ChSchulz hat geschrieben:
Hajo, nicht aus dem Mut bringen lassen. Das wird schon, und wenns nicht der Weihnachtsstern, dann halt was anderes.
Es ist manchmal schwer, aber aufgeben will ich nicht. Ich bin einigermassen sicher, dass in einigen Jahren, wenn der Weihnachststern etwas älter ist, und mit einer anderen Schale, das Ganze noch etwas werden kann.
Ich habe jetzt lange über das Thema "Ernsthaftigkeit" nachgedacht. Auch über mich und Bonsai.
Es stimmt schon, die Ernsthaftigkeit der richtigen Bonsaianer habe ich nicht. Ich freue mich an Pflanzen, nebenbei versuche ich mich als Hobby-Künstler und Software-Techniker im richtigen Leben.
Was mich an Bonsai fasziniert, ist die Ästhetik. Allerdings möchte ich mich in meiner Freizeit eher spielerisch mit Dingen beschäftigen. Ich probiere Dinge aus, experimentiere. Manchmal bleibe ich lange bei einem Thema, manchmal nicht.
Das passt nicht zu dem wie Bonsai hier, und auch in einem anderen Forum wo ich aktiv bin, gesehen wird. Abgesehen davon, meine Erfahrungen mit Pflanzenarrangements (Beisteller) oder der Gestaltung von Gehölzen sind noch sehr gering. Bislang kannte ich nur den Schnitt von Obstbäumen, wo es um die Qualität und Ertrag der Früchte ging, und einfachen Heckenschnitt.
Dazu kommt noch etwas, was ich in vielen anderen Bereichen auch sehe - im habe sehr weitgefächerte Interessen, aber da sich meine Zeit auf so vieles verteilt, werde ich ich keinem Bereich richtig gut. Und jedesmal, wenn ich dann in einem Bereich etwas vorstelle, dann muss ich sehen, dass die Spezialisten immer besser sind, und natürlich mein Werk mit dem der guten Leute in dem Bereich verglichen wird. Da hilft es dann nix, dass ich noch 100 andere Dinge eingermassen gut kann - ich kann halt nichts davon richtig gut, und das wird dann eben auch so gesagt.
Vielseitigkeit Ist im echten Leben gut, weil ich mir bei fast jedem Problem behelfen kann, aber schlecht für das Ego, weil ich, wenn es um Vergleiche in einem bestimmten Feld geht, immer schlecht abschneide.
Was tun?
Ich werde weiter an gestalteten Pflanzen werkeln. Mit der Zeit werde ich dabei besser werden. Ich werde das aber nicht mit der Erntshaftigkeit machen, die weiter oben im Thread vermisst wurde - ich will es nicht mal mit der Ernsthaftigkeit machen, für mich steht Spiel und Spass im Vordergrund.
Geld - ich weiss, dass die Schalen das Geld wert sind, weil ich sehe wie viel Arbeit die Töpfer hineingsteckt haben. Aber es widerspricht meiner Maxime, mit so wenig Geld wie möglich auszukommen. D.h. bei mir gibt es die lackierte 1-Euro Schale mit selbsgebohrtem Loch, zum einen weil sie billig ist und zum anderen weil sie dazu noch selbst bearbeitet/gestaltet ist. Wer erkennt dass es eine 1-Euro Schale ist, und sich daran mokiert, mit dem werde ich nicht zurechtkommen.
Ausserdem Individualität. Regeln? Regeln sind gut zum lernen, wenn man sich in ein neues Feld einarbeitet. Regeln existieren, weil das was die Regeln sagen, als gut und sinnvoll erkannt worden ist.
Aber nach dem ersten kennenlernen ist für mich immer das Feld jenseits der Regeln interessant - ausbrechen aus Traditionen, Zwängen, Vorschriften. Probieren was geht. Gut, oft lerne ich dann, dass die Regeln ganz schön viel Hintergrund haben, und bestimmtes einfach gar nicht funktioniert. Die Regel ist dann mehr ein Naturgesetz, das man nicht umgehen kann, als nur Konvention.
Japanische Traditionen sind zudem noch extra streng. Japanische Lehrer noch mehr.
Die würden mich mit Schimpf und Schande davonjagen.
Die Ästhetik bleibt als einziges, was Bonsaianer und mich verbindet. Schön gestaltete Pflanzen und Beisteller. Ich bewundere das, aber vermutlich kann ich dem Weg nicht folgen, weil die Perfektion nicht mein Ziel ist. Am liebsten sind mir Lösungen die schnell und billig und "gut genug" sind, wobei mein "gut genug" oft viel weniger ist als das "gut genug" anderer Leute.
Ich werde sicher von Bonsai lernen können. Die Ästhetik ist faszinierend, und die Regeln die zu dieser Ästethik führen interessieren mich, weil ich hoffe darin Leitlinien zu finden, die ich auch in andere Bereiche übertragen kann.
Totholz widert mich in den meisten Fällen an. Ich schreibe das mal ganz offen. Teile einer Pflanze abzutöten, und andere Teile leben zu lassen finde ich scheußlich. Ebenso sehe ich viele der Pflanzen auf Steinen, vor allem wenn sie gequält wirken. Hier beist sich die Ästethik mit meinem Wunsch nach Freude und Harmonie, verstümmelte, abgetötete oder gequält wirkende Planzten(teile) sind nichts für mich.
