Über das Schneiden

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zopf
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Über das Schneiden

Beitrag von zopf »

Hallo
Ganz grob gesagt gibt es 2 verschiedene Wege
um aus Bäumen Bonsai zu machen.
Der reduzierende Weg, meist bei Yamadori oder
grosser Baumschulware, schneidet, drahtet, schält
aus dem Baum das Grundgerüst für den späteren Bonsai heraus.
Der aufbauende Weg, den wir hier beschreiten,
baut den Baum langsam, nach dem Prinzip
-wachsen lassen und schneiden- auf.
In der Theorie ganz einfach, schneiden wir das Wachstum weg,
das nicht zum späteren Baum passt. Ich scheue mich
dafür das Wort "Gestaltung" zu gebrauchen,
da meist "nur" das Wachstum in eine entsprechende Form gebracht wird.

Vorab möchte ich dringend raten, nur an Bäumen
zu arbeiten die gesund und kräftig sind.
Bei manchen Ulmen gibt es Schwierigkeiten
mit dem recht feuchten Substrat und Rindenablösungen.
Daher ist es ratsam, erst die für jeden einzelnen
"richtige" Kombination aus Substrat und Giessgewohnheit zu finden.
Wenn der Baum danach wächst und gedeiht, kann man
im darauffolgenden Frühjahr mit dem Schneiden beginnen.

Wann kann man schneiden ?
Von Mitte März bis Ende Juni sind unsere Schulbäume
problemlos zu schneiden.

Wann sollte man schneiden ?
Ein sehr günstiger Zeitpunkt ist das Erwachen der Knospen.
Zu diesem Zeitpunkt sieht man welche Äste/Zweige
den Winter überlebt haben und man kann anhand der
Knospengröße die Wuchskraft besser einschätzen.

Warum sollte man im Juli/August nicht mehr schneiden ?
Da bei Laubbäumen ein Schnitt meist einen Neuaustrieb zur Folge hat,
härten die neuen Triebe nicht mehr aus und die sich
entwickelnden Trieb trocknen im Winter zurück.
Bei Bäumen wie dem Feldahorn bilden sich meist
Trieb/Knospenanhäufungen die zu einer unschönen Verdickung führen.
Da diese im Frühjahr geschnitten werden sollten,
wird der Baum nur seiner Kraft beraubt und wir haben nichts gewonnen.

Was soll ich schneiden ?
Alle Äste/Zweige die nach innen, also in den Baum, die Krone
wachsen sollten entfernt werden.
Alle Äste/Zweige die nach unten wachsen sollten entfernt werden.
Alle Zweige die zu grosse Abstände zwischen den einzelnen Knospen
haben (Internodien) sollten entfernt werden.
Alle Äste/Zweige an denen Verdickungen durch Knospenanhäufungen
entstanden sind sollten entfernt werden.
Dies sind nur grobe Richtlinien, die meist schon einen
aufgeräumteren Baum (nach dem Schnitt) hinterlassen.

Wieviel schneide ich wo ?
Unsere Bäumchen treiben an der Spitze des Baumes
am stärksten aus, daher sollte hier auch am kräftigsten geschnitten werden.
Der zweitstärkste Bereich sind die Aussenenden der Äste,
wobei die Kraft von oben nach unten nachlässt.
Der innere Bereich ist meist sehr schwach und kann durch
kürzen des Aussenbereiches gestärkt werden.

Hilfreich beim Schneiden ist es den Baum auf Augenhöhe
zu platzieren. Schneidet das Bäumchen Stück für Stück.
nach jedem Schnitt solltet Ihr das Bäumchen drehen
um jeden einzelnen Schritt und den folgenden
beurteilen zu können.

Soweit allgemein zum Schneiden, leider sind Fotos
nicht aussagekräftig, da ein vorher-nachher Bild nur
einen Gesamteindruck vermittelt.

Da wir 3 unterschiedliche Bäume haben,
ist das Wuchsverhalten und damit auch der Schnitt
leicht unterschiedlich.

Was könnte Eurer Meinung nach wichtig in diesem
Zusammenhang sein ?

mfG Dieter
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schmieda
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Re: Über das Schneiden

Beitrag von schmieda »

Super geschrieben Dieter. *daumen_new*

zopf hat geschrieben:Was könnte Eurer Meinung nach wichtig in diesem
Zusammenhang sein ?
Nur noch das ein zu zaghafter Rückschnitt sich genauso negativ auf die Entwicklungszeit auswirken kann wie ein zu heftiger Rückschnitt.
Gruß
Frank :)

++++ Gießen: Hessischer Botaniker findet heraus, wie Pflanzen länger leben ++++
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zopf
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Beitrag von zopf »

Hallo
Wenn Ihr Eure Augen schliesst
und Euch ein Bächlein mit einem Sandhügel vorstellt.
Lasst das Wasser fliessen und betrachtet
wie das Wasser den Sand umspült und langsam abträgt.
Ein Regenschauer lässt den Bach anschwellen,
es fliesst mehr Wasser und der Sandhügel wird schneller abgetragen.
Und irgendwann ist der Sandhügel weg.

