Moutarde de Ludwig (V)
- Andreas Ludwig
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Moutarde de Ludwig (V)
Drachensenf. Das ist keine Spezialität aus Guangdong oder Szechuan, aber lest selbst:
Mich erinnert es an ein kurzes Gedicht von Gustav Fröding. Den kennt jedes Kind in Schweden, ausserhalb ist er wenig bekannt. Leider, denn er hat eine eigene Sprache, eigene Gedanken und die Gabe, mit einfachen Bildern grosse Zusammenhänge zu umreissen, ganz unpathetisch, manchmal fast kindlich, aber sehr menschlich.
Das Gedicht heisst «Harens rätt», das Recht des Hasen. Dieses ist, sich den Bauch mit soviel Kohl vollzuschlagen, wie darin Platz hat, das Leben zu geniessen, solange kein Fuchs daherkommt und kommt einer, hohe Sprünge zu machen und Haken zu schlagen. Nur ein Recht hat er nicht: «men kalla sig annt än hare, har haren ingen rätt till» – sich etwas anderes als einen Hasen zu nennen, dazu hat er kein Recht.
Bei mir war es ein Drache. Ein Ficus, der nichts anderes sein durfte als ein Drache. Jeder Versuch, einen «Bonsai» zu machen, schlug unfehlbar fehl. Er hatte selbst und gab mir das Recht nicht, etwas anderes zu sein als einen Drachen. Ich fand das fragwürdig und versuchte eine ganze Menge, aber er blieb ein Körper mit zwei flügelartigen Ästen, egal, wie ich es drehte. Kaskade? Nö, Drache, der umgekippt ist. Frei aufrecht? Denkste, Drache, der ein paar Bier zuviel hatte.
Bis mir durch den Kopf ging, dass ein «Bonsai» doch von alters her das Recht hat, ein Drache zu sein. Derer gab es viele damals, als diese Kunst erfunden wurde in China von – na ja, etwas überkandidelten Würdenträgern. Die machten nicht nur Bäume, die aussahen wie Bäume, sondern wie Schriftzeichen, Symbole oder eben Drachen. Anders als bei uns war das für sie nicht das Haustier des Teufels, sondern der ehrwürdige Long, der schon sehr früh, in der Tang-Dynastie als Symbol der Herrscher auftaucht und in der Han-Zeit seine heutige Form, seine Bestimmung und seinen Namen kriegte. Man findet ihn überall, oben auf alten Siegelsteinen, an farbenfrohen Umzügen und natürlich in jedem chinesischen Restaurant. Ja dann..?
Ich liess dem Ficus also seinen Willen, unterstützte ihn sogar dabei und verhalf ihm eines Tages auch zu einem Kopf aus einem rostigen Metallstück. Wenn Drache, dann richtig. Er lässt sich nicht richtig fotografieren, es ist ein 3D-Objekt, um das man herumgehen muss. In jeder Position stört irgend etwas, ist im Weg, verdeckt – es ist kein Schaubaum mit Vorderseite, sondern eben ein Drache. Die Schale? Wenn ein Ficus ein Drache sein will, darf er auch eine Drachenschale aus altem Blech haben. Drakes rätt.
Mich erinnert es an ein kurzes Gedicht von Gustav Fröding. Den kennt jedes Kind in Schweden, ausserhalb ist er wenig bekannt. Leider, denn er hat eine eigene Sprache, eigene Gedanken und die Gabe, mit einfachen Bildern grosse Zusammenhänge zu umreissen, ganz unpathetisch, manchmal fast kindlich, aber sehr menschlich.
Das Gedicht heisst «Harens rätt», das Recht des Hasen. Dieses ist, sich den Bauch mit soviel Kohl vollzuschlagen, wie darin Platz hat, das Leben zu geniessen, solange kein Fuchs daherkommt und kommt einer, hohe Sprünge zu machen und Haken zu schlagen. Nur ein Recht hat er nicht: «men kalla sig annt än hare, har haren ingen rätt till» – sich etwas anderes als einen Hasen zu nennen, dazu hat er kein Recht.
Bei mir war es ein Drache. Ein Ficus, der nichts anderes sein durfte als ein Drache. Jeder Versuch, einen «Bonsai» zu machen, schlug unfehlbar fehl. Er hatte selbst und gab mir das Recht nicht, etwas anderes zu sein als einen Drachen. Ich fand das fragwürdig und versuchte eine ganze Menge, aber er blieb ein Körper mit zwei flügelartigen Ästen, egal, wie ich es drehte. Kaskade? Nö, Drache, der umgekippt ist. Frei aufrecht? Denkste, Drache, der ein paar Bier zuviel hatte.
