künstliche "Yamadori"

Alles andere was zu Bonsai passt.
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achim73
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Re: künstliche "Yamadori"

Beitrag von achim73 »

Bei Lärchen die so um die 20 Jahre alt sind,
blieben ein paar übrig, die in der Waldpflanzung nicht benötigt wurden.
Diese zeitlebens lieblos in kleinen Töpfen gezogen haben mittlerweile eine gute Borke gebildet,
sind aber klein und eher den Shohin zuzuordnen.
Beim Wäldchen hingegen denen mehr Wurzelraum, Dünger gegeben wurde
und die mehr Beachtung fanden, hat sich noch keinerlei Borke eingefunden.
Auch eine Mugo die ich vor 30 Jahren aus Samen gezogen habe,
zeigt nur am Stammansatz erste Zeichen von Borkenbildung, was den guten Wachstumsbedingungen geschuldet ist.
Bei über 20 jährigen Fichten das selbe, kaum Pflege, kaum Wachstum, aber Borke.
interessanter aspekt, war mir so nicht bewusst.
Gruss, Achim
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Andreas Ludwig
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Re: künstliche "Yamadori"

Beitrag von Andreas Ludwig »

achim – schau dir mal all die «Hammerteile» genau an, die hier so auftauchen. Da haben manche eine Borke, als würde sie täglich mit Hyaluronsäure eingeschmiert... Ist schon so, wie zopf anmerkt. Als Illustration ein Detail meiner Linde, seit 35 Jahren (damals ein Sämling) im Topf. Die Borke geht so durch bis in die Hauptäste. Die Längsrisse ergaben sich übrigens erst so richtig, als ich die Krone massiv auswachsen liess – der Zuwachs hatte «Sprengfunktion» unten. Mehr später mal, im Moment ist der Baum bloss ein Haufen Grünzeug mit haltungsbedingt grossen Blättern. Schönheit braucht Zeit.
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bock
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Re: künstliche "Yamadori"

Beitrag von bock »

Moin!

Wir kommen zwar etwas vom Thema ab, aber ich finde diese Wendung interessant.
Die Problematik stellt sich für mich so dar, dass am Anfang die Lehrjahre mit Frust und Verlusten stehen. Wenige Projekte aus der Anfangszeit haben es bei mir bis ins Internetzeitalter geschafft.
Die Überlebenden haben selbstverständlich einen hohen Stellenwert für mich. Die Lehrjahre sind eigentlich vorbei, dennoch habe ich den Status "Azubi" bisher nicht hinter mir gelassen. Ich fange jedes Jahr wieder aufs Neue an mit Sämlingen und versuche die Fehler der Anfangsjahre nicht zu wiederholen. Mitunter stellen sich auch Erfolgserlebnisse ein, wichtiger ist mir aber die Beschäftigung mit meinen Schützlingen. Das Beobachten des Wachstums, der Reifung und die meditative Betrachtung.
Ich bewege mich derzeit auf einem schmalen Grat zwischen Bonsai-Amateur und Topfpflanzen-Messie.
Mit zunehmender Häufigkeit frage ich mich, ob ich jemals das Heranreifen meines "Gesellenstücks" erleben werde.
Mir wird allmählich die Endlichkeit des Daseins bewusst.
Es ist in höchstem Maße befriedigend, die Vorstellung zu pflegen, dass ein paar meiner Bäumchen einem Nachfolger Freude bereiten könnten.
So beginne ich jedes Jahr wieder mit neuen Anläufen und voller Hoffnung.
Die Zeit des Austriebs erfüllt mich mit Freude, dass das Leben in den Töpfen und Schalen weiter geht.

