Werdegang einer Kastanie

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Detlef T
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Werdegang einer Kastanie

Beitrag von Detlef T »

Hallo,

als eifriger Leser dieses Forums möchte ich jetzt selbst den Einstieg wagen und meine Kastanie vorstellen, die ich aus einem Samen selbst gezogen habe. Der Werdegang dieses Baumes zeigt exemplarisch auf, wie man sich als Autodidakt Stück für Stück weiterentwickeln kann. Das betrifft nicht nur den Baum, sondern auch die Qualität der Fotos.

Ich hatte irgendwo gelesen, dass Kastanien nicht wirkliche Bonsai geeignet seien, was aber meinen Ehrgeiz angestachelt hat, es dennoch zu versuchen. Daraus erklären sich auch meine Fehler aus der Anfangszeit. Die Kastanie dürfte jetzt etwa 30 Jahr alt sein. In den ersten Jahren hatte ich sie in einem ganz normalen Tontopf gehalten, und das Substrat war ein Gemisch von Erde aus unserem Garten und Torf. Gedüngt habe ich damals nicht, denn ein Bonsai sollte ja klein bleiben. Das Umtopfen bestand ebenfalls nur aus dem Umsetzen in einen etwas größeren Topf, die Wurzeln hatte ich nicht gewagt, anzurühren. Natürlich wurden sofort die Triebe pinziert, so dass wirklich fast kein Wachstum aufkam.

Der Baum mickerte vor sich hin, und da er immer gegossen wurde, hat er trotzdem durchgehalten. So nach 15 Jahren habe ich dann angefangen, in flache Schalen umzutopfen, mineralische Anteile in die Erde zu bringen, zu düngen und auch mal Triebe wachsen zu lassen. Auch die Wurzeln habe ich ein wenig geordnet. Das erste Foto ist aus 2006.

Danach habe ich sie für drei Jahre ins Beet gesetzt und ordentlich durchtreiben lassen. Unter die Wurzeln hatte ich eine Steinplatte gesetzt. 2009 ging es dann wieder in eine Schale. Der Baum sollte in der Schale ein brauchbares Nebari entwickeln, das ich bis jetzt komplett vernachlässigt hatte. Aus 2012 habe ich leider nur ein belaubtes Foto.

Ich verwende jetzt für den Baum eine Mischung von je 1/3 Akadama, Lavagranulat und ausgesiebtem Gärtnersubstrat. Ich dünge kräftig mit ganz normalem Flüssigdünger aus dem Baumarkt. Der Baum steht das ganze Jahr über vollsonnig. Beim Umtopfen in diesem Jahr zeigte sich ein mit vielen feinen Wurzeln gleichmäßig durchsetztes Substrat. Leider habe ich kein Foto davon.

Das letzte Bild ist 14 Tage alt. Langsam fange ich an, etwas stolz zu werden auf den Baum. Die Grundstruktur scheint mir fast fertig, ich werde aber noch den einen oder anderen langen Ast oben rausnehmen. Sie hat jetzt exakt 60 cm ab Schalenoberkante. Insgesamt verträgt diese Kastanie einen guten Rückschnitt und treibt bei guter Düngung enorm aus. Als Ziel habe ich eine eher schlanke, höhere Erscheinung im Blick, denn Feinverzweigung bei Kastanien ist doch eher limitiert.

Jetzt freue ich mich auf Kommentare zu meinem Baum!

Schöne Grüße,
Detlef
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2006: eine spirrige Kastanie
2006: eine spirrige Kastanie
2009: schon etwas mehr Dickenwachstum
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Die Kastanie im Jahr 2012: etwas struppige Erscheinung
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Im März 2015: (vorläufige) Vorderansicht
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Das könnte die Rückansicht werden
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Frank Abbing
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Re: Werdegang einer Kastanie

Beitrag von Frank Abbing »

Willkommen, Detlef!

Dein Baum und seine Schale gefallen mir sehr gut; es handelt sich übrigens um keine echte Kastanie, sondern um eine Rosskastanie. Was aber nicht schlecht ist, da echte Kastanien noch größeres Laub ausbilden. :P
Die für 30 Jahre eher schleppende Entwicklung hast du ja selbst erkannt, aber man wächst eben mit und an seinen Aufgaben. Das macht deinen Baum und den Thread aber um so symphatischer. Da ich selber zwei Rosskastanien-Bonsai kultiviere, schreibe ich mal, woran aus meiner Sicht noch gearbeitet werden sollte, das wäre wie erwähnt ja die Feinverzweigung. Wenn du die Spitzenknospen der Äste herausbrichst oder schneidest, wird der Baum unterhalb der Bruchstelle zwei neue Knospen aktivieren. Dazu wäre der Zeitpunkt nun noch gut. Noch optimaler wäre so eine Maßnahme Anfang Winter, weil der Baum dann gar nicht erst Kraft für den Aufbau dieser dicken Astspitzenknospen verschwenden muß.
Ansonsten würde ich gerne regelmäßige Updates zu deinem Baum sehen! *daumen_new*
Liebe Grüße
Frank *up*
Detlef T
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Re: Werdegang einer Kastanie

