Grundgestaltung im Frühjahr ?

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abardo
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Grundgestaltung im Frühjahr ?

Beitrag von abardo »

Hi,

mal eine grundlegende Frage, da hier gerade immer mehr Threads mit Fragen zu einer Grundgestaltung auftauchen.

Ich find es falsch, Laubbäume heftig zurückzuschneiden, wenn die gerade voll im Austrieb stecken. Schliesslich wenden die jetzt ihre im Winter gespeicherte Energie mühsam auf, um die Knospen austreiben zu lassen, Blätter zu produzieren, um erfolgreich ins neue Jahr zu starten. Wenn man die jetzt stark zurückschneidet, ist diese Energie verpufft.

Daher bevorzuge ich Grundgestaltungen im Herbst oder notfalls im Winter (aber spätestens bevor die Knospen schwellen) oder eben nach dem Johannistrieb, wenn der Baum schon wieder eine Chance hatte, mit den Frühjahrsblättern neue Energie zu produzieren.
Hat der Austrieb grad begonnen, ist für mich nur Umtopf- aber nicht Grundgestaltungszeit.

Wie seht ihr das ?
Grüße, Frank
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hwolf
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Re: Grundgestaltung im Frühjahr ?

Beitrag von hwolf »

Moin,

ich habe zwar nicht wirklich eine Antwort auf Deine Frage, möchte mich aber generell am Interesse für die Frage beteiligen.
Ich habe schon vielfach gelesen, dass es für die Pflanzen am besten ist, einen starken Rückschnitt ins alte Holz nach dem Johannistrieb bzw. einfach vor dem zweiten Austrieb, also ab Ende Mai oder im Juni, zu machen, da sie dann wieder genug in Fahrt sind, den Eingriff zu verkraften und außerdem die Wunden schnell von der Pflanze geschlossen werden können.

Aus diesem Grund habe ich meine Pflanzen, die grundgestaltet werden sollen, beim Kauf letzten Sommer und Herbst bis auf das Kürzen zum Transport nicht angerührt. Nun werden sie Ende März/Anfang April mit Wurzelschnitt erstmalig umgetopft (obwohl viele Knospen da sind werden die Pflanzen den Wurzelschnitt vertragen, hoffe ich (? Sie haben ja noch kein Laub), und dann erst nachdem sich der Austrieb eingestellt hat und sie ein wenig Kraft sammeln konnten im Juni teilweise radikal zurückgenommen, um sie auf den Weg zu bringen. Falls Draht nötig sein wird, ist dieser auch besser zu gebrauchen, wenn die Pflanzen im vollem Saft stehen, denke ich mal.

Alledings denke ich, dass es sehr darauf ankommt, wie die Pflanze in ihrer Schale oder dem Pott etabliert ist und welche Schnitte gemacht werden. Die Energie der Pflanze wird doch in Form von Stärke in den Wurzeln und dem (hauptsächlich) Stamm über Winter konserviert. Wenn ich jetzt also einer Pflanze die Wurzeln klaue UND noch eine Menge Stamm entferne, wird es wahrscheinlich gefährlich, wo hingegen ein Selektieren von Ästen und das Kürzen aufs erste Nodium bei Pflanzen, die im gleichen Pott bleiben, schon im Frühjahr die bessere Alternative stellt, da dann genug Energie in der Pflanze verbleibt, die Energie für die Knospenbildung also gleich an die richtigen Stellen geleitet werden kann und die Pflanzen so schneller voran kommen.

Soviel zu meinen auf Anlesen und ein bisschen Ausprobieren beruhenden Gedanken dazu. Vielleicht hören wir ja aber noch was von jemandem, der sich da richtig firm fühlt.
Vielleicht sei noch erwähnt, dass im Buch "Bonsai aus heimischen Bäumen selbst gezogen" von Horst/Stahl zu dem Thema viele pflanzenphyiologische Infos bietet *daumen_new*

Interessierte Grüße
Heinrich
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abardo
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Re: Grundgestaltung im Frühjahr ?

Beitrag von abardo »

Hi,

schön, dass du meinen Ansatz noch ein bisschen untermauert hast.
Bin aber gespannt, was die Profis sagen ...
hwolf hat geschrieben:Falls Draht nötig sein wird, ist dieser auch besser zu gebrauchen, wenn die Pflanzen im vollem Saft stehen
Dem kann ich allerdings mittlerweile auch nicht mehr folgen. Steht ein Laubbaum "unter Dampf", wächst der Draht nur ein, man muss ihn ganz schnell wieder abmachen und danach ist dann alles weiterhin weich, wippt zurück und verändert sich erneut. Ich drahte mittlerweile am Liebsten, wenn der Laubbaum mit der Verholzung beginnt, also im Herbst, wenns Laub braun, die Äste aber noch weich sind (bei Nadelbäumen find ichs ziemlich egal, da bleibt der Draht ohnehin oft jahrelang dran).
Grüße, Frank
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Anja M.
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Re: Grundgestaltung im Frühjahr ?

Beitrag von Anja M. »

Zunächstn einmal hab ich um diese Zeit schlicht nicht die Zeit für Grundgestaltung. Große Schnitte, wenn der Baum wach ist, Drahten, wenn kein Laub stört.

