Vier klassische japanische Bonsai-Grundformen - frei- u. streng aufrecht, Besenform, Kaskade

Baumformen und wie man sie erreicht, Gestaltungsberichte, Schalen, Ausstellung
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Karl T.
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Vier klassische japanische Bonsai-Grundformen - frei- u. streng aufrecht, Besenform, Kaskade

Beitrag von Karl T. »

von Karl Thier


Vier klassische japanische Bonsai-Grundformen

Ob man einen Bonsai erwirbt, oder selbst gestaltet, in jedem Fall hat dieser Bonsai eine bestimmte Baumform. Die klassischen Bonsai-
Baumformen werden hauptsächlich nach der Wuchsrichtung des Stammes, seiner Bewegung und der Anordnung der Astetagen
unterschieden. Die gebräuchlichsten Baumformen, die an Bonsais unterschieden werden, sieht man mehr oder weniger häufig auch in
der Natur.

Es ist beim Gestalten eines Bonsai sehr wichtig, an welchen Gehölzen, Nadelbäumen oder Laubbäumen, bestimmte Baumformen
angewendet werden.

Typische Baumformen, die man häufig an unseren heimischen Bäumen zu sehen bekommt, sind die Besenform, die hauptsächlich an
Laubbäumen zu finden ist, die streng aufrechte Form, die meist bei Koniferen aber auch an Laubbäumen vorkommt, oder die frei
aufrechte Form, auch diese ist oft bei Koniferen aber auch an Laubbäumen anzutreffen.

Hier einige Bildbeispiele wie diese drei Grundformen in der Natur aussehen.

Laubbaum in natürlicher Besenform
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Nadelbaum in natürlicher streng aufrechter Form
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Laubbaum in natürlicher streng aufrechter Form
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Nadelbaum in natürlicher frei aufrechter Form
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Laubbaum in natürlicher frei aufrechter Form
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An den klassischen Bonsaiformen, die von den Japanern definiert wurden, und sich nach den Regeln der japanischen Bonsaischule
richten, kann man immer wieder drei Hauptformen erkennen, streng- und frei aufrecht und die Besenform. Aber auch sehr bewegte
Formen wie die Kaskade oder Halbkaskade sind oft dargestellte Bonsaiformen.

Auf einem Fels gewachsene Kiefer in Halbkaskadenform
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Aber auch alle anderen Baumformen die man bei der Bonsaigestaltung verwendet, sind der Natur abgeschaut. Meist ändert sich die
Neigung des Stammes oder seine Bewegung. Aber der Grundaufbau setzt sich meist aus den oben genannten Grundformen zusammen.

Ausgenommen sind einige chinesische Bonsaiformen (Penjing); hier kommen Formen vor, die an Schriftzeichen oder mystische
Fabelwesen wie Drachen usw. erinnern. Auch jene Formen, die zwar auf den Grundformen aufgebaut sind, aber in der Ausgestaltung der
Astetagen eher an Tellerformen erinnern,kann man wohl nicht als der Natur abgeschaut ansehen. Darum könnte man eher von
Baumskulpturen als von Baumformen sprechen.

Ein in Tellerform entstehender Penjing
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Penjing als Drache, in Tellerform gestaltete Astetagen
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Ein Unterschied von chinesischen Bonsai (Penjing) und den japanischen Bonsai sieht man in der Gestaltung: Beim Penjing ist eher ein
interessanter Habitus (Silhouette) wichtig und auf detaillierte feingliedrige Astausgestaltungen wird nicht so großer Wert gelegt, wie bei
japanischen Bonsai. Viele der chinesischen Laub-Bonsai werden nur mit dem Schnitt geregelt (und nicht durch Drahten) und sehen oft
sehr natürlich in ihrem Erscheinungsbild aus.

Chinesischer Penjing: Laubbaum
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Chinesischer Penjing: Wacholder
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Hingegen ist der japanische Bonsai sehr durchstrukturiert und bis in die Feinverzweigung ausgestaltet. Auch die Astetagen und der
Habitus sind sehr geordnet und detailliert ausgeformt. Im direkten Vergleich zum Penjing wirkt ein japanischer Bonsai wie ein idealisierter,
überspannter Baum. In der Regel wird der japanische Bonsai mit Draht in Form gebracht.

