Herbstdüngung

Gießen, Düngen, Umtopfen, Pflanzenschutz etc.
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camaju +
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Herbstdüngung

Beitrag von camaju + »

Unser Rüdiger (Georg) hat aus diversen Beiträgen von Thierry diese Zusammenfassung zum Thema Herbstdüngung erstellt. Danke *daumen_new*

Herbstdüngung
von Thierry und Laurence



Mir scheint wichtig, bevor man entscheidet, wie man im Herbst düngt, zu verstehen, wie das "ganze System" funktioniert:

Man muss sich erinnern, dass im Frühjahr der Baum ein phänomenales Wachstum macht, er muss wieder Zweige "bauen", Blätter, Wurzeln. Es ist dann für den Baum quasi unmöglich, es zu schaffen, all diese Elemente im Wurzelbereich zu finden, die er benötigt für diesen Wachstumshöhepunkt. Deshalb schöpft der Baum dann in seine Reserven.
Je größer diese Reserven sind (die Energiereserven im Baum, nicht die Düngerreserven!), desto kräftiger ist das Wachstum nach dem Winter. Deshalb bevorzugt man es, ab der Mitte der Wachstumssaison, dass der Baum wieder anfängt Reserven zu machen. Dies macht man, indem man die Stickstoffkonzentration reduziert, die man ihm übers Düngen liefert. Diese Reduzierung verlangsamt das Wachstum und erlaubt die Anhäufung von Reserven von Zucker, P und K.
Wenn der Stickstoff (N) begrenzt ist, häuft der Baum die anderen Elemente in seinen Zellen an (bis zu einer gewissen Grenze). Also wenn die Zufuhr an Stickstoff schwach ist, ist das Wachstum auch schwach, und viel P, K und Zucker werden im Baum angehäuft.
Umgekehrt, wenn die Stickstoffkonzentration erhöht wird, wächst der Baum schneller und die absorbierten Mineralelemente, wie der produzierte Zucker, werden benutzt um neue Zellen herzustellen. Infolgedessen sind dann die Reserven im Baum wieder leer...

Diesen "Kreislauf" zu verstehen, ist wichtig, bevor man entscheidet, wie man seine Bäume im Herbst düngen möchte.

Der Baum braucht keine Düngerreserven um nach dem Winter im Frühjahr wieder kräftig zu wachsen, sondern Energiereserven

Bei der Herbstdüngung spricht man zwar von "PK-Düngung", aber das ist ein eher verwirrender Namen, man sollte von "Stickstoffschwache-Düngung" sprechen...

Um die Stickstoff-Zufuhr im Herbst zu verringern, kann man:
- Entweder die Dosierung des Düngemittels im Herbst vermindern (Beispiel, wenn man normalerweise 5-5-5 bei 1g/l benutzte, teilt man durch 2 oder durch 3)
- Oder ein Stickstoff schwach dosiertes Düngemittel (5-10-10 zum Beispiel oder 0-10-10) benutzen.
Die zwei Strategien sind sich wert, was das Ergebnis betrifft: verlangsamtes Wachstum = Anhäufung des Zuckers in Reserve.



Persönlich ziehe ich die erste Methode vor, weil sie vermeidet, ein anderes Fläschchen Düngemittel zu kaufen und vermeidet, das Substrat mit Salzen zu überlasten, die nicht unbedingt absorbiert werden...

Erinnert Euch daran, dass der Zucker die echte Nahrung des Baumes ist (und nicht der Dünger). Es ist also Zucker, den der Baum ab Ende des Sommers ansammeln muss, und dafür benötig er nicht viel Dünger.

Wenn Ihr schon einmal Stecklinge im Frühjahr gemacht habt, dann wisst Ihr, dass ein geschnittener Zweig Blätter bilden kann, obwohl er keine Wurzeln hat! Keine Wurzeln, also absorbiert er keine Düngemittel, und jedoch wächst der Steckling! All das verdankt man einem großen Teil dem Zucker, den der Baum in der vorhergehende Saison in seine Zellen gesammelt hat.

