Vermehrung durch Samen und Air-Pruning-Methode

Erfahrungsaustauscht und Dokumentation von Sämerein und Stecklingsanzucht von Gehölzen auf dem Weg zur Bonsai tauglichen Rohpflanze.
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Ginkgo_Biloba
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Vermehrung durch Samen und Air-Pruning-Methode

Beitrag von Ginkgo_Biloba »

Hallo liebe Bonsai-Freunde ☺️

ich interessiere mich für die Vermehrung von Baumarten durch Samen.
Ich habe schon viel darüber gelesen, div. Literatur, darunter Kawollek‘s „Alles über Pflanzenvermehrung“ sowie hier im Bonsai-Fachforum. Ich denke ich bin gut vorbereitet, jedoch habe ich noch die ein oder andere grundlegende oder auch recht spezifische Frage.

Ist es ratsam Gehölze Samen an einem hellen Fensterplatz in der Wohnung in einem kleinen Gewächshaus (Anzuchtkasten mit Deckel) zu ziehen oder sollte die Vermehrung draußen erfolgen?
Wenn die Anzucht drinnen erfolgt, wann ist dann der beste Zeitpunkt die Pflanzen nach draußen zu bringen? (Es sind ja immerhin Bäume, die evolutionsbedingt Wind und Wetter gewöhnt sind, ich möchte ihnen aber optimale Bedingungen für Wurzelwachstum und Entwicklung bieten)

Die nächste Frage richtet sich an diejenigen, die bereits mit Teichpflanzkörben, bzw. der Air-Pruning-Methode Erfahrung haben. Ich finde diese Methode super spannend und sehr gut nachzuvollziehen. Daher möchte ich meine selbstgezogenen Pflanzen gerne in TPK aufziehen. Ist es ratsam die jungen Pflanzen nachdem sie eine höhe von 10-15cm erreicht haben und somit auch bereits ausreichend Wurzeln gebildet haben direkt in TPK zu setzen (d.h. Noch im ersten Jahr)? Oder sollte man erst einmal eine gewisse Zeit damit warten? Wenn ja, ab dem wievielten Jahr macht es sinn die jungen Bäume der Air-Pruning-Methode zu unterziehen? Ich würde den Torfanteil (grober Torf) bei den jungen Pflanzen demnach erhöhen um etwaiges Austrocknen zu vermeiden und um die Nährstoffabgabe an die jungen Bäume zu fördern.

Ich hoffe hier findet sich der Ein oder Andere der bereits Erfahrungen mit der Vermehrung und der Air-Pruning Methode gemacht hat. Ich hoffe mit meinen Fragen Fehlern vorbeugen zu können (die werde ich noch zur genüge machen) und aus eurer Erfahrung lernen zu können. So funktioniert meines Verständnisses nach Fortschritt ☺️
Ich bedanke mich schonmal, viele Grüße,
JJ
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maexart
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Re: Vermehrung durch Samen und Air-Pruning-Methode

Beitrag von maexart »

Hallo JJ,
Ich mache beides, also sowohl draussen als auch innen Sämlinge vorgezogen. Meine diesjährigen Palmatum Sämlinge sind jetzt nach draussen gezogen da nun hoffentlich kein Frost mehr zu erwarten ist. Hatten alle etwa 2 richtige Blattpaare.

Sämlinge in tpks zu setzen halte ich für nicht sinnvoll. Zum einen brauchen sie viel mehr Platz als diese praktischen 9x9 cm Plastiktöpfe in denen viele Baumarktpflanzen verkauft werden, zum anderen finde ich eine gewisse Vorbereitung der Wurzeln vor dem Einsetzen im tpk sinnvoll, das heißt mindestens einmal, besser zweimal Wurzeln kürzen bzw selektieren. Dann entwickeln sich die Wurzeln im tpk auch an den richtigen stellen.
Ansonsten finde ich persönlich tpks super, sie erfordern nur aufgrund ihrer Optik und der Tendenz gelegentlich Substrat zu verlieren eine Recht große Toleranz der besseren Hälfte.

Wenn du dieses Jahr noch nicht mit der Aussaat begonnen hast bist du übrigens relativ spät dran, wenn man davon ausgeht dass viele Gehölze 4-6 Wochen zur stratifikation und weitere 2 Wochen zur Keimung benötigen.

VG Max

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Ginkgo_Biloba
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Re: Vermehrung durch Samen und Air-Pruning-Methode

Beitrag von Ginkgo_Biloba »

Hallo Max,
danke für deine hilfreiche Antwort! Also kann man grundsätzlich Samen drinnen vorziehen und sie dann, bei zwei richtigen Blattpaaren, raus bringen?
Ich habe mir heute extra Saatgut bestellt, welches nicht stratifiziert werden muss, da gibt es ein paar schöne Arten ☺️

Es gibt runde TPK's mit einem Durchmesser von 13cm, aber es macht Sinn, wenn du sagst, dass sich die Wurzeln erstmal ausreichend entwicklen müssen... Ich werde evt. trotzdem beides ausprobieren um dann hier berichten zu können wie und ob es geklappt hat 😉

In welches Substrat hast du deine kleinen Ahörner (Ahorne, Ahorns?) als du sie rausgestellt hast gepflanzt? Jungpflanzenerde oder direkt in die Substratmischung deines Vertrauens?