Die klassischen japanischen Bonsaiformen sind für viele Bonsaienthusiasten der erste Zugang zur Bonsaikunst in Europa und deren
Regeln werden auch in den meisten Workshops für Einsteiger in dieses Hobby gelehrt.
Für den Bonsai-Einsteiger sollen deshalb die anfangs beschriebenen japanischen Grundformen streng aufrecht, frei aufrecht, Besenform
und Kaskade näher erläutert werden. Von jeder der so genannten Grundformen kann ein bestimmter Charakterzug abgeleitet werden,
der noch näher beschrieben wird. Die bei der Gestaltung angedachte Baumform sollte jederzeit deutlich zu erkennen sein, die Merkmale,
auf die es dabei ankommt, werden im Detail beschrieben.

In der nachfolgenden Erläuterung der Grundformen wird von einer "idealen" Form ausgegangen. Das soll aber nicht heißen, dass man
Bäume, die nicht ganz den optimalen Anforderungen entsprechen, nicht für die Gestaltung verwenden sollte. Es gibt einige
Ablaktierungstechniken, um Materialien zu verbessern.

Die Grundformen im Detail

Eine alte klassische Baumform der japanischen Bonsaischule ist die „streng aufrechte Form“, in der japanischen Sprache heißt diese
Baumform „Chokkan“.

In der freien Natur begegnet man dieser Baumform an verschiedenen Baumspezies.
Welchen Eindruck diese Baumform auf den Betrachter macht, wird auch weitgehend vom Material abhängig sein. Eine borkige Kiefer mit
einem ausgeprägten Wurzelansatz und einer starken Stammbasis, kann einen sehr beruhigenden und bodenständigen Eindruck
hinterlassen.
Hingegen wird eine glatte Rinde an einem schlanken Stamm eher Leichtigkeit und Friedfertigkeit zum Ausdruck bringen.
Solche Emotionen können auch bei einer guten streng aufrechten Bonsaigestaltung hervorgerufen werden.

Bildbeispiele von Laub- und Nadelbäume in der japanischen streng aufrechten Bonsaiform
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Der Wurzelansatz (Nebari): sollte bei der streng aufrechten Baumform gut ausgeprägt sein. Ein gutes Nebari zeichnet sich dadurch
aus, dass die Wurzeln an allen Seiten des Stammes in unterschiedlicher Stärke entspringen und nicht unsymmetrisch oder einseitig. Der
Stamm sollte eher weich als zu abrupt in den Wurzelansatz überleiten. Der Übergang vom Stamm in den Wurzelbereich sollte nicht zu
vertikal oder horizontal in den Boden übergehen.

Der Stamm: vom Nebari beginnend bis in die Stammspitze sollte der gerade Stamm eine kontinuierliche Verjüngung haben, das oberste
Drittel des Stammes sollte dem Betrachter leicht entgegengeneigt sein.
Mindestens ein Fünftel bis zu einem Drittel der Stammhöhe sollte von Ästen auf der Ansichtsseite des Baumes frei bleiben.

Die Äste: der Astwinkel sollte vom Stamm weg waagerecht bis leicht geneigt, die streng aufrechte Form unterstützen. Die Aststärke,
sowie die Astlänge nehmen von unten nach oben kontinuierlich ab und werden um den Stamm so angeordnet, dass kein Ast den andern
abdeckt.

Der Habitus: die Silhouette sollte eine asymmetrische Dreiecksform ergeben und die Astetagen sollten gut definiert mit unterschiedlichen
Leerräumen von einander getrennt sein.

Die Schale: unterstützt den streng aufrechten Stamm mit der gleichen Form. Man nimmt deshalb eine rechteckige Schale mit klar
definierten Linien. Die Farbe der Schale richtet sich meist danach, ob es ein Nadel oder Laubbaum ist. Bei Nadelbäumen nimmt man eine
unglasierte Schale, deren Tonfarbe im Idealfall auf die Borkenfarbe abgestimmt ist, also dunkelbraun bis rötlichbraun, oder Grautöne.
Laubbäume kann man in matt glasierte Schalen setzen, deren Farbe meist auf das Laub oder aber auf die Rindenfarbe abgestimmt ist.
Die Positionierung in der Schale ist seitlich aus der Mitte. Bestimmend dafür, wie wie weit der Baum aus der Mitte heraus gerückt wird, ist
die weiteste Astauslegung.