Bis mir durch den Kopf ging, dass ein «Bonsai» doch von alters her das Recht hat, ein Drache zu sein. Derer gab es viele damals, als diese Kunst erfunden wurde in China von – na ja, etwas überkandidelten Würdenträgern. Die machten nicht nur Bäume, die aussahen wie Bäume, sondern wie Schriftzeichen, Symbole oder eben Drachen. Anders als bei uns war das für sie nicht das Haustier des Teufels, sondern der ehrwürdige Long, der schon sehr früh, in der Tang-Dynastie als Symbol der Herrscher auftaucht und in der Han-Zeit seine heutige Form, seine Bestimmung und seinen Namen kriegte. Man findet ihn überall, oben auf alten Siegelsteinen, an farbenfrohen Umzügen und natürlich in jedem chinesischen Restaurant. Ja dann..?
Ich liess dem Ficus also seinen Willen, unterstützte ihn sogar dabei und verhalf ihm eines Tages auch zu einem Kopf aus einem rostigen Metallstück. Wenn Drache, dann richtig. Er lässt sich nicht richtig fotografieren, es ist ein 3D-Objekt, um das man herumgehen muss. In jeder Position stört irgend etwas, ist im Weg, verdeckt – es ist kein Schaubaum mit Vorderseite, sondern eben ein Drache. Die Schale? Wenn ein Ficus ein Drache sein will, darf er auch eine Drachenschale aus altem Blech haben. Drakes rätt.
It is not enough to be busy. So are the ants. The question is: What are we busy about?
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Re: Moutarde de Ludwig (V)
Hi,
Wär der Drache ein Hase, könnte er auch ganz gut auf der Spitze eines Vulkans liegen. Also eher so wie meiner viewtopic.php?f=12&t=42603&p=467525#p467525 , der sich an den Felsen klammert und bald zum Flug abspringen wird.
Deiner könnte vielleicht auch in einer Höhle (=Mondschale) liegen ...
Dann lieber ein Video auf einer drehenden Scheibe ?Andreas Ludwig hat geschrieben: Er lässt sich nicht richtig fotografieren, es ist ein 3D-Objekt, um das man herumgehen muss.
Ein Drache mit Rüstung ist keine Assoziation, die mir jetzt adhoc in den Sinn kommen würde, wenn der Drache einfach nur Drache sein soll. So denke ich eher an einen Drachen aus Sagen oder Fantasy-Büchern (Eragon), der gut gerüstet gemeinsam mit den Menschen in die Schlacht zieht.Andreas Ludwig hat geschrieben: Die Schale? Wenn ein Ficus ein Drache sein will, darf er auch eine Drachenschale aus altem Blech haben.
Wär der Drache ein Hase, könnte er auch ganz gut auf der Spitze eines Vulkans liegen. Also eher so wie meiner viewtopic.php?f=12&t=42603&p=467525#p467525 , der sich an den Felsen klammert und bald zum Flug abspringen wird.
Deiner könnte vielleicht auch in einer Höhle (=Mondschale) liegen ...
Grüße, Frank
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Re: Moutarde de Ludwig (V)
Ein Video? Das führt zur grundsätzlichen rage, welche Motivation Gestaltungen haben können. Sicher macht man einige für Ruhm und Geld, aber hoffentlich auch einige zum Spass. Das ist so eine. Das, das will nichts – das, das wächst...
Die Blechschale soll allen etwas helfen. Er ist ja kein Bonsai und das ist ein Verbrechen, wie man hier oft nachlesen kann. Die Blechschale ist ein Friedensangebot an Traditionalisten: Schaut her, das ist so absonderlich, da müsst ihr euch gar nicht ärgern! Dem Drachen erspart es die Diskussion, ob der zweite Ast den richtigen Winkel hat. Abgesehen davon finde ich sie hübsch.
Die Blechschale soll allen etwas helfen. Er ist ja kein Bonsai und das ist ein Verbrechen, wie man hier oft nachlesen kann. Die Blechschale ist ein Friedensangebot an Traditionalisten: Schaut her, das ist so absonderlich, da müsst ihr euch gar nicht ärgern! Dem Drachen erspart es die Diskussion, ob der zweite Ast den richtigen Winkel hat. Abgesehen davon finde ich sie hübsch.
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Re: Moutarde de Ludwig (V)
Ich meinte jetzt nur ein Video, in dem sich der Baum langsam dreht, damit man ihn eben mal von allen Seiten sehen kann. Kein ästhetisches, mit Musik untermaltes und brilliant geschnitteten Aktion-Video ...
