Die Firma Baum - Der Baum als Wirtschaftsunternehmen

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holgerb
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Die Firma Baum - Der Baum als Wirtschaftsunternehmen

Beitrag von holgerb »

Die Firma Baum


Das Lebewesen Baum soll einmal mit einer Firma, einem Unternehmen verglichen werden.
Für diese 'Firma Baum' sind einige Vorraussetzungen nötig, um den Vergleich möglichst richtig zu formulieren.
Es handelt sich um ein produzierendes Gewerbe.
Die neue Firma (Baum) ist immer ein Ableger einer anderen Firma.
Die Firma kommt nahezu völlig ohne 'Fremdfirmen' aus, d. h. Sämtliche Reparaturen und Nebentätigkeiten, die nicht direkt mit der Produktion zu tun haben werden auch intern ausgeführt, ein 'outsourcing' findet fast nicht statt.

Ein Unternehmen startet mit einer Geschäftsidee, mit dem Willen etwas zu produzieren, um daraus Kapital zu schlagen. Diese Idee ist bei einem Baum im genetischen Code, der DNS festgehalten. Sie beinhaltet sämtliche Informationen, wie der Baum grundlegend aussehen wird, was produziert wird ( im Falle des Baumes ist das immer das Gleiche, energiereiche Kohlenhydrate) und anders als bei der Firma ist in der DNS auch schon festgehalten, wie gut das Ganze intern funktionieren und wie alt der Baum maximal wird.
Alleine mit der Idee ist jedoch kein Gewinn zu erzielen, es ist ein Startkapital von Nöten, der eine Art Initialzündung für das Wachstum auslöst. Das Startkapital des Baumes ist im Samenkorn gespeichert, so wie auch die Geschäftsidee und auch die ersten Mitarbeiter (Enzyme). Damit das im Samenkorn gespeicherte Kapital genutzt werden kann, sind einige Umweltfaktoren nötig, u.a. Feuchtigkeit, Luft und bei Lichtkeimern Licht. Diese Faktoren sind vergleichbar mit Standortfaktoren der Firma, wie Verkehrsanbindung, Rohstoffvorkommen usw. Ein gewisser Teil an Rohstoffen ist auch im Startkapital, dem Samenkorn enthalten.
Lässt man ein Samenkorn auf Filterpapier keimen, so wird es zwar ein Stück weit wachsen, aber mangels Rohstoffen (= Nährsalzen) nicht weiterwachsen. Es ist also auch für das Samenkorn der Standort bzw. die Versorgung mit Nährsalzen äusserst wichig.
Je besser die Faktoren sind, umso besser für die neue Firma, bis zu einem gewissen Punkt. Zu hohe Feuchtigkeit, zu viele Nährstoffe, zu hohe Temperatur und/oder zu viel Licht können das Wachstum beeinträchtigen.
Ausgehend von einer optimalen Versorgung wird das junge Pflänzchen wachsen. Zunächst wird die Versorgung mit Roh- und Betriebsstoffen gewährleistet. Hierzu bildet das Samenkorn eine Keimwurzel und im weiteren Wachstum ein immer weiter verzweigtes Netz an Wurzeln, die eine Versorgung mit Wasser als Betriebs- und Rohstoff und Nahrsalzen als Rohstoffen gewährleisten. Im Anschluß an die Keimwurzel bildet sich ein Sproß mit einem ersten Blattpaar den Keimblättern. Der krautige, grüne Sproß und die Keimblätter bilden die ersten Produktionstätten. Das weitere oberirdische und unterirdische Wachstum erfolgt im Wechsel. Produziert wird am Tage, da die Produktion in einem ersten Schritt lichtabhängig erfolgt. Der Rest der Produktion ist nicht lichtabhängig. Produziert wird vornehmlich für den Eigenbedarf und zwar ein Stoff, in dem die Energie des Lichtes gespeichert wird. Dieser Stoff wird in verschiedenen Lagerstätten des Baumes bevorratet.
Für die Bildung dieses Stoffes ist Kohlendioxyd, ein weiterer Rohstoff und Wasser, notwendig. Durch einen komplexen biochemischen Vorgang werden daraus Kohlehydrate (in einer Speicherform) gebildet und als Abfallprodukt entsteht Sauerstoff. Dieser biochemische Prozess wird Fotosynthese oder Kohlenstoffassimilation genannt.
Aber was passiert nun mit dem Produkt, wer kauft es? Wie bereits erwähnt, werden die meisten Kohlehydrate selbst verbraucht, denn die Firma Baum hat nur zwei Ziele: Wachstum, um der Größte zu werden, alle anderen Konkurrenten unter sich zu halten, sich zu vermehren und Tochtergesellschaften zu bilden. Es seien aber auch kleinere Betriebe genannt, die darauf spezialisiert sind unter den Großen zu existieren. Aber auch die Kleinen wollen unter sich die Größten sein. Allerdings, alleine durch gespeicherte Energie lässt sich nichts vergrößern. Keine Million auf dem Konto nützt, wenn sie nicht investiert wird.