VG JJ
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mydear
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Re: Vermehrung durch Samen und Air-Pruning-Methode

Beitrag von mydear »

Ginkgo_Biloba hat geschrieben: 17.04.2021, 23:36 In welches Substrat hast du deine kleinen Ahörner (Ahorne, Ahorns?) als du sie rausgestellt hast gepflanzt? Jungpflanzenerde oder direkt in die Substratmischung deines Vertrauens?
Für Ahornsamen geht Pflanzerde oder Kokoserde recht gut. Die mögen es im ersten Jahr gerne etwas feuchter. Ich habe erst nach einem Jahr getrennt oder vereinzelt. In 2021 habe ich schon Anfang Februar ausgesät, sie bekommen gerade die 2 oder 3. Blattpaare. Anzucht im geschützten Kalthaus mit tagsüber Südsonne.
Hier kannst du nachlesen: viewtopic.php?p=566156#p566156

Grüße
Rainer
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Laubgeflüster
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Re: Vermehrung durch Samen und Air-Pruning-Methode

Beitrag von Laubgeflüster »

Hallo JJ,

auch ich bin letztes Jahr auf die Idee gekommen folgende Arten zu ziehen. Japanische Rotkiefer, Koreanische Hainbuche, Zelkove, Rotahorn, Punica granatum Nana, und Iberische Korkeiche. Einen Teil der Saat welcher eine Stradifikation durchlaufen musste wurde im Gefrierfach für 5 Wochen gelagert. Danach keimten bei mir in der Wohnung nur die Kiefern, diese waren aber sehr dünn und hoch gewachsen und knickten relativ schnell ein. Möglicherweise lag das auch an zu feuchtem Substrat. Den anderen Teil der Saat habe ich einfach den Winter über draußen bei Wind und Wetter in feuchtem Substrat gehalten (ich nutze die Tomatenbecher von Lidl, die eigen sich hervorragend als Mini Gewächshaus). Anfang März als es kurze Zeit warm wurde zeigten sich die ersten Keimlinge weshalb ich Sorge hatte diese erfrieren könnten. Ich habe sie dann ins Haus geholt und besonders die Samen der Koreanischen Hainbuchen sind zahlreich gekommen. Auch die Jap. Rotkiefern sind wieder zuverlässig gekeimt. Dieses Mal deutlich dicker und dafür kürzer. Sie schieben jetzt schon die 2te Nadelreihe. Bei den Zelkoven kommen aktuell nur 3 zuverlässig. Rotahorn kam nicht einer. Bei den Arten ohne Stradifikation wie der Korkeiche haben es immerhin 2 von 4 Eicheln geschafft. Aktuell stehen Sie alle noch bei mir am Süd Dachfenster.. Da knallt die Sonne schon richtig rein wenn sie es mal mal aus den Wolken schafft.

Was ich damit sagen will, die Anzucht in der Wohnung mag funktionieren ist aber nicht das optimum. Vielleicht habe ich dir damit geholfen. Viel gelingen!

Beste Grüße
Nicklas
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sauwoidman
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Re: Vermehrung durch Samen und Air-Pruning-Methode

Beitrag von sauwoidman »

Hallo!

Ich habe auch schon des Öfteren (hauptsächlich aus Langeweile :lol: ) im Winterhalbjahr verschiedenste Samen aufgezogen. Aber speziell bei einheimischen bzw. mediterranen Arten habe ich oft die leidige Erfahrung gemacht, dass selbst am vollsonnigen Südfenster die Lichtintensität nicht stark genug ist und die Sämlinge oft nur lang und weich werden und meist irgendwann umknicken und vertrocknen oder verschimmeln. In der Wohnung ist es einfach zu warm für die meist magere Lichtausbeute. Wie Rainer schon sagt, ist dafür ein Kalthaus wohl besser geeignet.
Da wir aber bereits Mitte April haben, würde ich dir empfehlen, die Samen gleich draußen auszusäen. Das wäre die einfachste Möglichkeit. Du kannst allerdings die Samen jetzt auch drinnen keimen lassen (durch die wärmeren Temperaturen sollte das schneller passieren als draußen) und dann, wenn sich die ersten (Keim-)Blätter zeigen, die Pflanzen nach draußen stellen, um dem "Langbenigwerden" der Sämlinge entgegenzuwirken.

Zu den Teichpflanzkörben kann ich nur sagen, dass es bei Sämlingen in den ersten 1-2 Jahren keinen Vorteil bringt, eher nur den Nachteil, dass diese schneller austrocknen. Also erst einmal einige Zeit wachsen lassen, dann nach dem ersten Umtopfen mit Wurzelsortierung/-schnitt kannst du es mit einem TPK probieren.

