European Bonsai San Show 2019

Ausstellungen, Workshops, Arbeitskreise, Events u. -Organisationen, Reisen, Besuchen in Bonsai-Gärten und Töpferstuben.
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Andreas Ludwig
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Re: European Bonsai San Show 2019

Beitrag von Andreas Ludwig »

Ganz abgesehen davon, dass das nicht mehr viel oder gar nichts mit dem Ausgangs thread zu tun hat, ist die Diskussion über «Bonsai», «Penjin» oder «Pensai» eine akademische, eine «AOC»-Diskussion. Je nachdem, wie man sie angeht, muss dabei herauskommen, dass Japan das Mass aller Dinge ist (wenn es bis in alle Details der Endausformung geht) oder «Bonsai» ist eine Bezeichnung wie «Gitarre» (wenn man lediglich das technische Prinzip zugrunde legt). Dann kann entweder nur eine spanische Konzertgitarre eine richtige Gitarre sein, oder eben auch eine Dobro, eine Gibson oder eine selbstgebaute Apparatur. Solange sich Bonsai-Aussteller das Publikum neiden und Töpfer die Kunden, kann man sich daher schon fragen, ob Purismus der Schlüssel zum Glück ist.
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zopf
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Re: European Bonsai San Show 2019

Beitrag von zopf »

Bonsai puristisch, das mag für Manche (wie mich) ein guter Weg sein.
Da ist das Bäumchen, der Partner im Duett, der doch vorgibt was aus Ihm werden kann,
Stil, Form ist unwichtig, das Bäumchen singt und man muss sich anpassen,
ein harmonischen Gleichklang ist doch was Schönes.
Ob Kinderlied oder Opernarie, einfach ein Gesang,
wenn man´s Kunst nennen will, nennt man´s halt Kunst.
Dann kommt noch die Schale, das Wurzelbehältnis
und schon hat man etwas wie Bonsai.
Nur 2 Objekte und wir Menschlein, mehr brauchts eigentlich nicht.
Da kann noch viel mehr kommen, Tisch, Beisteller, Präsentation, Photos, Ausstellung,
kann, muss aber nicht.
Baum, Schale, Mensch - so ganz puristisch nun doch nicht - aber Manchem reicht´s halt
grüsse an die bewohner von melmac
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Dirk K. aus L.
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Re: European Bonsai San Show 2019

Beitrag von Dirk K. aus L. »

RoyF. hat geschrieben: 29.10.2019, 17:31 PS: Ich glaube auch nicht, dass Bonsai geeignet ist, um gesellschaftliche und politische Dinge künstlerisch auszudrücken. Dazu eignen sich andere Medien deutlich besser.
Dieser Ansatz spiegelt exakt meine Überzeugung wider.

Zeigt mir doch einen Bonsai, der die Gräuel des Holocaust widerspiegelt! Oder die Qualen eines misshandelten Kindes! Das hat dann mit dem, was die meisten mit Bonsai assoziieren, wenig bis gar nichts zu tun. Ein Bonsai stellt einen lebenden ästhetisierten Baum en miniature dar. Nicht mehr, nicht weniger.

Wenn Bonsaianer immerzu darauf pochen, man solle sie als Künstler wahrnehmen, ist das eher Ausdruck eines Minderwertigkeits-Komplexes.
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Andreas Ludwig
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Re: European Bonsai San Show 2019

Beitrag von Andreas Ludwig »

Dirk – da protestiere ich jetzt aber nochmals. Das ist ein eristischer Trick, den du anwendest – du führst ein Argument ad absurdum und die Extrembeispiele der Kulturgeschichte an, um zu behaupten, man könne keine inhaltliche Aussage mit Bonsai zu machen. Nicht Lenz' bekannte Penelope ist erstens ein sehr gepflegter Baum, zweitens eine schöne Kombination und regt drittens zu Überlegungen an, hat eben etwas «Sinnstiftendes». Ähnlich etwa die Cotoneasterhecke von Joe Selworthy mit dem kleinen Gartentor drin und dem Ahorn dahinter. Wenn du es lieber japanisch hast, nehmen wir etwa die Schnitzarbeiten von Kimura, der aus Prunusholz Felsen macht. Wäre ich so radikal wie du, könnte ich sagen: Wenn die puristischen Kunstfeinde sich auf die reine Bäumchengestaltung zurückziehen, ist das bloss Ausdruck ihres gestalterischen Unvermögens...
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Georg
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Re: European Bonsai San Show 2019

Beitrag von Georg »

Als "Alt 68er" muss ich doch noch den generellen Einwurf machen, dass es den losgelöst unpolitischen Menschen nicht gibt. Wir sind alle ein homo politicus, das sollten wir uns gelegentlich bei unserem Handeln bewusst machen.
Ein schönes Wochenende
Gruß
Rüdiger
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zopf
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Re: European Bonsai San Show 2019

Beitrag von zopf »

