Ein wenig feuchte Luft - insbesondere in geschlossenen Räumen

Gießen, Düngen, Umtopfen, Pflanzenschutz etc.
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Anja M.
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Ein wenig feuchte Luft - insbesondere in geschlossenen Räumen

Beitrag von Anja M. »

Die Luftfeuchtigkeit ist ein Faktor für das Gedeihen unserer Pflanzen, von dem jeder weiß, aber wo selten konkrete Aussagen zu getroffen werden. Sofern sie überhaupt in der Literatur Erwähnung findet, werden die Bedürfnisse der Pflanzen mit so präzisen Angaben abgehandelt wie ?niedrig?, ?mittel? und ?hoch?, ohne daß eine Definition dieser Zustände zu finden ist.


Was ist mit Luftfeuchtigkeit gemeint?
Luftfeuchtigkeit ist zunächst einmal Wasser, das in Form von Dampf in der Luft enthalten ist. Je nach Temperatur ist die Luft in der Lage mehr oder weniger Wasser aufzunehmen. Die Wassermenge, die aktuell tatsächlich in der Luft vorhanden ist, wird als Prozentanteil der möglichen aufzunehmenden Wassermenge angegeben.

Dazu einige Zahlenspiele:

1qbm Luft kann bei 0°C 4,4g Wasser aufnehmen und hätte damit eine Luftfeuchtigkeit von 100%.

Sind nur 2,3g Wasser in dieser Luft, dann hat sie eine Luftfeuchtigkeit von 50%.

Wird diese Luft auf 20°C erwärmt, vermag sie 17,0g Wasser aufzunehmen, hat sie aber immer noch nur die 4,4g vom Ausgang, so hat sie eine Luftfeuchtigkeit von 26%.




Wo brauchen wir Luftfeuchtigkeit?
Brauchen tun wir die Luftfeuchtigkeit natürlich überall und sie ist auch beständig vorhanden. Jedoch in geschlossenen Räumen kann durch die Manipulation vor allem der Temperatur der Feuchtigkeitshaushalt durcheinander geraten. Daher sollte für ein behagliches Wohnklima bei uns Menschen und auch bei Pflanzen in Gewächshäusern auf eine passende Luftfeuchtigkeit geachtet werden.

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So ein Haar-Hygrometer gibt es bereits für 10 - 20? zu erwerben. Allerdings nicht in diesem älteren Design.

Bei meiner Suche über Angaben zur einzustellenden Luftfeuchtigkeit verschiedener Überwinterungstemperaturen wurde ich nur bei den Tropenhäusern fündig. Bei kühleren Häusern, deren Pflanzen eine Winterpause einlegen, schien niemand gesondert auf die Luftfeuchtigkeit zu achten. Somit scheint dieser Faktor auch nur bei den Pflanzen von Interesse zu sein, die in unserem Wohnbereich oder in einer ähnlich warmen Umgebung überwintern und aktiv am Wachsen sind.



Wieviel Luftfeuchtigkeit brauchen wir?
Eigentlich geht es ja hier um unsere Pflanzen, aber da sie meist mit uns den Raum teilen müssen, sollte auch unser Bedürfnis von Bedeutung sein. Und eigentlich muß sogar unser Bedürfnis an erster Stelle kommen, denn eine zu geringe Luftfeuchtigkeit kann genauso gesundheitliche Probleme mit sich bringen, wie eine zu hohe. Erkältungen und Asthma können hier ihre Ursache haben. Zudem macht eine zu hohe Luftfeuchtigkeit es möglich, daß sich Schimmel im Wohnbereich ansiedeln kann, der nicht immer sichtbar sein muß.

Auch für Pflanzen gibt es ein zu hoch und ein zu niedrig. Bei zu niedriger Luftfeuchtigkeit muß die Pflanze mehr Wasser verdunsten als sie im extremsten Fall nachliefern kann. Sukkulenten haben sich auf solche Bedingungen eingestellt und fühlen sich unter extrem trockenen Bedingungen noch wohl.
Erstaunt hat mich der Umstand, daß es für Pflanzen auch zu feucht sein kann. In einem Beitrag über die Tomaten und eine Mangelkrankheit namens Spitzenendfäule bin ich das erste Mal darüber gestolpert. Ursache ist der Mangel an Kalzium, der auch entstehen kann, wenn die Pflanze nicht genug Wasser verdunsten kann und somit kein neues Wasser mit neuen Nährstoffen nachkommt. Dadurch bildet die Pflanze zu weiche Zellwände und ist für Schimmelpilze angreifbar. Da unsere Bäume auch nur Pflanzen sind, wird eine zu hohe Luftfeuchtigkeit ihnen ähnliche Probleme bereiten.

