahr falsch machst. Die Myrte kann es dir mit der Aufgabe des unteren Astes straften.
Soll die Myrte im Spätsommer blühen, dann darf ab Juni nicht mehr geschnitten werden.
Die nadelartigen dunkelgrünen Blätter und das für Laubbäume harte Holz machen Jins bei Myrten äußerst attraktiv. Wenn also Äste fallen sollten, überlege immer erst vielleicht einen Jin daraus zu machen, da sich andererseits eine Wundüberwallung bei dem geringen Dickenwachstum über Jahre hinziehen kann.

Schale:
Die rötlich abblätternde Borke lässt sich gut mit einer ebenso unregelmäßig rot schattierten, unglasierten Schale kombinieren.
Das glänzende Laub korrespondiert gut mit dunkel glasierten Schalen. Die Wahl bleibt dir.


So, mehr fällt mir zu Myrten gerade nicht ein.
Ich hoffe ich habe euch helfen können.
Gruß
Ulf
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Claudia D
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Beitrag von Claudia D »

Moin Ulf!

Klasse Artikel!!! Super! Zwar habe ich keine Myrte, aber mit Deiner Anleitung würde ich es mir jetzt sogar zutrauen.

Wenn es nach mir ginge würde Dein Bericht "gepinnt"!

Mit hocherfreuten Grüßen und vielen Dank für Deinen wundervollen "Verweisartikel"
Claudia
Astrid
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Beitrag von Astrid »

Hallo Ulf,

Ja - da bleiben keine Fragen offen zur Myrtenpflege
Danke für den Artikel.

Eine Frage hätte ich allerdings noch an den Botaniker. Du schreibst:
Myrten sind ja bekanntlich Sträucher und keine Bäume. Das sekundäre Dickenwachstum ist dementsprechend verhalten. Selbst bei bester Pflege hatte ich in 10 Jahren nur knapp über einen halben cm Dickenzuwachs (Durchmesser) im unteren Stammbereich.
Gilt das für alle Sträucher?
Z.B bei meiner Eugenia hatte ich bisher nicht den Eindruck verhaltenen Dickenwachstums.

Grüße
+ danke Dir schon mal für die Antwort

Astrid
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flu
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Beitrag von flu »

Die Frage geht an den Botaniker? Dann kriegst du auch eine entsprechende Antwort:

Das Wachstum von Sträuchern und Bäumen unterscheidet der Botaniker so:

Sträucher zeichnen sich durch Basitonie aus, d.h. sie erneuern sich durch kräftige Schösslinge von der Basis aus. Aus der bodennahen Erneuerungszone (Innovationszone) werden jährlich neue Triebe mit begrenzter Lebensdauer und Hohe gebildet. Ein Dickenwachstum ist daher naturgemäß eher schwach.
Sträucher verzweigen sich grundsätzlich sympodial, d.h. der Haupttrieb wird früher oder später von einem Seitentrieb übergipfelt.

Bäume zeichnen sich durch Akrotonie aus, d.h. hier werden die Terminalknospen am stärksten im Wachstum gefördert. Der Hauptzuwachs findet also im Kronenbereich statt, was eine kräftige Ausbildung des Stammes durch starkes sekundäres Dickenwachstium zur Folge hat.
Bäume verzweigen sich sympodial (Seitentrieb übergipfelt Haupttrieb) oder monopodial (Haupttrieb bleibt immer Haupttrieb).


So, und wer nun genauer aufgepasst hat und über diese Definition nachdenkt, der wird feststellen, dass ich schlicht die Unwahrheit über Myrten erzählt habe. Alleine aus der Tatsache heraus, dass Myrten sich monopodial verzweigen scheiden sie aus der botanischen Definition für Sträucher aus. Ich würde sie aber trotzdem zumindest den Sträuchern sehr nahe stellen, weil auch sie in freier Wildbahn Neigungen zur Basitonie zeigen und ihr Dicken- wie Höhenwachstum begrenzt ist.

Alles klar, Astrid?
War mir ein Vergnügen!
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Astrid
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Beitrag von Astrid »

Hi flu,

mir ging`s eigentlich um den "Hausgebrauch" - insbesondere wegen dem Dickenwachstum von sog. Sträuchern.
Aber wenn schon mal ein Botaniker im Forum unterwegs ist...
Alles klar, Astrid?
Mal schaun..
War mir ein Vergnügen!
freut mich + Gruß

Astrid
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flu
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Beitrag von flu »

Astrid, ich kann dir nur sagen, dass das Dickenwachstum von Sträucher im Allgemeinen geringer ausfällt als das von Bäumen.
In der Bonsaikultur spielen natürlich noch ganz andere Faktoren eine Rolle, wie z.B. die Art der Kultivierung (noch in der Trainigsschale oder schon im Topf) das Entwicklungsstadium (läßt du ihn durchwachsen oder bist du schon beim Formschnitt) u.s.w. Unter diesen Vorzeichen kann das Dickenwachstum sehr unterschiedlich ausfallen und die botanisch vorgegebenen Unterschiede zwischen Strauch und Baum fallen überhaupt nicht mehr ins Gewicht.
Die größten Zuwächste wirst du aber in jedem Fall nur an Baumarten erreichen können.

Freue dich über deine Myrtaceae mit gutem Dickenwachstum.
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holgerb
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Beitrag von holgerb »

Hallo zusammen!


Vor allem hängt das Dickenwachstum aber von der Wüchsigkeit der Pflanze ab.

Wenn man sich z.B. einen ällteren, nicht geschnittenen Flieder oder Haselnuß oder ähnlich wüchsige Sträucher anschaut, dann haben die mitunter ganz schön dicke "Stämme". Richtig ist, daß sie vornehmlich an der Basis austreiben. Aber auch dies ist von Gattung zu Gattung unterschiedlich.
Es ist also logisch, daß ein Hasel, der 1m Ruten locker im Jahr schafft, dickere Äste bekommt (wenn nicht geschnitten wird) als eine Myrte oder ähnlich kleinbleibende Sträucher, z.B. Cornus canadensis (ein kleinbleibender Hartriegel).

Bei meinen Eltern steht dieser Pyracantha coccinea (Feuerdorn), der treibt kaum noch aus der Basis: Es fehlt wohl das Licht, das an der Krone deutlich besser ist => dort treibt er wie bescheuert, und der Stamm ist für das Alter ordentlich. Er steht ca. 20 - 25 Jahre in diesem Garten und ich schneide ihn seit ca 10 Jahren.
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