*dance*
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Andreas Ludwig
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Re: künstliche "Yamadori"

Beitrag von Andreas Ludwig »

bock hat geschrieben: 11.05.2021, 12:36 Wir kommen zwar etwas vom Thema ab, aber ich finde diese Wendung interessant.
Nein, wir bewegen uns darauf zu. «Gott hat uns fallen lassen und so stürzen wir denn auf ihn zu» lautet die Quintessenz eines Theaterstücks von Friedrich Dürrenmatt. Den Auftakt hier machte die Frage, ob man Yamadori unter Auslassung der Wanderung, des Suchens, so für sich vor dem Haus, bequem also, abkürzen könnte mit Decken, Stromschlägen, Bunsenbrennern und anderen, exaltierten Methoden. Typisch industrielles Denken: Für jede Methode eine technische Alternative, die einfacher ist; was man zweimal macht, kann man doch automatisieren, nicht wahr? Schneller, effizienter und vor allem günstiger. Hatten wir schon hundert Mal hier: Kann man nicht Bonsaischalen aus Beton oder Kunststoff giessen, um diesen Wahnsinns-Preisen für Keramik zu entgehen? Kann man nicht mit pH-Messung, Ideal-Dünger und Supersubstrat den Weg abkürzen? Nein, man kann letztlich eben nicht. Jeder, der auch nur ein bisschen etwas von der Sache versteht, wird dann mit einem Blick feststellen, dass die Patina geschummelt ist.
bock hat geschrieben: 11.05.2021, 12:36Ich bewege mich derzeit auf einem schmalen Grat zwischen Bonsai-Amateur und Topfpflanzen-Messie. Mit zunehmender Häufigkeit frage ich mich, ob ich jemals das Heranreifen meines "Gesellenstücks" erleben werde.
Mir wird allmählich die Endlichkeit des Daseins bewusst.
Womit wir ganz beim Kern sind. Ich habe in meiner Wohnung ein paar Uhren. Eine kriegten meine Urgrosseltern 1891 zur Hochzeit. Sie muss seit damals mehr als vier Milliarden mal die Sekunden gezählt haben. Eine weitere kriegten meine Grosseltern zur Hochzeit. Ich? Ich ziehe sie auf, bewahre sie, wer weiss für wen. Ich bin dabei nicht wichtig, ich bewahre bloss. Darum mag ich Bäumchen. Es sind die langsamsten Uhren, die ich habe. Sie sind nicht in Sekunden oder Stunden getaktet, sondern in Wochen, Monaten, Jahren. Betrachte ich meine Linde, geht mir durch den Kopf, was ich alles tun musste, damit sie heute noch da ist. Aber gerade viel war das dann doch nicht – etwas giessen, etwas düngen, hie und da mal umtopfen. Es geht bei Bäumchen um Zeit und darum, wie wir sie verstehen. Haben wir keine, sollten wir auch keine Bäumchen haben.
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Re: künstliche "Yamadori"

Beitrag von Hippo »

bock hat geschrieben: 11.05.2021, 12:36 Es ist in höchstem Maße befriedigend, die Vorstellung zu pflegen, dass ein paar meiner Bäumchen einem Nachfolger Freude bereiten könnten.
Salü Andreas,

Die Vorstellung ist wunderbar aber mach dir da keine Illusionen!
Das was Du nicht zu Lebzeiten gegen hart verdientes Geld hergibst, wird dich nicht um viele Jahre überleben.
Das ist mein bitterer Ernst aus ebensolcher Erfahrung.
In den letzten 10 Jahren meiner Bonsaiaktivitäten habe ich meine Sammlung auf etwa einen Viertel geschrumpft. Ich hatte neben meinen geschäftlichen Umtrieben einfach keine Zeit für mehr als ca. 100 Bäumchen. Das waren natürlich die Besten aus der Sammlung welche ich unbedingt behalten wollte.

Nun, ein Jahrzehnt später wollte ich von der Welt mehr sehen und so suchte ich für meine Sammlung den denkbar besten Platz bei einem Freund und Arbeitsgruppenleiter. Ich überliess ihm alle Bäume, meine ganze Schalensammlung und auch mein Gewächshaus. Manche dieser Bäume habe ich seit 25 Jahren gestaltet und es war recht viel Herzblut dabei. Auch alle meine Gross-Suiseki, dachte ich bei ihm in guten Händen zu wissen.
Zehn Jahre später, als ich wieder im Land war und ihn wieder traf, konnte er sich an meine Bäume nur noch verschwommen erinnern. *crazy*
Das war für mich mitunter eine der schmerzlichsten Ohrfeigen des Lebens, denn ich kann leider nichts mehr daraus lernen weil ich eh nicht mehr in diese Situation kommen werde. Aber vielleicht kannst Du irgendeine Folgerung für dich rausziehen ....