In Zahlen:


Luftfeuchtigkeit für den Menschen gem. ärztlichen Empfehlungen: 45% - 60%

Luftfeuchtigkeit für Pflanzen: ~ 40% - 80%

Tropenhaus der Uni Kassel je nach Zone: 65% - 75%

Niedrig: <50>60%



Zu hohe Luftfeuchtigkeit
Gern gehen wir in unseren Tips für andere Leute davon aus, daß ihre Probleme von einer zu niedrigen Luftfeuchtigkeit herrühren. Das muß beileibe nicht der Fall sein, denn auch beim Wohnungsbau ist die Zeit in den letzten Jahren nicht stehen geblieben. Erhöhte Anforderungen beim Wärmeschutz haben dazu geführt, daß verstärkt darauf geachtet wird Fenster und Türen abzudichten, so daß nirgends ein unkontrollierter Luftaustausch stattfinden kann. Das führt nicht nur zu verbrauchter Luft, sondern auch die Luftfeuchtigkeit reichert sich im Laufe der Zeit an. So schön eine Feuchtigkeit von gut 60% einem Pflanzenliebhaber scheinen mag, hier kommt die Wassermenge in der Luft in gesundheitsgefährdende Bereiche. Da muß der Gesundheit und auch dem Gebäude zuliebe, das bei zu hoher Luftfeuchtigkeit auf die Dauer Schaden nehmen kann, kontrolliert gegen an gelüftet werden. Auch wenn einige Pflanzen gern eine höhere Luftfeuchtigkeit hätten, hier geht der Mensch vor.

Hat man das Glück, ein Gewächshaus für seine tropischen Bäume einrichten zu können, darf es gern etwas feuchter sein. Von den Hausbetreibern beim IBC wird folgender Rat noch gegeben, der auch bei kühleren Häusern gut ist: Stehende und feuchte Luft ermöglicht es Schimmelpilzen sich anzusiedeln. Deshalb gehört ein Ventilator unbedingt zur Grundausstattung.


Zu wenig Luftfeuchtigkeit
Zuviel Luftaustausch, ob gewollt bei offenen Türen oder durch ungeahnte Ritzen, führen während der Heizperiode zu trockener Luft. Früher hatte man daher Wasserkännchen an den Rippenheizkörpern hängen, dann waren Papyrus und Springbrunnen in, letztens hörte ich im Fernsehen davon, man solle feuchte Handtücher über die Heizung hängen, das wäre das einzig wahre.

Bonsaianfänger bekommen an der Stelle den Tip mit dem Tablett. Man stelle den Baum auf ein Tablett, auf das man vorher poröse Steinchen (Seramis oder Blähton) geschüttet hat und lasse darin immer ein wenig Wasser stehen. Dadurch soll dem Baum mehr Feuchtigkeit in der Luft verschafft werden. Kaum ein Bonsaianer, der nicht davon gehört hat und das ganze für plausibel hielte.

Schon vor 2-3 Jahren jedoch hat in der Mailing-Liste vom IBC Nina Shishkoff regelmäßig Einspruch dagegen erhoben. Von einem Dr. der Biologie sollte so eine Aussage zumindest berechtigte Zweifel an der Tablett-Methode wecken. Da auch eine Orchideenseite diesen Effekt bezweifelt, hab ich einfach mal nachgemessen.

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Beim ersten Versuchsaufbau habe ich an 2 Fenstern gemessen, die nicht nur gleich groß und gleichermaßen von der Heizung betroffen, sondern auch ähnlich mit Pflanzen bestückt waren.


Mit einem Hygrometer an 2 Meßpunkten messen ist wahrlich nicht einfach. Da dieses Instrument eine viertel bis halbe Stunde braucht um sich einzupendeln, kann es schon mal geschehen, daß einige äußere Faktoren sich ändern und die Messung hinfällig machen. Dabei reicht die offene Haustür um den Einkauf ins Haus zu transportieren oder daß die Heizung sich in Gang setzt und einen verstärkten Luftzug erzeugt.