Eine der am häufigsten dargestellten Baumformen ist die „frei aufrechte Form“, in der japanischen Sprache heißt diese Baumform
„Moyogi“.
Diese Baumform kann in der freien Natur in verschieden starker Dynamik an Laubbäumen, aber vor allem an Koniferen vorkommen. Bei
den Bonsaienthusiasten ist diese Baumform sehr beliebt weil man diese Form ausdruckstark gestalten kann.
Je nachdem wie stark die Bewegungen bei einer frei aufrechten Form sind, desto mehr oder weniger Charakterstärke und Dynamik kann
sie dem Betrachter zeigen. Sie vermittelt Bewegung und Lebensfreude, die man an einer guten frei aufrechten Bonsaigestaltung
nachempfinden können sollte.

Bildbeispiele von Laub- und Nadelbäume in der japanischen frei aufrechten Bonsaiform
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Der Wurzelansatz (Nebari): das Nebari ist bei der frei aufrechten Baumform gut definiert und sollte die Bewegung des Stammes
unterstützen.
Die Wurzeln teilen sich rund um den Stamm in unterschiedlicher Stärke auf, doch die der ersten Stammbewegung gegenüberliegenden
Haltewurzeln sind etwas stärker ausgeprägt als der Rest des Wurzelansatzes.

Der Stamm: kann unterschiedlich in seiner Bewegung sein. Die Bewegung sollte im unteren Stammbereich beginnen und im oberen Teil
abnehmen.
Je mehr Bewegung im unteren Stammbereich umso ausdruckstärker wird der Charakter des Baumes. Unterstützend in der Bewegung
sollte die kontinuierliche Verjüngung des Stammes, von unten nach oben sein. Die Ansichtsseite des Stammes sollte im ersten Drittel bis
max. zur Hälfte frei von Ästen sein, so dass man die Stammbewegung gut erkennen kann.
Weniger wünschenswert wäre eine umgekehrte Bewegung, also eine starke Bewegung im auslaufenden Stammbereich und im unteren
wenig bis keine. Diese umgekehrte Bewegung ist eher bei der Literatenform erwünscht.
Bei dieser Baumform können auch Stammsharis mehr Ausdruck vermitteln.

Die Äste: sollten in Polsteretagen an den äußersten Punkten der Stammbewegung positioniert sein, wobei der Hauptast (Sashi-Eda) die
Fließrichtung des Baumes bestimmt und der ausdruckstärkste am Baum ist. Vom Hauptast weg bis in den Kronenbereich werden die Äste
kontinuierlich dünner.
Die Anordnung der Äste wird vom Hauptast bestimmt: gegenüber als nächstes ein Gegengewichtsast, dann ein Rückast zwischen Haupt-
und Gegengewichtsast. Die restlichen Äste teilen sich, kontinuierlich kürzer werdend, um den Baum auf, so dass kein Ast den anderen
verdeckt.
Die Bewegung des Stammes sollte sich in den Ästen vorsetzen und so den Charakter dieser Baumform mit unterstützen.
Diese Baumform hat als Konifere in der Regel auch einige Äste in Jinform.

Der Habitus: die Krone ist abgerundet und oberhalb der Stammbasis positioniert und sie neigt sich dem Betrachter entgegen. Die
Silhouette ergibt eine asymmetrische Dreiecksform und die Flussrichtung wird vom Hauptast bestimmt.

Die Schale: Auch bei dieser Baumform ist die Schale ein wichtiger Aspekt der die Bewegung des Stammes unterstützen soll. Die
Bewegung des Stammes und der Äste sollten sich in der Form der Schale wiederfinden, die oval bis rund, aber auch rechteckig mit
abgerundeten Ecken sein kann. Auch in den Schalenfüßen oder in Zierrahmen dürfen sich die Rundungen widerspiegeln. Bei der
Schalenauswahl ist auch die Schlichtheit zu beachten.
Die Farbe der Schale ist wie immer bei Koniferen meist unglasiert und passt sich der Rinden- oder Borkenfarbe an. Bei Laubbäumen wählt
man matt glasierte Farben die sich im Baum wieder finden lassen oder komplementär dazu passende.
Positioniert wir der Baum bei ovalen oder rechteckigen Schalen außerhalb der Mitte, wobei die Fließrichtung bestimmend ist. In runden
Schalen wird der Baum in die Mitte gesetzt oder sein Schwerpunkt kennzeichnet die Mitte.