Klar sagt die Schale deutlich: "in bin kein Bonsai". Und das finde ich immer schonmal gut. Für mich sagt sie aber auch: ich bin ein Ritter (und eben kein Drache/Hase), passt also nicht wirklich zur Hintergrundgeschichte oder vermittelt diese nicht. Oder sie sagt: ich bin Schrott ...
Eine der ästhetischsten Drachen ist für mich dieser hier: http://www.bonsai4me.com/AdvTech/AT%20J ... page6.html
Klar sagt die Schale deutlich: "in bin kein Bonsai". Und das finde ich immer schonmal gut. Für mich sagt sie aber auch: ich bin ein Ritter (und eben kein Drache/Hase), passt also nicht wirklich zur Hintergrundgeschichte oder vermittelt diese nicht. Oder sie sagt: ich bin Schrott ...
Eine der ästhetischsten Drachen ist für mich dieser hier: http://www.bonsai4me.com/AdvTech/AT%20J ... page6.html
Grüße, Frank
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Re: Moutarde de Ludwig (V)
Zum Video: Ich meinte eher, dass es keine Notwendigkeit gibt, den Drachen internetgerecht aufzubereiten. Die Realität findet nur in derselben statt, auch wenn viele Leute heute meinen, nur die Dinge seien real, die man auf google oder Facebook finden kann.
Zur Schale: Eben – für dich. Ich will keine Hintergrundgeschichte eins zu eins vermitteln, es gibt auch keine eindeutige. Das ist der Unterschied zwischen offener Gestaltung und zum Beispiel Flughafenbeschriftung. Letztere macht man mit Vorteil so, dass jeder versteht, welches Klo wo ist. Erstere hat keinen Auftrag, umgekehrt der Betrachter auch nicht. Niemand muss das sehen, was ich sehe, niemand muss irgend etwas sehen. Offenes Angebot. Umgekehrt bin ich nicht verletzt, wenn jemand damit gar nichts anfangen kann, das gehört auch zu den Spielregeln. Sich mitzuteilen kann sehr, sehr zwanghaft werden. Dann ist der Spass aber vorbei.
Zur Schale: Eben – für dich. Ich will keine Hintergrundgeschichte eins zu eins vermitteln, es gibt auch keine eindeutige. Das ist der Unterschied zwischen offener Gestaltung und zum Beispiel Flughafenbeschriftung. Letztere macht man mit Vorteil so, dass jeder versteht, welches Klo wo ist. Erstere hat keinen Auftrag, umgekehrt der Betrachter auch nicht. Niemand muss das sehen, was ich sehe, niemand muss irgend etwas sehen. Offenes Angebot. Umgekehrt bin ich nicht verletzt, wenn jemand damit gar nichts anfangen kann, das gehört auch zu den Spielregeln. Sich mitzuteilen kann sehr, sehr zwanghaft werden. Dann ist der Spass aber vorbei.
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Re: Moutarde de Ludwig (V)
Ich finde die Schale ganz toll. So was suche ich schon lange.
Rost hat einen warmen, aber nie eintönigen Farbton und steht für Vergänglichkeit wie sonst nur verwitterndes Holz.
Beim Drachen stolpere ich innerlich beim Betrachten immer über den Kopf. Da er aus totem Material ist, wirkt er prothetisch auf mich.
Rost hat einen warmen, aber nie eintönigen Farbton und steht für Vergänglichkeit wie sonst nur verwitterndes Holz.
Beim Drachen stolpere ich innerlich beim Betrachten immer über den Kopf. Da er aus totem Material ist, wirkt er prothetisch auf mich.
Taten geht das Wort voraus,
Worten die Gedanken.
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Re: Moutarde de Ludwig (V)
Das sehe ich durchaus ein bisschen wie du, Heike. In der Mappe vom BFF-Fest steht dazu:
«Die weit wichtigere Frage ist, ob man den Pfad der klassischen Gestaltungstechnik mit Astformung und Totholzarbeit nicht getrost verlassen darf, wenn man schon davon abkommt, den Baum als Baum zu verstehen. Ich meine, das sei der Fall: Es ist komplett unnatürlich, einen Drachen zu gestalten aus einer Pflanze. Darum halte ich es für legitim, den letzten Schliff nötigenfalls mit angesetzten Kunstmaterialien vorzunehmen – sofern sie unterstützend und erklärend wirken und sich zum Ganzen fügen.