Gruss George
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mydear
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Re: künstliche "Yamadori"

Beitrag von mydear »

Hippo hat geschrieben: 11.05.2021, 15:18 Die Vorstellung ist wunderbar aber mach dir da keine Illusionen!
Das was Du nicht zu Lebzeiten gegen hart verdientes Geld hergibst, wird dich nicht um viele Jahre überleben.
Kann ich bestätigen, meine standesamtliche Zuteilung und meine genetische Nachfolge sind froh wenn das Zeugs alles irgendwann weg ist :shock: *obm*

Grüße
Rainer
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Georg
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Re: künstliche "Yamadori"

Beitrag von Georg »

Tja, da hat man es mit nem Weinkeller einfacher.... :lol:
Gruß
Rüdiger
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bock
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Re: künstliche "Yamadori"

Beitrag von bock »

Hippo hat geschrieben: 11.05.2021, 15:18 ...
Zehn Jahre später, als ich wieder im Land war und ihn wieder traf, konnte er sich an meine Bäume nur noch verschwommen erinnern. *crazy*
...
Daraus ziehe ich den Schluß, dass es sinnvoller ist, nach der Abgabe der Bäumchen das Thema zu schließen.
So bleibt wenigstens die Erinnerung und die Illusion des Weiterlebens...

Oder es findet sich ein Häuslebauer im Neubaugebiet, der den Pflanzen einen Neuanfang als Gartenbaum anbietet.

Warum auch nicht.

:-D
liebe Grüße Andreas
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Re: künstliche "Yamadori"

Beitrag von Hippo »

bock hat geschrieben: 11.05.2021, 19:13 Daraus ziehe ich den Schluß, dass es sinnvoller ist, nach der Abgabe der Bäumchen das Thema zu schließen.
Mit meiner Erfahrung tendiere ich eher dazu weder gute noch schlechte Bonsai und auch kein Jungpflänzchen gratis abzugeben sondern mindestens einen Freundschaftspreis oder eine symbolische Spende z.B. für den Ornithologischen Verein oder für den Verein werdender Mütter o.ä..
Ich denke, es geht darum, dass der Baum einen ideellen UND nominellen Wert darstellt, dass er 1. nicht vernachlässigt wird, weil kost nix ist nix Wert, und 2. auch nicht für sinnlose und suizidale Gestaltungsversuche herhalten muss, da er ja nichts gekostet hat.

Ich hoffe es ist klar, dass ich nicht gegen Tauschhandel unter Kollegen agiere und/oder gegen einzelne Freundschaftsgeschenke wäre/bin. Aber wenns um eine Sammlung geht oder grössere Teile davon, würde ich (heute) mit einem Gegenwert sicherstellen, dass eine Wertschätzung gewährleistet ist.
Ich denke, nicht Jeder muss meine Scheisserfahrung selbst machen.

Gruss George
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Re: künstliche "Yamadori"

Beitrag von Siach »

Weil vorher der Vergleich mit Ski-Tageskarten gemacht wurde, ein Besuch der Arlbergregion ist im Sommer für Yamadori bzw. Kieferfans warscheinlich interessanter.
arlberg
arlberg
Screenshot_20210511_223815_com.android.gallery3d.jpg (143.14 KiB) 573 mal betrachtet
Ich habe leider keine besseren Fotos der Kiefern (Arlen, von da der Name) gemacht weil es da 1000e gibt und sie im sprichwörtlichen Wald untergehen.