In der japanischen Bonsaitradition wird die Zelkova hauptsächlich als „Besenform“ dargestellt, in der japanischen Sprache heißt diese
Baumform „Hokidachi“.

Diese Baumform kommt in Europa bei fast allen Laubbäumen mit unterschiedlichem Habitus vor und hinterlässt bei den meisten
Menschen einen sehr vertrauten Eindruck.
Schlanke Bäume mit nach oben in Fächerform ausgerichteten Ästen vermitteln Leichtigkeit und Jugend. Alte Bäume deren Äste wie
gefächerte Stämme in die Höhe streben und am Ende durch die Schwerkraft wieder in Richtung Erde zeigen, können Gefühle wie
Ehrwürdig- und Ehrfürchtigkeit, aber auch Sicherheit und Schutz erwecken.
Diese Besenform am Bonsai kann, gut umgesetzt, Natürlichkeit und Vertrautheit vermitteln.

Bildbeispiele von Laubbäumen in Besenform als Bonsai
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Die Wurzeln (Nebari): sollten bei der streng aufrechten Besenform gut ausgeprägt sein. Ein gutes Nebari zeichnet sich dadurch aus,
dass die Wurzeln an allen Seiten des Stammes in unterschiedlicher Stärke entspringen und nicht unsymmetrisch oder einseitig. Der
Stamm sollte eher weich als zu abrupt in den Wurzelansatz überleiten. Der Übergang vom Stamm in den Wurzelbereich sollte nicht zu
vertikal oder horizontal in den Boden übergehen.

Der Stamm: je nachdem wie die Besenform ausgelegt ist, sollte der Stamm hoch aufstreben sein, oder gedrungen, gerade nach oben
sich etwas verjüngend und bei alten Bäumen von der breiten Stammbasis bis zum Beginn der aufstrebenden starken Ästen eine gleich
bleibende Stammstärke aufweisen.

Die Äste: bei der hoch aufstrebenden Besenform beginnen die Äste ab dem ersten Drittel rund um den Stamm in die Höhe strebend.
Von innen nach außen kontinuierlich verjüngt und zum Ende hin fein verzweigt.
Am Ende eines eher gedrungenen kurzen Stammes fächern sich die Äste in allen Richtungen auf. Von innen nach außen verjüngen sich
die Zweige und werden nach außen hin fein verzweigt.
Bei der dritten Variante beginnen starke Äste am Ende des dicken Stammes in die Höhe zu streben und fächern sich auf, jedoch zeigen
die Astenden wieder in Richtung Boden. Die Äste werden von der Basis nach außen immer dünner und sind gegen Ende sehr dicht
verzweigt.

Der Habitus: Die Silhouette ist bei der aufstrebenden Form mit einer Birne vergleichbar. Bei der gedrungenen Besenform ist die
Silhouette ähnlich einer Halbkugel und die altehrwürdige Besenform gleicht von der Silhouette her einem Oval, von oben nach unten
verjüngt.

Die Schale: Schalen die für die Besenform Verwendung finden, sollten flach bis sehr flach und in der Form oval bis rechteckig sein.
Die Farbe der Schale kann matt glasiert sein und sollte sich im Baum wieder finden oder komplementär dazu passen.
Positioniert wird der Baum leicht aus der Mitte der Schale.


Eine nicht so häufige, aber doch immer wieder dargestellte Baumform ist die „Kaskade“, oder „Halbkaskade“ in der japanischen Sprache
heißt diese Baumform „Kengai“ oder „Han-kengai“.

