Alte Baum-Penjing - Einige Penjing-Bilder von der Song-Zeit

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gunter

Alte Baum-Penjing - Einige Penjing-Bilder von der Song-Zeit

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von Gunter Lind

Am Anfang waren die Topflandschaften, die Miniaturausgaben der Paradiesgärten. Ihr Zentrum war ein Berg, dargestellt durch einen Stein. Aber wie der Maler Guo Xi (1020-1090) sagt: "Berge ohne Wolken sind kahl, ohne Wasser fehlt ihnen ihr Zauber, ohne Pfade fehlt ihnen das Leben, ohne Bäume sind sie tot." Und so tritt der Baum von Anfang an zum Stein hinzu. Zwergbaum und Stein symbolisieren die Landschaft.

In der Landschaftsmalerei hat der Baum sich schnell eine eigenständige Rolle erobert. Oft dominiert er den Vordergrund des Bildes und kennzeichnet dessen Stimmung. Die Berge werden in den Hintergrund entrückt und erscheinen als Kulisse, in der der Baum die Hauptrolle spielt. Manchmal wird der Baum sogar zum eigenständigen Sujet. So ist es nicht verwunderlich, dass er sich auch in der Schale vom Stein emanzipiert und die leitende Rolle übernehmen kann.

Zu den ersten Bildern von Baum-Penjing gehören diejenigen auf der anonymen songzeitlichen Bilderserie "Achtzehn Gelehrte". Dargestellt ist eine historisch belegte "kulturpolitische Tagung", die der erste Tang-Kaiser Taizong (reg. 626-649), als er noch Kronprinz war, einberufen haben soll. Er lud die 18 berühmtesten Gelehrten des Reiches ein, über Heroismus, Kultur und Gelehrsamkeit zu diskutieren. Das denkwürdige Ereignis wurde von Yen Li-pen im Bild festgehalten und auf diesem Bild fußen eine ganze Reihe späterer Darstellungen. Dazu gehören auch die vier Blätter, um die es hier geht. Sie zeigen die vier Künste der chinesischen Gelehrten, Zitherspiel, Schachspiel, Kalligraphie und Malerei. Auf jedem der Bilder sind auch Penjing abgebildet und zwar in einer großen Vielfalt: Bäume verschiedener Größe und verschiedener Arten in verschieden geformten und verschiedenfarbigen Schalen. Offenbar war Penjing damals bereits eine weitentwickelte Kunst. In den meisten Schalen gibt es nur einen Baum oder eine andere Pflanze. Nur auf einem großen, repräsentativen Keramikständer ist ein Taihu-Stein platziert, zusammen mit einer Pflanze.

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Das abgebildete Blatt zeigt die Malerei. Vier Gelehrte diskutieren über eine Landschaftsdarstellung im Stil der Literatenmalerei. Fünf Schüler hören zu ( und bedienen; damals hatten es die Lehrer noch gut ). So kann man sich den Unterricht im Hof einer konfuzianischen Akademie vorstellen. Im Vordergrund liegt ein großer Taihu-Stein, ein beliebtes Gartenaccessoire und daneben steht ein Penjing in einer reichverzierten, hellen Schale. Der Baum ist von hoher Qualität, mit altem knorrigem Stamm und interessantem Nebari. Die Gestaltung des Nadelwerks ist naturalistisch und bezieht Leerräume gestalterisch ein. Die Nähe der Gestaltung zur Landschaftsmalerei wird durch das gezeigte Landschaftsgemälde mit dem Baum als Zentrum betont. Das Gemälde kann vielleicht bei einer genaueren Datierung der Bilderserie helfen. Es ähnelt im Bildaufbau mit den ungewöhnlich großen Leerräumen um den zentralen Baum in der Felswand und dem Mond am Himmel einem Blatt von Ma Yuan, der in der zweiten Hälfte des 12. Jhs. an der kaiserlichen Akademie wirkte. Wenn man annimmt, dass auch unsere Bilderserie im Umkreis der kaiserlichen Akademie entstanden ist, was durch die hohe Qualität nahe liegt, könnte der Maler das Bild Ma Yuans gekannt haben. Die Serie könnte demnach frühestens gegen Ende des 12. Jhs. entstanden sein. Es wäre dann die drittälteste Darstellung von Baum-Penjing, die wir kennen.

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Die älteste wird Zhang Zeduan zugeschrieben, der von 1110 bis 1117 an der Akademie wirkte. Es zeigt den Kaiser Ming-huang (reg. 712-756) wie er seine Konkubine Yang Gui-fei im Bad belauscht. Sie galt als die schönste Frau Chinas und sie scheint ihren Kaiser ziemlich unter dem Pantoffel gehabt zu haben. Sie kam im Zusammenhang mit einer Revolte um, an der sie nicht ganz unschuldig gewesen zu sein scheint. Auf dem Bild stehen unten rechts in der Ecke drei Penjing, zwei Blütenpflanzen und eine klassisch gestaltete Kiefer. Leider ist die mir zur Verfügung stehende Abbildung nicht gut, so daß Details kaum erkennbar sind.