Cool
dann bin ich also ein puristischer Kunstfeind mit gestalterischem Unvermögen,
na wenn´s dem Herrn beliebt,
mir soll es recht sein
grüsse an die bewohner von melmac
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Dirk K. aus L.
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European Bonsai San Show 2019

Beitrag von Dirk K. aus L. »

Andreas Ludwig hat geschrieben: 02.11.2019, 10:35 Dirk – da protestiere ich jetzt aber nochmals. Das ist ein eristischer Trick, den du anwendest – du führst ein Argument ad absurdum und die Extrembeispiele der Kulturgeschichte an, um zu behaupten, man könne keine inhaltliche Aussage mit Bonsai zu machen.
Andreas,

GRUNDSÄTZLICH kann ein Bonsai durchaus eine künstlerische Aussage (also eine solche, die über ihn als Baum hinausgeht) transportieren. Aber dann ist das für mich eher eine "Baum-Skulptur". Also ein anderes Medium.

Sicher ist die Darrieux-"Installation" dazu angetan, tradierte Bonsai-Regeln und -Grenzen zu überdenken. Vor dem Hintergrund begrüße ich solche "Ausreißer" auch. Ich glaube aber nicht, dass sie in der Bonsai-Szene eine Zukunft haben.

Grüße, Dirk
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Andreas Ludwig
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Re: European Bonsai San Show 2019

Beitrag von Andreas Ludwig »

Tja– dann definiert sich die Bonsaiszene als geschlossene Gesellschaft, die gewissermassen «die Gesellschaft ausgrenzt». Ich warte gespannt auf die nächste Publikumsbeschimpfung, warum die Welt nicht zur Ausstellung des AK Klein-Hinterlingen kommen wollte, wo man sich doch soviel Mühe gemacht hat.

Und nein – ausgerechnet Darrieux ist zu nichts geeignet. Er ist ein Egomane. Ich vermute, seine Fokussierung auf Bonsai sei eher zufälliger Natur. Er könnte genau so gut Stand-up Comedian, Tatort-Kommissar oder Rapper sein. Womit ich natürlich nicht die guten Beispiel für diese Betätigungen meine und gewiss nicht alle, sondern nur die billigen.

So. Ich muss leider – da ist jemand interessiert, in seinem Garten mit schöner Aussicht auf die Jura-Hügel eine künstliche Perspektive hinzukriegen, nicht zuletzt mit der Bepflanzung. Eine Art «3-D-Display in sehr gross». Das ist eine Herausforderung. Die nehme ich an, gemeinsam mit einem Landschaftsarchitekten. Ist nicht Bonsai, aber ohne Bonsai wäre ich dazu nie in der Lage. Man kann wirklich sehr viel machen aus dieser Technik!
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Andreas Ludwig
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Re: European Bonsai San Show 2019

Beitrag von Andreas Ludwig »

zopf hat geschrieben: 02.11.2019, 11:54 Cool
dann bin ich also ein puristischer Kunstfeind mit gestalterischem Unvermögen,
na wenn´s dem Herrn beliebt,
mir soll es recht sein
La Diva hat übersehen, dass ich ganz bewusst den Konjunktiv gewählt habe... :-D
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abardo
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Re: European Bonsai San Show 2019

Beitrag von abardo »

Dirk K. aus L. hat geschrieben: 02.11.2019, 11:55 GRUNDSÄTZLICH kann ein Bonsai durchaus eine künstlerische Aussage (also eine solche, die über ihn als Baum hinausgeht) transportieren. Aber dann ist das für mich eher eine "Baum-Skulptur". Also ein anderes Medium.
Warum den ein "anderes Medium" ? Deshalb gibt es doch den skulpturellen (plastischen) Stil im Bonsaikanon. Neben, traditionelle-japanischem, naturalistischen, Literaten-, Märchen- ... (usw) --- Stil.

Kimuras Bäume haben oft nur noch wenig mit einem naturalistischen Ansatz zu tun, sind Form, Plastik, Skulpturen, das Ergebniss des Formverständnis eines Künstlers und deshalb Kunst. Die Formgebung ist sozusagen die künstlerische Aussage (es muss doch keine politische sein).

Und als man in Japan merkte, wie fremd diese Skulpturen sind, gabs erst einen grossen Aufschrei und wusste nicht wie damit umzugehen. Anschliessend hat man den plastischen Stil in den Kanon integriert. Heute sind diese Formen normal.

Im Garten- und Landschaftsbau geht das ja auch. Es gibt Gärten, die mit dem Abbild einer Landschaft nichts mehr zu tun haben und bei denen nur noch Form und Farbe interressiert.

Die Pflanze kann für den Künstler also reines Material sein, wie Farbe, Leinwand oder Marmor.
Grüße, Frank
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Dirk K. aus L.
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Re: European Bonsai San Show 2019

Beitrag von Dirk K. aus L. »

Tach auch!
abardo hat geschrieben: 02.11.2019, 22:58 Die Pflanze kann für den Künstler also reines Material sein, wie Farbe, Leinwand oder Marmor.
Klar, ein lebender (Miniatur-)Baum kann als universeller Künstler-Rohstoff dienen.