D.h. was der Baum besonders während der Herbst - Periode braucht (wo er sich mit Zucker/Reserven "übersättigt") ist: Sonne, Sonne und Sonne, und eine kleine Prise Düngemittel...

Man kann aber auch 5-10-10 zum Beispiel benutzen, aber seid euch gut bewusst, dass es nicht die erhöhte Konzentration des Phosphors ist, das den Baum für den Winter und den kommenden Frühjahr vorbereitet (Energiereserven/Zucker im Baum), sondern die niedrigere Konzentration an Stickstoff...

In diesem Zusammenhang, kann ich noch ein weniger bekanntes Vorteil dieser Stickstoffschwächeren Düngung erzählen (das hat mir damals, vor 5 o. 6 Jahren, Laurence erklärt - es ist ja schließlich ihr Spezialgebiet). Weniger bekannt ist folgendes:

In Stickstoffbegrenzung produziert der Baum 10 Mal mehr Schutzmoleküle bei krankheitserregenden Angriffen im Vergleich zu einem Baum der stark gedüngt wird.

Es ist, als ob sein Immunsystem verstärkt würde.

Vielleicht habt Ihr schon einmal gemerkt, dass Küchenkräuter mehr Geschmack haben, wenn man ihnen weniger Düngemittel gibt. Es ist, weil die Moleküle, die unsere Teller parfümieren, im Grunde hergestellt werden um die Pflanze zu schützen.

Erinnert euch aber bitte daran, dass der Dünger der letzte "Pflegeparameter" unserer Bäume ist, also was nach den anderen "Parametern"(Pflegemaßnahmen) kommt wie:
- eine gute Temperatur,
- eine gute Beleuchtung,
- die Luftfeuchtigkeit,
- ein gut belüftetes/durchlässiges Substrat,
- dass man die Arbeiten (Schneiden, Drahten,...) ausführt wenn die Energiereserven (Zucker) im Baum am höchsten sind
- usw.
Das will nicht heißen, dass der Dünger keine Bedeutung hat! Das hat es schon, aber keine so große wie man denkt.
Ein Baum, dem es zu kalt ist, oder zu heiß, oder der keine guten gesunden Wurzeln hat, wird sowieso sein Dünger nicht gut aufnehmen... Versteht ihr, was ich meine ? Also muss man vor allem die Kulturbedingungen pflegen.
Ein Bonsai kann Jahren ohne Düngemittel überleben, dagegen wird er in nur wenigen Tagen sterben wenn er nicht gegossen wird, und in einigen Wochen, wenn er keinen Zugang zur Sonnenenergie mehr hat, oder wenn das Substrat seine Wurzeln erstickt.
Das Düngemittel ist auf keinen Fall ein lebenswichtiger Parameter. Es ist nicht die Nahrung der Pflanzen. Wenn man unseren Bäumen Düngemittel gibt, hat man den Eindruck, sie zu ernähren. Jedoch ist diese Idee falsch, denn die Bäume haben einen Hauptvorteil auf uns: sie stellen selbst ihre Nahrung her. Ein wenig Sonne, CO2 und Wasser reichen aus, um den Zucker herzustellen, den sie benötigen, um zu leben. Das ist die Magie der Fotosynthese !

Um also nochmal zur Herbstdüngung zurück zu kommen :

Wie für alles gibt es keine einzige Art und Weise es zu machen, nur ein einziges Ziel: dass die infinitesimale (unendlich kleine) Menge von Mineralelementen, die der Baum benötigt, im Substrat verfügbar ist, wenn der Baum sie benötigt...
Gruß Jürgen *wink*

Wer nicht mit Pflanzen und Tieren kann, kann auch nicht mit Menschen.

Ich moderiere in blau, der Rest ist nur meine Meinung
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