Auffällig ist bei diesen Bäumen, dass sie nicht den seit der Tang-Zeit üblichen, auch in der zeitgenössischen Literatenmalerei dominierenden Baumtypus zeigen, der durch einen schlanken, charaktervoll geführten Stamm und relativ spärliche Belaubung gekennzeichnet ist. Die Penjing auf den ersten Bildern sind zwar hiervon deutlich beeinflußt, jedoch sind sie wesentlich kompakter. Über die Gründe kann man nur spekulieren. Ich glaube nicht, dass in der Malerei und in der Penjinggestaltung grundsätzlich verschiedene Intentionen vorliegen. Beide sind eng mit der Kunst der Literaten verbunden. Vielmehr legen die unterschiedlichen Medien wohl unterschiedliche Gestaltungen nahe, um das gleiche Ziel eines alt wirkenden Baumes zu erreichen. Im zweidimensionalen Bild ist die Belaubung eigentlich störend, weil sie Stamm und Äste verdeckt. Stamm und Äste erzeugen aber den Eindruck von Alter und der kalligraphischen Auffassung der Malerei ist es gemäßer, diesen Eindruck durch Biegungen und Knicke derselben zu erreichen, als durch einen dicken, intern strukturierten Stamm. Beim Penjing ist die kalligraphische Gestaltung weniger naheliegend und weniger gut durchführbar. Andererseits ist eine gewisse Laubmasse für die Gesundheit des Baumes nötig und sie stört bei einem dreidimensionalen Objekt den Blick auf das "Knochengerüst" weniger. Dann erscheint es günstiger, das Altersmerkmal des dicken Stammes zu verwenden. Ich betrachte den Unterschied zwischen Malerei und Penjinggestaltung als ein Zeichen dafür, dass auch letzterer eine künstlerische Ambition zugrunde lag.

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Es gibt auch zumindest ein Beispiel für einen ganz im Sinne der Literatenmalerei gestalteten Penjing. Es handelt sich um eine Kiefer, die aus der Höhlung eines Steines herauswächst. Fast wirkt der Stein wie ein Teil des Stammes. Auf dem Blatt von Li Shixing (1280-1368) ist der Penjing nicht wie üblich Accessoire auf einer Genreszene, sondern der Gegenstand des Bildes. Das zeugt davon, dass diesem Baum eine hohe Wertschätzung zuteil geworden sein muß.

Die künstlerische Qualität dieser alten Penjing ist später anscheinend nicht übertroffen worden. Die meisten Abbildungen aus den folgenden Jahrhunderten zeigen deutlich weniger attraktive Bäume. Das muß nicht an der Qualität der Gestaltungen liegen, es kann vielmehr durchaus eine Folge der lückenhaften Überlieferung sein. Bis ins 18. Jh. hinein ist die Zahl der Abbildungen nicht groß, so dass nicht gewährleistet ist, dass sie die tatsächliche Entwicklung getreu wiedergeben.

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Es sei deshalb hier nur noch ein Beispiel angeführt, das zumindest belegt, dass im 18. Jh. die künstlerische Qualität nicht geringer war als im Mittelalter. Das Blatt aus dem Gothaer Penjing-Album zeigt eine "Kugelzypresse", wohl eine Gartenform einer der in Ostasien heimischen Chamaecyparis-Arten. Durch die Integration von Steinen, Farnen(?) und Gräsern in die Komposition entsteht der Eindruck einer Landschaft. Obwohl die Steine relativ klein sind, bilden sei durch ihre auffällige gelbe, schwefelkiesartige Farbe einen wirkungsvollen Kontrast zu dem dominierenden Baum. Man kann sich allerdings einen solchen Baum durchaus auch ohne die Steine vorstellen und in dem Gothaer Album gibt es auch einige wenige Beispiele dafür. Der Baum, ein Doppelstamm, erzeugt den Eindruck hohen Alters: gewundene, Brüche assoziierende Stammform, ausgeprägte Oberflächenwurzeln, alte Rinde, Shari, deutliche Stammverjüngung. Die Komposition ist klar und einfach. Sparsame Grünpartien kontrastieren zu Leerräumen, die die Stammcharakteristika wirkungsvoll herausheben. Ein alter, schicksalsgebeugter aber lebenskräftiger Baum in der Einsamkeit einer Felslandschaft. Die aufwendig verzierte Schale in dezentem Graugrün vermittelt zwischen der Umgebung, die der Baum symbolisiert und der Terrasse des prächtig geschmückten Hauses, für die er gedacht war.

Bisher ist nur von China die Rede gewesen und in der Tat gibt es keine Belege für irgendwelche japanischen Sonderentwicklungen in der älteren Zeit. Ähnlich qualitätvolle Bilder von Bäumen wie die hier gezeigten sind aus Japan erst aus dem 18. Jh. überliefert ( was wiederum an der Überlieferung liegen mag ). Allerdings gibt es in Japan heute noch Bonsai, von denen gesichert ist, dass sie seit Jahrhunderten in Kultur sind. Der abgebildete Baum, der sich heute in der kaiserlichen Sammlung befindet, soll dem 3. Tokugawa-Shogun Iemitsu (1604-1651) gehört haben. Er wird also damals schon ein altes, würdiges Aussehen gehabt haben. Leider läßt sich nicht rekonstruieren, wie er vor 350 Jahren ausgesehen hat.

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iemitsu_kiefer-1_kopie.jpg (83.61 KiB) 890 mal betrachtet


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Bildquellen

1. Amy Liang: Bonsai, die hohe Kunst, übers. von Horst Stahl. Stuttgart(Kosmos) 1998
2. und 3. Yee-sun Wu: Man Lung Artistic Pot Plants, HongKong (Wing Lung Bank) 1974 (2. Aufl.)
4. Schätze Chinas aus Museen der DDR. Ausstellungskatalog des Roemer- und Pelizaeus-Museums, Hildesheim 1990. Das Blatt befindet sich im Besitz der Stiftung Schloß Friedenstein in Gotha.
5. Nippon Bonsai Association: Classic Bonsai of Japan, übers. von John
Bester. Tokyo (Kodansha) 1989
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