Aber, von vorne: Ein am Anfang kleiner Teil der gespeicherten Energie wird benötigt um laufende Prozesse weiterhin 'bezahlen' zu können. Die Firma 'Mykhorizza' liefert nur solange Nährsalze, wie der Baum mit Energie bezahlt. Und die Ionenpumpen in den Wurzeln oder in den Schließzellen funktionieren nur, solange sie mit Energie versorgt werden. Dies sei nur als Beispiel erwähnt. Auch die Fotosynthese benötigt Energie.
Der Prozess dieses Energieverbrauchs wird Veratmung genannt. Durch Sauerstoff und Kohlehydrate wird wiederum in einem biochemischen Prozess die gespeicherte Energie freigesetzt, als Abfallprodukte entstehen Kohlendioxyd und Wasser.
Wachstum der Firma Baum ist nur dann möglich, wenn mehr Energie produziert wird, als laufende Prozesse an Energie benötigen.
Sowohl für die oben erwähnten Prozesse, wie auch für die Expansion sind 'Baustoffe' notwendig und zwar in verschiedenen Mengen.
99% der Pflanze bestehen aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sticktoff, Sauerstoff, Phosphor und Schwefel. Hinzu kommen die Spurenelemente Kalium, Kalzium, Magnesium. Mangan, Molybdän, Eisen, Kupfer, Bor, Chlor und Natrium. Für Mykhorizzapilze ist oft Kobalt sehr wichtig, Wüstenpflanzen benötigen Selen. Nickel benötigen die Knöllchenbakterien der Leguminosen (eine Symbiosefirma wie Mykhorizza, die Luftstickstoff binden können). Manche Pflanzen brauchen Silizium.
Wiederum ausgehend von einer optimalen Versorgung, kann die Firma Baum expandieren, der Firmenstamm wird größer Speicherkapazitäten erhöht, das Versorgungsnetz der Wurzeln ausgeweitet und neue Zweigstellen mit Produktionstätten (Blätter) gebildet, kurzum, die Firma wächst.
Der Bedarf an allen Roh- und Betriebsstoffen steigt, es müssen vielmehr Prozesse gleichzeitig versorgt werden, weitere Expansion ist notwendig, hinzu kommt die Vorbereitung zur Bildung von Tochtergesellschaften.
Hierzu verbinden sich zwei Gechäftsideen (DNS) zu einer neuen, die sich in ihrer Ausbildung und den Fähigkeiten von den anderen unterscheidet. Die Produktion bleibt die gleiche und auch das Ziel, aber die Fähigkeiten werden neu geordnet. Dieser Vorgang wird als Blüte bezeichnet. Aus ihr erfolgt die Ausbildung einer Frucht, die nach ihrer Reife, entweder durch den Wind oder Tiere weitergetragen wird. Beide Transportwege müssen unterschiedlich bezahlt werden, für die Flugfrucht ist ein Segel zu bauen, der Transport per Tier wird mit Fruchtfleisch bezahlt.
Jeder Vorgang benötigt Energie und Rohstoffe, ohne diese Faktoren ist Wachstum und überleben nicht gesichert.
Unter immer währenden optimalen Bedingungen würde der Baum immer weiter expandieren, sich immer weiter vergrößern, bis zu dem Punkt, an dem der genetische Code den Tod des Individuums vorsieht.
Die Natur zeigt sich jedoch alles andere als stabil und immer optimale Bedingungen liefernd. Verschiedenste Faktoren zwingen den Baum zu wirtschaftlichem Handeln, es kann nirgendwo Energie verschwendet werden. Je mehr der Baum wächst, um so mehr wachsen die fixen Kosten, um laufende Prozesse weiter zu betreiben. Um auf Störungen von aussen reagieren zu können, werden verschiedene Energiereserven angelegt. Anders als bei einer realen Firma bekommt der Baum jedoch keine Zinsen auf das Ersparte und es gibt auch keine Kredite. Ist die Reserve alle, dann geht es an die Substanz. Einzelne Produktionsstätten werden aufgegeben, das Chlorophyll in den Blättern abgebaut um weitere Energie freizumachen. Reicht die dadurch zurückerhaltene Energie nicht aus, sterben weitere Baumteile ab, indem ihnen die Energie entzogen wird. Beispielsweise wird ein Baum immer die Blätter zuerst aufgeben, die am wenigsten Ertrag bringen, also innenliegende Blätter, die von äußeren beschattet werden.
Mit zunehmenden Alter verschiebt sich das Verhältnis Energie : Masse zu Ungunsten der Energie. Immer weniger Energie steht für weiteres Wachstum zur Verfügung, immer mehr muß für den Erhalt der vorhandenen Substanz aufgewendet werden. Dann können schon kleinere Einflüsse das Sytem Baum zum Zusammenbruch bringen.
Im Bereich Bonsai wird künstlich das Verhältnis Energie : Masse zu Ungunsten der Energie verschoben. Im begrenzten Raum einer Bonsaischale ist nur wenig Platz zum Aufbau eines großen Wurzelwerkes, es können nur begrenzt Rohstoffe aufgenommen werden und auch die Fotosyntheseleistung des gesamten Individuums ist durch die Schnittmaßnahmen begrenzt. Es ist also besonders wichtig möglichst optimale Vorraussetzungen zu schaffen um den Bonsai nicht übermäßigen Stressfaktoren auszusetzen.

Holger Burgardt
"The mind is like a parachute. It doesn't work unless it's open."
- Frank Zappa -
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