Gruss Mathias
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Andreas Ludwig
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Re: künstliche "Yamadori"

Beitrag von Andreas Ludwig »

Danke Mathias – damit kommen wir zum wahren Kern. Wir sind nämlich selbst schuld an der Verwahrlosung des Ganzen, an der geringen Wertschätzung von «Bonsai». Wir hätten es «Bäumchen» nennen sollen, durchwegs, hätten darauf verzichten müssen, es mit grünem Tee und Zen in Verbindung zu bingen und uns als tüdelige urdeutsche Beamtenseelen gar mit der japanischen Flagge fremdzuschmücken. Abgesehen davon, dass das extrem xenophobe Japan so etwas nie akzteptieren würde, haben wir damit nur erreicht, dass «Bonsai» keine Sau interessiert. Jeder Imkerverband hat mehr aktive Mitglieder als der Bonsaiclub.

Wünschenswert wäre ja, dass all die Balkone in Berlin, die Terrassen in Düsseldorf, die Gärten in Baden hie und da mit einem kleinen Bäumchen aufwarten, dass das ganz normal wäre, wie etwa Hortensien, Geranien oder Liebstöckel. Ist nie gelungen, weil wir es zu einem «exklusiven» Ding gemacht haben, weil wir vorausgesetzt haben, man müsse fliessend japanisch sprechen, einem Wurzelansatz «nebari» sagen und einen Schalenstempel lesen können, um dabei zu sein.

Das Resultat? Wir beraten hier die wenigen, die mal so ein bisschen «Bonsai» machen, weil es doch hübsch aussieht und kämpfen gegen die, die denken, man könne das im Turbomodus hochbringen, weil es doch Status bringt und vielleicht viel Geld wert ist. Was aber war mal die Idee? Was genau? Einen Baum zu haben, etwas kleiner als draussen, in einem Topf. Mehr nicht. Ich habe gerade die Erlaubnis gekriegt, die Topfpflanzen meiner Nachbarin zu kürzen, zu schneiden. Das reicht vorerst. Peu à peu werde ich ihr näherbringen, andere Arten zu pflanzen. Bäumchen in Töpfen halt, mehr nicht. Bon Sai. Der Rest ist Attitüde und schadet der Sache.
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achim73
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Re: künstliche "Yamadori"

Beitrag von achim73 »

/mod: habe das thema mal in den allgemeinen bereich verschoben.
Gruss, Achim
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Arthur Dent
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Re: künstliche "Yamadori"

Beitrag von Arthur Dent »

Ich finde die Frage von Cubus spannend und gerechtfertigt!
Wie oft sehe ich die austauschbar produzierten Prebonsai in den Onlineshops dieser Welt. Wie oft sehe ich, dass in unserem Arbeitskreis die Pflanzen in die paar klassischen Stilrichtungen gepresst werden. Selbst auf Ausstellungen sehe ich Pflanzen die sich deutlich ähneln und damit Preise gewinnen.
Warum das so ist? Weil dies meisten von uns keine Künstler sind. Die wenigsten von uns eine Vorstellungsgabe haben, die nur im Ansatz das produzieren kann, was die Natur an kreativer Varianz bietet. War es nicht Kimura, der auf seine Stecklingen ein Gitterost legt, damit diese runtergerückt, verbogen und in zufällige Formen gepresst werden? Ich finde den Ansatz, bei der Zucht dem Zufall mehr Raum zu geben, klasse.

@ Cubus
Schade, schade, schade wie man hier regiert. Leider fühlt sich manch einer gezwungen, alles zu kommentieren! Manchmal dann leider sinnlos. Da wäre weniger mehr....
Es braucht aber Leute wie dich, sonst wird es hier langweilig!
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roro
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Re: künstliche "Yamadori"

Beitrag von roro »

Hallo Arthur,

Meinungsvielfalt ist immer etwas Gutes. Dazu gehört auch die Fähigkeit sich ins Gegenüber hineinzuversetzen, genau zuzuhören und vor allem auch die andere Meinung - wenn die auch nicht der eigenen Haltung entspricht - zu dulden. Was aber nicht heissen soll alles unkommentiert hinzunehmen. Es gibt in unserer medialen Welt viel „fake news“.
Bonsai ist per se schon langweilig im wahrsten Sinne des Wortes. Auch wenn das manche Gestalter an Demos anders vermitteln: Baum auf den Tisch, vier Mal um die Achse gedreht und von allen Seiten beäugt, Motorsäge raus, Baum um 2/3 gekürzt, Spitze und eine Grosszahl der Äste „shari“-iert resp.“jin“-isiert, alles durchgedrahtet und in Position gebracht, und wenn die Zeit noch reicht in eine funky Schale mit Reduktion des Wurzelballens getopft. Fertig ist des Meisters neustes Meisterwerk!