Hauptsächlich kommt die Baumform an Koniferen wie Wacholder, Bergkiefer, aber auch bei Lärche und Fichte vor. Man findet solche
Vorbilder im Gebirge an steilen Felswänden oder an Felsenküsten.
Die Kaskaden- oder Halbkaskadenform kann man sehr dramatisch gestalten, aber es sollte vom Material her schon einiges für diese
Gestaltung vorgegeben sein.
Natürliche Kaskaden- oder Halbkaskadenformen drücken oft den harten Überlebenskampf durch Wetterunbill, Schneelast und
Steinschlag in der Bergwelt aus.
Im Bonsai umgesetzt kann eine gut gestaltete Kaskade die ganze Dramaturgie eines Überlebenskampfes in der Natur widerspiegeln. Beim
Bertachter könnte sie Emotionen wie, Alter, Überleben und Kampf ausdrücken.

Bildbeispiele von Laub- und Nadelbäumen in der japanischen Halbkaskaden- und Kaskaden-Bonsaiform
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Die Wurzeln (Nebari): die wichtigste Voraussetzung des Wurzelansatzes an einer Kaskade ist die stabile Halterung und der feste Stand.
Es ist nicht so wie bei aufrechten Formen eine rundum gleichmäßige Wurzelverteilung erforderlich, sondern die Wurzeln sollten den
Eindruck erwecken, den Baum vor dem Abrutschen zu bewahren.
Das setzt eine Halte- oder Zugwurzel, die dementsprechend ausgebildet ist, voraus.

Der Stamm: für die Kaskade sollte der Stamm in Auf- und Abwärtsbewegungen eine Flussrichtung nach unten, zur Seite oder nach
vorne beschreiben. Von der Stammbasis beginnend sollte sich der Stamm kontinuierlich bis zum auslaufenden Stamm verjüngen.
Der Halbkaskadenstamm hat eine Flussrichtung nach der Seite und sollte von der Basis bis in den Ausleger eine deutliche Verjüngung
aufweisen.
Beide Formen können einen variablen Teil des Stammes in Totholz haben.

Die Äste: bei Kaskadenformen werden die Astpolster in Etagen horizontal, die Stammbewegung unterstützend, seitlich und
oder oberhalb des Stammes positioniert. Die Anordnung der Astpolster kann sehr variabel sein, je nachdem wie die Kaskade gestaltet ist.
Die Halbkaskade hat meist einen dominierenden Astausleger der in verschiedenen Polsteretagen angelegt ist und in einer kleinen bis
mittleren Krone endet. Auch hier ist die Gestaltung der Astetagen sehr variabel.
Beide Formen sollten einige Äste in Jinform besitzen.

Der Habitus: die Silhouette ist bei der Kaskade und Halbkaskade sehr variantenreich und sollte eine asymmetrische leicht gerundete
Dreiecksform haben.

Die Schale: für die Kaskade und Halbkaskade ist es wichtig, eine Schale zu wählen, deren Höhe etwas unter, oder über der Kaskaden-
/Halbkaskadenhöhe liegt. Auf keinen Fall sollte die Spitze der Krone genau bis zum Boden der Schale gehen.
Die Form der Schale kann, rund, quadratisch, acht- oder sechseckig sein, auch Felsenschalen sind vorstellbar.
Farbmäßig passt sich die Schale an Erdtöne, Rinden- und Borkenfarbe an, es können aber auch Farbakzente mit Metalloxiden verwendet
werden.

Man könnte jetzt noch einige andere der klassischen japanischen Bonsaiformen im Detail besprechen, es würde sich die Bewegung des
Stammes von Fall zu Fall ändern, die Anordnung und der Winkel der Astetagen, aber im Großen und Ganzen finden sich die Grundformen
in fast allen Bonsaiformen auf die eine oder andere Weise wieder.

Für Bonsaieinsteiger sollten die Beschreibungen der Grundformen für den Anfang reichen. Es wird schwer genug werden, diese Formen
im Bonsai überzeugend umzusetzen. Erst wenn man die Grundformen vom Ausdruck her so gestalten kann, dass man auch Emotionen
beim Betrachter hervorruft, wird es interessant, sich an den anderen Bonsaiformen auszuprobieren.
Herzliche Grüße aus Wien!
Ihr seit gerne eingeladen in meine http://www.bonsaiwerkstatt.at/
Karl Thier
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