Es ist zugegeben eine heikle Sache und schnell ist es Kitsch. Schon diesen künstlichen Kopf betrachte ich selbst mit Argwohn. Es dauerte lange, ein Objekt zu finden, dass ausreichend wie ein Kopf aussah, aber doch nicht zu sehr. Will man solche Dinge verar-beiten, sollte man niemals das Erstbeste nehmen, was rumliegt. Nicht zu unterschätzen sind technische Aspekte. Man ist schnell versucht, aus der Erfahrung mit Bonsai heraus zu denken, etwa das Eisenteil durch einen Kallus zu verankern. Das ist Illusion und führt zu Verdruss. Hier sitzt der Kopf verschraubt auf einem Holzpflock, der in eine Bohrung gesteckt wurde und nötigenfalls ersetzt werden kann. Auch das ist legitim – bei einem so deutlich angesetzten künstlichen Element muss ich nicht so tun, als wäre es originaler Bestandteil des Baums.»
«Die weit wichtigere Frage ist, ob man den Pfad der klassischen Gestaltungstechnik mit Astformung und Totholzarbeit nicht getrost verlassen darf, wenn man schon davon abkommt, den Baum als Baum zu verstehen. Ich meine, das sei der Fall: Es ist komplett unnatürlich, einen Drachen zu gestalten aus einer Pflanze. Darum halte ich es für legitim, den letzten Schliff nötigenfalls mit angesetzten Kunstmaterialien vorzunehmen – sofern sie unterstützend und erklärend wirken und sich zum Ganzen fügen.
Es ist zugegeben eine heikle Sache und schnell ist es Kitsch. Schon diesen künstlichen Kopf betrachte ich selbst mit Argwohn. Es dauerte lange, ein Objekt zu finden, dass ausreichend wie ein Kopf aussah, aber doch nicht zu sehr. Will man solche Dinge verar-beiten, sollte man niemals das Erstbeste nehmen, was rumliegt. Nicht zu unterschätzen sind technische Aspekte. Man ist schnell versucht, aus der Erfahrung mit Bonsai heraus zu denken, etwa das Eisenteil durch einen Kallus zu verankern. Das ist Illusion und führt zu Verdruss. Hier sitzt der Kopf verschraubt auf einem Holzpflock, der in eine Bohrung gesteckt wurde und nötigenfalls ersetzt werden kann. Auch das ist legitim – bei einem so deutlich angesetzten künstlichen Element muss ich nicht so tun, als wäre es originaler Bestandteil des Baums.»
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Re: Moutarde de Ludwig (V)
Kannst du so nett sein und von dem Kopf noch ein, zwei Detailfotos einstellen. War für mich bis jetzt kaum zu erkennen ...
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Re: Moutarde de Ludwig (V)
Hier:
Lassen wir kurz Fröding noch einmal sprechen:
Dödsvapnet höll han
lyft i sin högra hand,
domnande föll han,
stoftet rann ut som sand,
sköna och ökanda land
såg han vid dödsflodens strand.
Icke med mulna
miner den slagne går,
kinderna gulna
ej av det ädla sår
självuppoffrarn sig slår,
offrande mod gör ei vita hår.
”Barmen med blodiga
sår varde åter hel,
geirsoddens modiga
gärning gör bot för fel;
njute ock du din del
såsom en sträng i all salighets harpospel.
Eine (mögliche) Übersetzung, allerdings des Klangs beraubt, der Poesie erst dazu macht:
Der Selbstgeschlagene
Die tödliche Macht hob er
in seiner rechten Hand,
Gefühllos fiel er,
Staub lief wie Sand,
Schönes und unbekanntes Land
Er sah des Todesflusses Strand.
Nicht verhangen
Die Mienen, das Gestern, geschunden,
Fahle Wangen
Nicht von den edlen Wunden
Schlägt sich selbst, sich selbst opfert er,
Der Mut zum Selbstopfer ihm kein weißes Haar beschert.
„Die Brust mit blutiger
Wunde wird wieder heil,
Die Speerspitze mit mutiger
Tat für Fehler ist die Strafe;
Genieße auch du deinen Teil
Wie eine Saite auf aller Glückseligkeits Harfe.“
(Andrea Schweinberger/Emelie Apsholm, 2012)
Spürt man «das Ungefähre»? Das (einmal mehr) Skizzierte?
Mehr wollte ich nicht mit diesem Drachen.
Bloss eine Ahnung.
Kein Bonsai.