MfG Reinhold! :-D
Ginkgo_Biloba
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Re: Vermehrung durch Samen und Air-Pruning-Methode

Beitrag von Ginkgo_Biloba »

Jetzt komme ich endlich mal dazu mich zu bedanken bei den ganzen Wertvollen Tipps und Hilfestellungen.
Ich werde die Samen in der Wohnung auf dem Fensterbrett keimen lassen und sobald das erste Blattpaar zusehen ist, kommen sie nach draußen.
Mit den TPK werde ich auch noch warten, bis sich die Wurzeln ausreichend entwickelt haben, vlt. werde ich aber auch das Experiment wagen und den ein oder anderen Keimling schonmal in einen TPK setzen. Werde davon berichten.
Ginkgo_Biloba
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Re: Vermehrung durch Samen und Air-Pruning-Methode

Beitrag von Ginkgo_Biloba »

Die nächste Frage, die sich mir stellt, ist bezüglich des Düngens.
Ich habe zwei Dünger, einmal Flüssigdünger (siehe Bild) und einmal Biogold (NPK: 5,5; 6,5; 3;5).
Wann ist der richtige Zeitpunkt für die erste Düngung und welchen Dünger soll ich am besten verwenden und in welchen Mengen?
Habe auch schon etwas von Anzuchtdüngern gehört, lohnt sich die Investition, oder reichen meine vorhanden Dünger aus?

Wünsche euch schonmal eine schöne Restwoche, bei uns spielt das Wetter dieses Wochenende vermutlich mit! Ich hoffe bei euch auch! ☺️

Viele Grüße,
JJ
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mydear
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Re: Vermehrung durch Samen und Air-Pruning-Methode

Beitrag von mydear »

Ich persönlich würde nicht so früh mit dem Düngen beginnen. Du signalisierst den Sämlingen, dass genügend Nährstoffe da sind und sie sich nicht mit üppigem Wurzelwachstum darum bemühen müssen. Erst sollen sich erst einmal ausreichend Feinwurzeln bilden. Wenn die Wurzeln unten aus den Töpfen stark herauswachsen (nicht nur eine Wurzel) merkst du, dass es Zeit zum Umpflanzen ist. Da ist die Frage, ob es bei kurzen Intervallen überhaupt Dünger braucht?

Was du düngst ist mehr eine Frage der Einstellung und auch der Bereitschaft deines Geldbeutels. Hier im Forum gibt es viele Freunde von Wuxal universal (8-8-6) Flüssigdünger mit Spurenelementen. Es geht auch jeder andere vom Discounter. Organisch kannst du zusätzlich ab Sommer düngen, wenn es über 8 Grad Tagestemperatur-Durchschnitt hat. Vorher wird der organische Dünger kaum von Bodenmikroben aufgeschlossen.

Grüße
Rainer
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Ginkgo_Biloba
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Re: Vermehrung durch Samen und Air-Pruning-Methode

Beitrag von Ginkgo_Biloba »

Lieber Rainer,
Deine Tipps und vorallem deine verständlichen Erklärungen helfen mir sehr weiter! Danke dir!

Ich benutze als Anzucht-Substrat allerdings Kokoserde (aus Kokosziegeln) mit Sand, da die Kokoserde keine bis kaum Nährstoffe mit sich bringt (ist ja auch bei der Anzucht gewollt) frage ich mich schon, ob das Gießwasser auf Dauer genügend Nährstoffe bereitstellt. Sind die Sämlinge einmal groß genug, kann ich eine Mischung aus Akadama, Lava, Bimskies und evt noch Kiryu mit den Kokosfasern zusammenstellen. Ich habe die Substrate in größeren Mengen gekauft und sie dann jeweils einzeln nochmal gesiebt, dass ich alle Teile in der Körnung 1-2, 2-5 und 5-8mm habe, somit kann ich Substrat für kleine Pflanzen und große Pflanzen, je nach Anforderung, mischen. Da ich also keine Bonsai, oder Blumenerde benutze, die von Haus aus Dünger und Nährstoffe gespeichert hat, ist das ganze für mich noch nicht so ersichtlich mit dem Düngen. Vielleicht kannst du nochmal kurz darauf eingehen!

Außerdem frage ich mich, ob Zusatz Mykorrhiza schon für Sämlinge sinnvoll ist, oder auch diese erst nach 1-2 Jahren zum Einsatz kommen sollte.

Einen schönen sonnigen Samstag wünsche ich euch noch
Grüße JJ
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achim73
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Re: Vermehrung durch Samen und Air-Pruning-Methode

Beitrag von achim73 »

dervon dir gezeigte spezialdünger zeichnet sich im wesentlichen durch einen niedrigen stickstoffanteil im verhältnis zu den anderen komponenten aus.

die idee dahinter ist, dass bei älteren, reifen bäumen nicht mehr so starker zuwachs gewünscht wird, sondern eher auf kurze internodien etc. wert gelegt wird.

drüber kannst du dann in 20 - 30 jahren nachdenken ;)
Gruss, Achim
"Der kürzeste Weg zum Glück ist der Weg in den Garten"
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