Eine Möglichkeit sich den Saftfluss vorzustellen.
Je mehr Wasser, je stetiger der Fluss
umso schneller wird der Sandhügel abgetragen
(die Wunde verschlossen).

Betrachtet Eure Bäume,
wie haben sich die Wunden geschlossen ?
An welcher Stelle des Baums habt Ihr geschnitten ?
Wie viele Äste lagen darunter/darüber ?
Ist die Schnittstelle seitlich/oben/unten ?
Sicherlich wäre es schön, wenn Ihr die Antworten
einfach hier nachlesen könntet.
Aber es sind Eure Bäume die Ihr hegt und pflegt,
Sie leben unter den Bedingungen die Ihr Ihnen anbietet.
Diese Antworten könnt Ihr nur finden,
wenn Ihr Eure Bäume betrachtet,
Ihre Reaktionen auf Eure Pflege beobachtet.

Bücher über Kindererziehung sind vom theoretischen her betrachtet,
meist sinnvoll und für Uns gut nach zu vollziehen.
Aber Kinder sind nun mal Kinder
und verhalten sich nicht so wie es in den Büchern beschrieben wird.
Bei unseren Bäumen ist es nicht anders.
Wir können nur von Unseren Bäumen lernen
und versuchen, mit dem Hintergrund der Theorie,
einiges umzusetzen.

Nu so als Beispiel
Normalerweise überarbeite ich die Laubbäume Mitte bis
Ende März. Schnittstellen versorge ich mit Wundknete.
Bei einem rotlaubigen Fächerahorn bin ich letztes Jahr
genauso verfahren. Senkrechte Trieb die ich geschnitten habe
wurden verschlossen und der Baum beiseite gestellt.
Im Laufe des Jahres habe ich die Knete entfernt
da der umgebende Bereich sich dunkel gefärbt hatte.
Ein Pilz ist nicht zu erkennen, wohl aber eine Schädigung.
Diese Jahr habe ich einen anderen Wundverschluss gewählt
und schneide nach oben weisende Trieb erst im Juni.
Also könnte ich raten, bei Trieben die im Inneren des Baumes
und senkrecht nach oben wachsen anders als herkömmlich
zu verfahren.
Alle Ausnahmen (ob bekannt oder unbekannt) von den
allgemeinen Regeln zu beschreiben, ist nicht möglich.
Nur die Beobachtung der Bäume kann uns helfen
Ihren Wuchs und Ihre Eigenarten zu verstehen.

mfG Dieter
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zopf
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Beitrag von zopf »

Ein weiterer Punkt der zu beachten ist,
ist die Knospenstellung und die Wachstumsstruktur.
Bei der Lärche haben wir Kurz- und Langtriebe.
Wie Sie im Knospenstadium zu unterscheiden sind,
weiss ich nicht.
Die Ulme als Unser wuchsfreudigstes Bäumchen,
macht in dieser Hinsicht auch keine Probleme.
Bei guter Pflege treibt Sie so viele Knospen,
das wir immer die auswählen können die in Unser Bild passt.
Der Ahorn ist in dieser Hinsicht recht stur.
Immer dem selben Schmema folgend schiebt er seine Knospen.
Wir können es vereinfachen, indem wir nur die waagerechten
Knospen belassen und die vertikalen Knospen
sofort nach Ihrem Erscheinen abrubbeln.

Bleibt also der Leittrieb und 2 Knospen.
Wir haben mehrere Möglcihkeiten damit umzugehen.

1. Wir belassen den Leittrieb und entfernen wechselseitig
jeweile eine linke und darauffolgend eine rechte Knospe.
Der Trieb wird recht gerade sein und passt somit
eher zu einem recht geraden Baum.

2. Wir entfernen den Leittrieb und drahten einen der
entstehenden Triebe als neuen Leittrieb. Der Verlauf des
Astes wird bewegter und lebendiger. Wenn sich die
beiden entstandenen Triebe entwickelt haben (6 Blätter)
lassen wir den gedrahteten Trieb unbeschnitten und kürzen
den Seitentrieb auf 2 Blätter ein. Dadurch wird die Wuchskraft
des Nebentriebs geschwächt und der Leittrieb wird etwas dicker.
In dieser Form aufgebaute Äste sind meist bei jeder späteren
Form zu gebrauchen und sind im Zweiffelsfall die beste Wahl.