Es ist, nach Auskunft der hiesigen Archäologie, ein neuzeitliches Element entweder eines Zaumzeuges oder eines landwirtschaftlichen Geräts. Ein massiver, geschmiedeter Splint, so etwas. Ein Sondengänger spürte es auf, als er nach Metallfragmenten rund um eine abgegangene Burg suchte. Das erwähne ich ganz bewusst, um darzustellen, wo überall ich mich bediene. Wenn wir doch die Welt abbilden, warum dann so eingegrenzt? Da ist sehr viel Welt. Lassen wir kurz Fröding noch einmal sprechen:
Dödsvapnet höll han
lyft i sin högra hand,
domnande föll han,
stoftet rann ut som sand,
sköna och ökanda land
såg han vid dödsflodens strand.
Icke med mulna
miner den slagne går,
kinderna gulna
ej av det ädla sår
självuppoffrarn sig slår,
offrande mod gör ei vita hår.
”Barmen med blodiga
sår varde åter hel,
geirsoddens modiga
gärning gör bot för fel;
njute ock du din del
såsom en sträng i all salighets harpospel.
Eine (mögliche) Übersetzung, allerdings des Klangs beraubt, der Poesie erst dazu macht:
Der Selbstgeschlagene
Die tödliche Macht hob er
in seiner rechten Hand,
Gefühllos fiel er,
Staub lief wie Sand,
Schönes und unbekanntes Land
Er sah des Todesflusses Strand.
Nicht verhangen
Die Mienen, das Gestern, geschunden,
Fahle Wangen
Nicht von den edlen Wunden
Schlägt sich selbst, sich selbst opfert er,
Der Mut zum Selbstopfer ihm kein weißes Haar beschert.
„Die Brust mit blutiger
Wunde wird wieder heil,
Die Speerspitze mit mutiger
Tat für Fehler ist die Strafe;
Genieße auch du deinen Teil
Wie eine Saite auf aller Glückseligkeits Harfe.“
(Andrea Schweinberger/Emelie Apsholm, 2012)
Spürt man «das Ungefähre»? Das (einmal mehr) Skizzierte?
Mehr wollte ich nicht mit diesem Drachen.
Bloss eine Ahnung.
Kein Bonsai.
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- Registriert: 20.05.2007, 10:43
Re: Moutarde de Ludwig (V)
Ohne das Ganze jetzt tiefgründig analysieren zu wollen finde ich den Drachen ausgesprochen gelungen. Da passt vieles einfach zusammen, es wirkt nichts aufgezwungen, sondern einfach und selbstverständlich. Was mir besonders gefällt ist die Dynamik, gerade auch mit dem Kopf.
Cooles Teil!
Cooles Teil!
- Andreas Ludwig
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- Registriert: 29.03.2005, 16:50
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Re: Moutarde de Ludwig (V)
Danke fürs Lob und zum besseren Verständnis: Es ist keineswegs so, dass ich Tiefgründigkeit erwarte, voraussetze oder auch nur nötig finde. Ich glaube (!), jeder kann gute Bonsai (oder wie in diesem Fall sonst irgend etwas...) machen. Ich bin mehrfach an Ausstellungen ganz tollen Gestaltern begegnet, die gar nichts Intellektuelles an sich haben – was ich irgendwie sehr mochte, denn ich selbst gehe mir mehr als einmal auf den Keks mit meinem Labyrinth im Kopf.MerschelMarco hat geschrieben:Ohne das Ganze jetzt tiefgründig analysieren zu wollen finde ich den Drachen ausgesprochen gelungen. Da passt vieles einfach zusammen, es wirkt nichts aufgezwungen, sondern einfach und selbstverständlich. Was mir besonders gefällt ist die Dynamik, gerade auch mit dem Kopf.
Cooles Teil!
Das ist Teil der Message: Es gibt den richtigen Weg nicht. Bin ich auf meinem, muss ich sogar das mit einschliessen: Ich kann nicht Recht haben, bloss machen. Sonst werde ich oberlehrerhaft und verliere jede Leichtigkeit. Ob ich letztere aber aus der Entdeckung eines Dichters aus Värmland beziehe (von Daniel Charms reden wir ein andermal... ) oder naturgegeben unreflektiert einfach so habe, ist nicht wirklich wichtig.
Am Ende steht ja da ein Ding und ein Publikum kuckt es an. Dann funkt es oder eben nicht. Wenn nicht, habe ich als Urheber kein Recht, das Publikum für blöd zu halten oder unreif. Das ist eine zwar weit verbreitete Art, aber eine Unsitte und Unhöflichkeit sondergleichen. Sich unverstanden zu fühlen impliziert Nachlässigkeit im Vorgehen und Kleinlichkeit im Denken.
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