Wieso sehen auf Ausstellungen nun nicht alle Bäume unterschiedlich sondern ununterscheidbar gleich aus? Ich habe dazu meine einfache Erklärung:
Ein Bonsai wird nie ein 1:50 geschrumpftes Modell des grossen Baumes werden. Das lässt sein Habitus nicht zu. Denke an die überproportionalen Blätter! Selbst Zelkoven hätten - würde man das kleine Bonsailaub mit dem Bäumchen proportional vergrössern das Riesenlaub einer jungen Pauwlonia. Bei einer alten, rissigen Rinde ist es meist ähnlich. Sie ist überproportional zu gross.
Was macht nun also der Bonsaigestalter, will er dennoch das Bild eines verkleinerten mächtigen Baumes vermitteln? Er arbeitet mit Typisierungen, denn auch so funktioniert unser Gehirn. Wir legen alles in Klassen und „Schubladen“ ab, um es einfacher zuzuordnen. Diese Klassen sind vage - beinhalten aber die Grobmerkmale. Ein alter Baum hat einen breiten Wurzelansatz, mit dem er sich in den Boden krallt. Er besitzt eine ausladende Krone, die etwas wolkig aufgelockert ist. Ein mächtiger Stamm usw. Diese Orientierungsbilder vermögen bei den meisten Betrachtern über die „Mängel“ der Verkleinerung hinwegzutäuschen und das Erstaunen zu wecken, es mit einem mächtigen, aber doch kleinen Baum zu tun zu haben.

Doch mit der Zeit übt sich das Auge aufmerksam auch kleine Unterschiede in dieser gleichförmigen Baumauswahl festzustellen. Dann ist Bonsai nicht mehr einfach „boah,“ sondern wird - vielleicht für manche etwas pedantisch - über eine Aststellung, die noch nicht ganz sitzt, oder eine Blattgrösse diskutiert.

Mir kommen Ölbilder als Stilleben in den Sinn, wie sie zu Tausenden in Museen hängen oder auch auf fast allen Flohmärkten dieser Welt zu finden sind. Sie zeigen alle dasselbe: Eine Tischplatte gefüllt mit Früchten; etwas Blumen, meist noch ein Kristallglas mit Wein und vielleicht ein erlegter Fasan oder eine andere Jagdtrophäe. Alles in dickem Öl gemalt; goldschwer eingerahmt. Immer dasselbe - mal besser, mal schlechter gemalt. Trotzdem hängen einige in Museen für Millionen und andere landen beim Trödler für einige Groschen.
Ich glaube nicht, dass es das Ursprungsbild gab und dann alle das auch ausprobieren, sprich nachmalen, wollten. Es entspricht mehr einer solchen inneren „Schublade“ die bei uns gewisse Empfindung unvermittelt auslösen vermag..

Dies als weiterer Denkanstoss.
Grüsse, roro
Zuletzt geändert von roro am 23.05.2021, 12:33, insgesamt 1-mal geändert.
Sind diese Blumen künstlich? - Natürlich.
Also natürlich oder künstlich? - Natürlich künstlich!
Hippo
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Re: künstliche "Yamadori"

Beitrag von Hippo »

Arthur Dent hat geschrieben: 12.05.2021, 16:03 Leider fühlt sich manch einer gezwungen, alles zu kommentieren! Manchmal dann leider sinnlos. Da wäre weniger mehr....
Ganz abgesehen von den Leuten, die am liebsten Kommentare von Kommentaren kommentieren. :lol: :lol: :lol:
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