Beitrag von Detlef T »

Hallo,

kurz vor dem Einwintern möchte ich ein Update meiner Kastanie präsentieren. Wir ihr sehen könnt, hat sie sich kaum verändert. Ich habe lediglich ganz oben ein paar Spitzenknospen (so wie von Frank empfohlen) ausgebrochen und im Sommer ein paar Äste rausgenommen. Was mich in diesem Jahr gestört hat ist, dass praktisch kein Wachstum statt gefunden hat. Die Knospen haben sich geöffnet, jeweils ein Blattpaar hervorgebracht und dann war Schluss. Ich suche noch nach einer Erklärung dafür, denn bisher hat sie immer sehr fleißig in die Länge geschoben und auch verzweigt. Dieses mal aber nix.

Kann das am Substrat liegen? Es ist das Gleiche wie in den Vorjahren: Lavagranulat, ausgesiebte Gärtnererde und Akadama. Oder an der Schalengröße? Gedüngt wurde sie regelmäßig mit Flüssigdünger, der Standort ist der seit Jahren verwendete, sonnig und windgeschützt. Die Blätter sahen auch gesund aus und hatten eine kräftige Farbe. Einen Unterschied gab es: in diesem Jahr hat die Miniermotte gefehlt.

Es würde mich interessieren, ob jemand ähnliche Erfahrungen gemacht oder einen sachdienlichen Hinweis hat.

Gruß, Detlef
Rosskastanie im November 2015
Rosskastanie im November 2015
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bock
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Re: Werdegang einer Kastanie

Beitrag von bock »

Moin Detlef,

meine Roßkastanie wollte dieses Jahr auch nicht so richtig wachsen. Ich vermute, hier im Norden war der Sommer einfach nicht warm genug. Oder meine war nach dem Umtopfen erstmal beleidigt...

*schulter zuck*
liebe Grüße Andreas
Ein Leben ohne Bonsai ist möglich - aber völlig sinnlos! :faellen:
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Frank Abbing
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Re: Werdegang einer Kastanie

Beitrag von Frank Abbing »

Ja, meine auch nicht so. Mag aber auch am Abmoosen liegen.

Deine gefällt mir gut! :-D
Liebe Grüße
Frank *up*
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Norbert_S
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Re: Werdegang einer Kastanie

Beitrag von Norbert_S »

Das umtopfen wird sicher eine Rolle gespielt haben
Evtl in den ganz heißen Tagen auch zu ware Wurzeln bekomen. Das mag die Kastanie gar nicht.
Ich habe die Schale meiner Kastanie über die heißen Sommermonate mit einem feuchten Handtuch abgedeckt.

Die Kastanie ist auch etwas Salz empfindlich, nur mineralische Flüssigdüngung würde ich vermeiden sondern mit einer organischen Grunddüngung arbeiten, die mit regeläßigen aber mäßigen mineralischen Düngung koplettiert wird.

Detlef, deine Kastanie wirkt gesund, kein Grund sich Sorgen zu machen.
In der Spitze aufpassen. Da gehen zu viele Triebe vom Punkt der Stammkappung ab.
Evtl. den letzten cm noch abnehmen, dass nur noch zwei Triebe nach bleiben.
Das ist aber en schöner Jüngling mit guten Anlagen.
Norbert

So wie du bist, so sind auch deine Gebäude
Sullivan, 1924
Detlef T
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Re: Werdegang einer Kastanie

Beitrag von Detlef T »

Hallo, Norbert,

vielen Dank für Deine sehr hilfreiche Antwort. Ich war schon am Überlegen, im kommenden Jahr in eine größere Schale umzutopfen. Das werde ich lassen und die Düngung umstellen. An der Spitze werde ich auch von den Trieben etwas wegnehmen. Im Augenblick ist es mir aber noch ganz recht, damit sich die Schnittstelle gut verschließt.

Auch Dank an an Andreas und Frank für die positive Rückmeldung!