Laubbäume erhalten bei mir ohnehin in dem Sinn keine Grundgestaltung, das zieht sich über Jahre hin und ein Großteil der Gestaltung findet durch Schneiden, nicht durch Drahten statt.
73 Anja
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achim73
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Re: Grundgestaltung im Frühjahr ?

Beitrag von achim73 »

ich denke, genau das ist letzten endes der unterschied zwischen dem pinzieren, wie es früher "standard" war, weil es eine methode ist, die in japanischem klima und bei reifen bäumen übermässiges wachstum verhindert (und deshalb in den büchern gelandet ist, die hier gelesen wurden)
und der heckenschnittmethode, wie walter pall sie erklärt.

98 % der bäume sind ja in der entwicklung, und da ist es auch nach meinen erfahrungen wesentlich besser, erst nach erfolgtem und ausgereiften austrieb zurückzuschneiden.

ich habe sogar mal einen ahorn gekillt, der nach einer zu warmen kellerüberwinterung mit geiltrieben reagiert hat, die ich "nicht gebrauchen konnte" und komplett abgeschnitten habe... *ups* dachte, der baum hat noch kraft für einen neuen austrieb....falsch gedacht.
Gruss, Achim
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hwolf
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Re: Grundgestaltung im Frühjahr ?

Beitrag von hwolf »

Moin,
abardo hat geschrieben: Ich drahte mittlerweile am Liebsten, wenn der Laubbaum mit der Verholzung beginnt, also im Herbst, wenns Laub braun, die Äste aber noch weich sind.
Danke für den Tipp! Wie lange bleiben denn Zweige und Äste nach eurer Erfahrung etwa noch flexibel? Bei einer Eiche wollte ich letzten Herbst ein paar Spanndrähte ansetzen und brach dabei gleich den ersten etwa 3jährigen Ast beim Spannen durch, seitdem hatte ich eigentlich vor, nurnoch bis spätestens Anfang Herbst zu drahten. Eure Argumente leuchten mir aber ein. Es kommt wohl aber auch auf die Art und darauf an, wie spröde/steif das Holz ist, hm?

Lieben Gruß
Heinrich
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camaju +
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Re: Grundgestaltung im Frühjahr ?

Beitrag von camaju + »

abardo hat geschrieben:
Ich find es falsch, Laubbäume heftig zurückzuschneiden, wenn die gerade voll im Austrieb stecken. Schliesslich wenden die jetzt ihre im Winter gespeicherte Energie mühsam auf, um die Knospen austreiben zu lassen, Blätter zu produzieren, um erfolgreich ins neue Jahr zu starten. .
Es kommt wohl auch drauf an, wie das umtopfen im Frühjahr abläuft. Da wird doch meisten ein mehr oder weniger starker Wurzelschnitt durch geführt. Je nach dem wie der ausfällt, sollte eben auch oben durch Rückchnitt ein gewisses Gleichgewicht hergestellt werden.

Damit wären wir bei dem Thema
Wenn man die jetzt stark zurückschneidet, ist diese Energie verpufft
Gruß Jürgen *wink*

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Ria
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Re: Grundgestaltung im Frühjahr ?

Beitrag von Ria »

Hallo,
ich sehe die Sache so, solange keine Blätter vorhanden sind findet auch keine Photosynthese statt.
Also lauere ich wo die Knospenbildung schon zu erkennen ist oder, im Spätherbst, wo die Blätter waren.
Ich würde dann um die Austriebspunkte herumdrahten und auch entspr. zurückschneiden. Um Johannis herum kann ich dann Pinzieren um zu korrigieren.
Bevor die Knospen sich geöffnet haben ist ein Schnitt kein Problem, da die ganze gespeicherte Kraft in den "Rest" der Pflanze investiert wird.

Drahten, besonders bei Shohin, bzw. Bäume nicht über 30 cm so früh als möglich anfangen, also bereits bei der jungen Jungpflanze.

Große Schnittstellen sollten noch oder schon die Möglichkeit zum Selbst-Verschluss bekommen und oder mit Verschlussmitteln behandelt werden.

Beim Ziel zu einem größeren Baum sollte die Grundgestalltung erst nach jahrelangem Wachstum erfolgen(wenn der Baum nicht fertig erworben wurde). Mit dem drahten würde ich, denke ich zumindest, immer recht früh anfangen, besonders dann, wenn "wilde" Bewegungen in der Baumstruktur erzielt werden sollen.

l.G. Ria

PS. Wurzelschnitt siehe Jürgen!
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abardo
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Re: Grundgestaltung im Frühjahr ?

Beitrag von abardo »

Alles korrekt.

Nur sind in den letzten Tagen einige Baumschulbäumchen gezeigt worden und dann wurde dort ein heftiger Gestaltungsschnitt besprochen. Einige davon zeigten schon deutlichen Austrieb und Grün (bzw. Rot beim Ahorn).

Jetzt haben diese Bäume schon einiges an eingelagerter Energie in den Austrieb gesteckt, den man dann bei einem Gestaltungsschnitt abschneidet. Die Kraft würden die Bäume doch besser in den Austrieb stecken, der auch dranbleibt.

Zum Glück empfehlen da ja auch Erfahrenere nur das jetzige Umtopfen und einen Schnitt zu verschieben. Richtig so, find ich.
Grüße, Frank
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