3. Wenn wir einen sehr gleichmässige Besenform aufbauen
wollen, können wir den Leittrieb entfernen und die beiden
sich entwickelnden Triebe gleichberechtigt wachsen lassen.
Durch diese Art werden fächerförmige Äste aufgebaut.
Die entstehende Ausdehnung (Weite) des Astes,
kann man durch die Verkleinerung des Winkels (Drahtung)
beeinflussen.

mfG Dieter
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zopf
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Beitrag von zopf »

Hallo
"Ich seh den Baum vor lauter Blättern nicht"
So ist es mir gestern ergangen als ich den Feldahorn
vor mir hatte. Das Bäumchen sah gesund aus
und hatte teilweise recht grosse Blätter.
Die sind dann einfach abgeschnitten worden.
Normalerweise sollten die Feldahorn jetzt 4-6 Blätter
(noch weich und teilweise morgens hängend)
ausgebildet haben. Nehmt die Blätter in die Hand
und schneidet Sie so ab, das die Stengel noch verbleiben.
Das dürfte den Überblick erleichtern.

Bitte nur an gesunden Bäumen durchfüheren,
die dieses Jahr nicht getopft wurden.

Geiles Wetter, ab in den Garten/Balkon.
Dieter
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Beitrag von Lot-Ionan »

Das liest sich so, als wenn wir jetzt alle Blätter vom Feldahorn abschneiden sollen. Stimmt das so?

Ich fang dann erst an, wenn du geantwortet hast. ;-)
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zopf
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Beitrag von zopf »

Hallo Michael
Am Wochenende mache ich Fotos
damit Ihr anhand Eurer Bäumchen beurteilen könnt,
ob Sie sich im selben Stadium wie meiner befindet.
Meine ganzen Feldahorn-Jungpflanzen haben schon
den ersten Blattschnitt hinter sich und zeigen sich wieder
in vollem Grün.
Wenn Dein Bäumchen gesund und kräftig ist,
einfach alle grösseren Blätter entfernen
und den Stiel stehen lassen.
Im Fachwissen steht ein guter Artikel von MartinS.
Solltet Ihr lesen
mfG Dieter
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Beitrag von Lot-Ionan »

ok, Dieter, nur die großen Blätter.

Jetzt gehts los. Danke

Michael
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Beitrag von zopf »

Als erstes Beispiel der Feldahorn.
Im Frühjahr geschnitten und vor ein paar Wochen der erste Blattschnitt,
haben sich wieder Triebe mit grossen Internodien gebildet.
Über die zukünftige Form habe ich mir noch keine Gedanken gemacht,
also wird der Baum nur kurz und klein gehalten.
Das momentane Ziel ist nur ein gleichmässiger Austrieb
um mir im Späteren viele Möglichkeiten offen zu halten.
Zu starke Äste sind entfernt worden und ein Teilblattschnitt ist erfolgt.
Wo der Austrieb schwächelt (vor allem im unteren Bereich) habe ich
grössere Blätter belassen.
mfG Dieter
Dateianhänge
Zopf-Feldahorn-nachher.jpg
Zopf-Feldahorn-nachher.jpg (34.27 KiB) 4869 mal betrachtet
Zopf-Feldahorn-vorher.jpg
Zopf-Feldahorn-vorher.jpg (36.2 KiB) 4870 mal betrachtet
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Beitrag von zopf »

Und nun zur Ulme
Alle 1-2 Monate kann die Ulme zurückgeschnitten werden.
Da das Gestaltungsziel recht klar ist, kann man recht gut
unterscheiden was benötigt wird und was nicht.
(Gummibänder zum Befestigen sind recht nutzlos,
wenn im Garten Marder sind)
Dateianhänge
Zopf-Ulme-nachher.jpg
Zopf-Ulme-nachher.jpg (37.34 KiB) 4866 mal betrachtet
Zopf-Ulme-vorher.jpg
Zopf-Ulme-vorher.jpg (42.35 KiB) 4865 mal betrachtet
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Beitrag von Lot-Ionan »

Wie überschaubar deine Ulme aussieht. Echt gut.

Meine sieht aus wie ein Wischmopp oder wie Struwwelpeter. Vor lauter Blättern habe ich da kein Durchblick mehr. Werde am Wochenende zur Schere greifen.
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