Grüße, Detlef
Detlef T
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Re: Werdegang einer Kastanie

Beitrag von Detlef T »

Hallo,

heute möchte ich ein update meiner Rosskastanie zeigen und gleichzeitig um Rat bei einem Einholen. Insgesamt ist die Entwicklung der Kastanie nicht wirklich weitergegangen, weil sich der Baum eine Infektion im Übergang von Wurzel zum Stamm eingefangen hat. Im letzten Frühsommer zeigte sich eine dunkle Stelle, aus der eine schwarze, ölige Flüssigkeit austrat. Die habe ich dann bis aufs Holz bzw. bis zum nicht infizierten Kambium entfernt. Das infizierte Kambium war ebenfalls fast schwarz.
Infizierter Bereich im Juni 2017
Infizierter Bereich im Juni 2017
IMG_3051.png (175.72 KiB) 1735 mal betrachtet
Ich habe deshalb in diesem Jahr auf weitere Schnittmaßnahmen verzichtet. Die offene Stelle sah dann so aus:
Im März 2018
Im März 2018
IMG_3290.png (170.16 KiB) 1735 mal betrachtet
Das Kambium rund um die offene Stelle zeigt sich jetzt gesund, es hat Wachstum statt gefunden. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass sich de Bereich wieder schließt, obwohl er doch recht großflächig ist. Außerdem ist das eigentlich die geplante Ansichtsseite.

So sieht der Baum jetzt aus:
Frisch aus dem Winterquartier
Frisch aus dem Winterquartier
Jetzt steht er in einem größeren Topf, ich möchte das Wachstum beschleunigen. Hat schon einmal jemand Erfahrungen mit so einem Infekt gemacht? Welchen Rat habt ihr? Was kann ich noch tun?

Grüße,

Detlef
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Ferry
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Re: Werdegang einer Kastanie

Beitrag von Ferry »

Detlef T hat geschrieben: 25.03.2018, 22:17 Im letzten Frühsommer zeigte sich eine dunkle Stelle, aus der eine schwarze, ölige Flüssigkeit austrat. Die habe ich dann bis aufs Holz bzw. bis zum nicht infizierten Kambium entfernt. Das infizierte Kambium war ebenfalls fast schwarz.

Hat schon einmal jemand Erfahrungen mit so einem Infekt gemacht? Welchen Rat habt ihr? Was kann ich noch tun?

Wenn der Baum im Ganzen gesund aussieht und die Wunde keine weiteren Anzeichen einer Infektion zeigt, dann würde ich mir gar keine Sorgen machen.

Nasskaltes Wetter kann an Rosskastanien einen bakteriellen Befall mit Pseudomonas syringae pv aesculi fördern, der die von Dir beschriebenen Symptome wie schwarze Stellen am Stamm, aus denen schmierige Flüssigkeit blutet, zeigt. Rosskastanien können leichte Infektionen gut überstehen. Ein schwerer Befall kann zu der als "Rosskastanien-Sterben" bezeichneten Krankheit führen.
LG,
F.
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Barbara
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Re: Werdegang einer Kastanie

Beitrag von Barbara »

Hallo Detlef,

Deine Kastanie hat es wahrscheinlich geschafft, sich gegen das befallene Gewebe abzuschotten.

Ich hatte diese schwarze Flüssigkeit mal an meiner Olive. Sie kam links aus dem Wurzelfuß.
Damals sind nach und nach linksseitig alle Äste komplett abgestorben. Die rechte Seite konnte sich noch retten.
Hier ist der Link:viewtopic.php?f=9&t=17995&hilit=Olive+barbara

Liebe Grüße,
Barbara
"Sorge Dich um den Beifall der Leute, und Du wirst ihr Gefangener sein." LAOTSE
Detlef T
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Re: Werdegang einer Kastanie

Beitrag von Detlef T »

Hallo,

und vielen Dank für Eure Anmerkungen. Ich denke auch, dass ein Infekt mit Pseudomonas das wahrscheinlichste sein dürfte. Das Kambium sieht vital aus und ich bin guter Dinge, dass der Baum sich erholt und dass die Stelle auch wieder zuwächst.

Im Rückblick glaube ich auch zu wissen, wie der Infekt zustande kam. Beim Umtopfen aus dem Winterquartier habe ich versucht, den grünen Belag, also Algen etc. abzubürsten. An der Stelle hatte ich dann wohl zu intensiv mit einer Mini-Drahtbürste gearbeitet. Natürlich gab es kein Grün mehr am Stamm, dafür aber offensichtlich Verletzungen als Eintrittspforte für Bakterien.

Stamm abbürsten kann ich also nicht empfehlen!

Detlef
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