Auch das Nebari finde ich oft übertrieben. Man hat mir gesagt, wenn man einen Bonsai vergrößern würde, dann sollte er wie ein alter, großer Baum wirken. Ich habe Bäume betrachtet, im Wald und in Parks. Einige haben gar kein sichtbares Nebari. Andere haben relativ moderate Wurzeln um den Stamm herum. Selbst Ahorne haben in der Natur in der Regel keine so riesigen Nebari wie sie viele Ahorn-Bonsai zeigen. Dennoch wird das Nebari bei Bonsai als ganz wichtig betrachtet, was mir unverständlich ist, da es der "Bonsai ist verleinerter Baum" These widerspricht. Bonsai ist wohl eher ein kleiner Baum mit einigen übertrieben hervorgehobenen Aspekten. Auch den Fokus auf die Stammdicke rechne ich hierzu.
In einem Buch über Bonsai stand "man muss sich in die Pflanze hineinversetzen, und fühlen, wie sie gestaltet werden will". Was ich sehe ist aber, dass der Mensch der Pflanze seinen Willen aufzwingt. Es werden Äste und Wurzeln gepfropft, es wird gebogen, gedreht, bis die Form erreicht ist, die der Gestalter wünscht. Ich habe ausser in dem Buch nie gelesen, dass Bonai wirklich nach dem "hineinverstezen in die Pflanze" gestaltet wurde, sondern eher nach dem Willen des Gestalters.
Ich sehe hier Widersprüche, zwischen dem was man mir sagt, was Bonsai sei, und dem was ich sehe, wie Bonsai gemacht werden. Aber das ist eigentlich ein anderes Thema.
Wohin jetzt?
Ich weiss nicht. Ich werde mich weiterhin mit gestalteten Pflanzen beschäftigen. Es ist ein Feld, das ich bislang nicht erforscht habe, was mich überrascht, weil ich seit meiner Kindheit von Pflanzen umgeben bin, und sogar als Schüler in meinem Garten einige Bäume gepflanzt hatte, Ahorne und Eschen, die ich dann aber nicht weiter geschnitten oder gestaltet habe, sondern einfach wachsen liess. Die Gestaltung von Pflanzen gibt mir die Möglichkeit meine Liebe zur Ästhetik und meine Zuneigung zu Pflanzen zusammenzuführen. Sicher, ich lebe in eben dem oben erwähnten Spannungsfeld - gestalte ich nach den Wünschen der Pflanze oder nach meinen? Nun, ich Pflanze auch Gemüse, um es zu essen. Ich schneide Obstbäume der Ernte wegen. Ich frage beide nicht, was sie davon halten. Dennoch nehme ich gewisse Rücksicht, zumindest so weit, dass sie sich gut entwickeln, und im Fall der Bäume, auch, dass die alt werden.
Aber zurück - ich werde die Pflanzen vorwiegend der Ästetik wegen gestalten. Kompromisse werde ich machen, wo Gesundheit und meine Empathie mit Pflanzen der Gestaltung Grenzen setzen - wie oben gesagt, Totholz das nicht von scih aus entsteht, und Pflanzen, die gequält wirden, werden nicht Ziele meiner Gestaltung sein.
Ich glaube, ich passe nicht in die Bonsai-Welt. Ich habe zwei lange Forums-Pausen hinter mir, und bin heute hier, weil ich an andere Stelle von einem Bonsaianer noch mal auf eine unleidige Diskussion wegen einem Eichen-Sämling angesprochen wurde, von dem er annahm, er wäre auch in diesem Forum der Auslöser meiner Forumspausen gewesen, und das ganze Thema noch mal hochkam.
Es war sicher nicht schlecht darüber nachzudenken, auch darüber nachzudenken woher die Verstimmungen kommen, oder warum ich mich getroffen fühle, ob die Kritik berechtigt ist, uind wie ich damit umgehen will.
In Teilen ist die Kritik Berechtigt, zumindest wenn meine Werke als Bonsai betrachtet werden. Dann fehlt mir sicherlich die Ernsthaftigkeit. Ich fühlte mich getroffen, weil ich mich (gefühlt) dennoch sehr Ernsthhaft mit dem Thema befasse, aber die Ernsthaftigkeit, die ich meine ist eher eine Ernsthaftigkeit des Interesses, nicht der Ausführung, die zu recht kritisiert wurde. In der Ausführung bleibe ich aber bei meinem spielerischen, experimentellen, bei-weitem-nicht-perfekten, d.h. ich werde der Kritik nicht folgen, und bei meinem Niveau der Ausführung bleiben. Meine Interessen überspannen so viele Bereiche, schon der Versuch in einem zu einer gewissen Perfektion zu gelangen würde bedeuten, viele andere zu verlieren. Das ist nicht mein Ziel.
Vermutlich bleibe ich hier als Beobachter. Vieles an Bonsai gefällt mir, auch an den Beistellern und ich will mehr darüber lernen. Auch über die Schalen. Und auch ganz allgemein, die Pflege von Pflanzen; ich habe bereits in dem letzten halben Jahr sehr viel gelernt. Über das Totholz, gequälte Pflanzen und die Perfektion will ich ausser in dieser Nachricht nicht viel sprechen, weil die Ansichten dazu eben unterschiedlich sind, und ich, ausser meine Gefühle dazu einmal auszudrücken, den anderen nicht vorschreiben möchte wie er oder sie ihre Pflanzen zu gestalten haben. Es ist schlicht meine Meinung dazu, und sicher hat jeder hat seine eigene.
Danke noch mal für die Aufmunterung.