Möglich wäre also z.B. auch, das Totholz eines Bonsais wie folgt zu gestalten:
Baum-Skuptur_Schnitzwerk.jpg
Baum-Skuptur_Schnitzwerk.jpg (304.79 KiB) 1690 mal betrachtet
Ist das dann noch das, was ihr euch unter "Bonsai" vorstellt und wünscht? Oder Bonsais mit Baumhäusern, in denen Klima-Aktivisten ihre Transparente schwingen? Vielleicht untermalt mit passenden Lautsprecher-Durchsagen ...

Alles denkbar, ja ... *kopfkratz*


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Re: European Bonsai San Show 2019

Beitrag von Tomsai 92 »

Hallo allerseits,
ich schmier auch noch meinen Senf auf diese anregende Diskussion mit drauf:
abardo hat geschrieben: 02.11.2019, 22:58 Im Garten- und Landschaftsbau geht das ja auch. Es gibt Gärten, die mit dem Abbild einer Landschaft nichts mehr zu tun haben und bei denen nur noch Form und Farbe interressiert.

Die Pflanze kann für den Künstler also reines Material sein, wie Farbe, Leinwand oder Marmor.
Wenn ich mir ausmalen müsste wie frustriert ich als Landschaftsgärtner wäre, wenn ich meine Kundengärten nur nach ihren oberflächlichen designästhetischen Attributen bewerten müsste...
Ohne die gesellschaftlichen Konventionen hierzulande gutzuheißen muss ich doch sagen, dass jedem noch so banal wirkendem Garten ein Ausdruck seines Besitzers innewohnt. Meist nur sehr subtil und nur fürs geübte Auge erkennbar. Akademiker haben z.B. die Neigung alles an irgendwelchen Konstruktionen festzubinden und die Drähte dann gerne einwachsen zu lassen. Je weniger Gartenerfahrung jemand hat, desto mehr tendiert er zu extremen Wünschen - entweder soll alles jederzeit blühen oder alles formal, schlicht und geradlinig wirken.

Ich sehe da keine Unterschiede zu Bonsai. Bonsai ist ein Ausdruck seines Besitzers. Erst die inneren Qualitäten, die grundsätzliche Pflanzenauswahl, die Geduld beim Aufbau von Stamm, Wurzeln und Astansätzen, die vielen kleinen Feinheiten, die in diesem Prozess mal mehr und mal weniger bewusst einfließen, lassen die Gesamtaussage entstehen.
Demnach ist es für mich relativ irrelevant, ob ein Außenstehender diese Details wahrnimmt oder nicht. Ob es nun Kunst ist oder nicht ändert doch nichts am Prozess der Entstehung, höchstens dass es oft erzwungen wirkt, wenn man sich zu sehr auf die Sehnsucht des Kunstschaffens versteift. So war es zumindest bei meinen bisherigen "Bonsai" die nicht um ihrer selbst willen gestaltet wurden.

Ich glaube an einen ganzheitlichen Ansatz bei Bonsai:
Mit jedem Baum entscheidet man sich eine Beziehung einzugehen. Wenn man ihn für seine inneren Qualitäten, die subtilen Feinheiten, liebt, sein Potential fördert und respektvoll, bzw. sogar demütig (danke Roy für den inspirierenden Einwand) weiterentwickelt, spiegelt sich das in einer unbeschreiblich tiefen emotionalen Genugtuung im alltäglichen Umgang mit ihm wider.

Das verzweifelte Streben nach dem Besitz besserer Bäume geht, denke ich, mit innerer Armut einher. Daran ist nichts Schlechtes - der Versuch die Ursache dieses Mangels zu erkennen ist eine Chance der persönlichen Weiterentwicklung.

Insofern halte ich Bonsai wohl eher für eine therapeutische Maßnahme als für Kunst.

Beste Grüße
Tom
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Re: European Bonsai San Show 2019

Beitrag von abardo »

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Re: European Bonsai San Show 2019

Beitrag von Tomsai 92 »

Frank, dein Bestreben Bonsai vehement als Kunst zu verteidigen in allen Ehren, aber könntest du mir bitte erklären welche Emotionen diesen extremen Willen auslösen?
Welche tiefe Relevanz hat es für dich persönlich in dem Moment in dem du alleine in deinem Garten an deinen eigenen Pflanzen arbeitest, ob andere deine Werke (oder eben auch Bonsai im allgemeinen) als Kunst definieren?
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Re: European Bonsai San Show 2019

Beitrag von abardo »

@Tomsai 92: per PN.

Warum spricht eigentlich niemand über den Baum in Darrieux's Display ?
Den finde ich nämlich sehr interressant gemacht.
Grüße, Frank
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