Daher hab ich das Tablett nach mehreren Messungen umgestellt. Der Eßzimmertisch steht von Heizung und Haustür weiter entfernt und verspricht ein ausgeglicheneres Klima.

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Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht. Auf dem Tisch entstanden 2 einfacher zu kontrollierende Meßpunkte ... bis unsere Katze alles mit der Tischdecke zu Boden beförderte.

Meßergebnis:


Luftfeuchtigkeit im Raum: 35-40% (ich weiß, zu nierdrig)

Luftfeuchtigkeit über Tablett: jeweils um ca. 3% höher als im Raum

Luftfeuchtigkeit bei bewegter Luft vorm Fenster in beiden Fällen mehr oder weniger gleich!



Damit ist der Nutzen des Tabletts zur Erhöhung der Luftfeuchtigkeit gleich null. Trotzdem gibt es genug Leute, die durch das Tablett einen positiven Effekt bemerkt haben wollen. Dr. Shishkoff führt dies darauf zurück, daß die Leute mit diesem Tablett erst in der Lage sind adäquat zu gießen, da sie nicht mehr befürchten der Untergrund könnte naß werden. Ich möchte 2 weitere Beobachtungen hinzufügen: Zum einen erfahren verzweifelte Anfänger erst von dieser Methode, wenn ihre Pflanzen schon Tage oder Wochen in ihrer Obhut sind. Der Laubwurf, der zur Eingewöhnung stattfindet, legt sich nach einiger Zeit und dieser Effekt wird dann dem Tablett zugute geschrieben. Zum anderen hat das Tablett durch seine Ausmaße zwar nicht die Luftfeuchtigkeit erhöht, aber den Warmluftstrom von der Heizung bei meinem ersten Versuchsaufbau von der Pflanze abgelenkt .


Möchte man wirklich ein wenig mehr Luftfeuchtigkeit für seine Bäume erreichen, wird wohl erst ein Aquarium weiterhelfen. So ein oben offenes Gefäß soll nach Angaben der Orchideenfreunde für 10-20% mehr Feuchtigkeit sorgen. Nach der vorherigen Erfahrung wäre es vielleicht nicht verkehrt, wenn der Inhaber so eines Aquariums einmal nachmißt.

Noch eine Anmerkung: Ob Tablett oder Aquarium oder Zimmerspringbrunnen, alle diese Gefäße sollten von Zeit zu Zeit trocken fallen und gereinigt werden, da sich Pilze und Keime gern in dem feuchten Milieu ansiedeln.

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So wenig Luftfeuchtigkeit und so viel Wachstum, kaum zu glauben.


Sehe ich mir meine Fensterbank an, auf der seit Oktober Hibisken und Benjamin stehen, so kann ich an keiner Pflanze Schäden durch die nun offiziell nachgewiesene trockene Luft feststellen. Allerdings sind die Pflanzen an diesen Ort gewöhnt und haben von Oktober bis Anfang Januar mit zunehmender Dunkelheit teilweise recht viele Blätter entsorgt. Mit zunehmendem Tageslicht treiben sie kräftig vor sich hin und ihre Blätter wiegen sich in der aufsteigenden Warmluft der Heizung. Einzig ein Punica-Pflänzchen, daß im Windfang keinen Platz mehr fand, an einem Nordfenster dünn und mickrig ausgetrieben ist, bekam bei zusätzlicher direkter Sonneneinstrahlung schlaffe Triebe. Hätte ich sie an den 2 Sonnentagen nicht vom Fenster weggestellt, hätten sich wahrscheinlich am Ende Trockenschäden gezeigt, wie sie eine Anfängerin Mitte März von ihrem Podocarpus zeigte.

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An diesem Podocarpus von Kimbi zeigen sich vertrocknete Spitzen an den neu gebildeten Blättern.


Passende Temperatur, Licht und vor allem adäquates Gießen scheinen mir mangelnde Luftfeuchtigkeit kompensieren zu können. Erst ein oder mehrere weitere negative Faktoren lassen Pflegeprobleme entstehen, wie wir sie beispielhaft von den subtropischen Gewächsen Serissa foetida und Carmona microphylla kennen.


Weiterführende Seiten:
http://www.vis.bayern.de/technik/praeve ... ometer.htm
Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz

http://www.wiz.uni-kassel.de/ink/?c=29&language=de

73 Anja
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