Projekt Minibonsai

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Andreas Ludwig
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Projekt Minibonsai

Beitrag von Andreas Ludwig »

Ganz hinten in den Bonsaibüchern, am Rande der Ausstellungen und gelegentlich erwähnt in Foren findet man das Thema Minibonsai.

Sie scheinen nicht viel herzugeben, die ganz Kleinen. Mühsam zu entwickeln, mühsam zu halten (wer giesst schon zweimal täglich im Sommer?) irgendwie kläglich neben kindgrossen Koniferen mit wuchtigen Stämmen gehören die Minibonsai in die Abteilung für Sonderbares.

Ich sehe das alles anders.

Ein Minibonsai ist für mich nicht ein Randereigniss, sondern ein integraler und sogar zentraler Teil einer eigenen Sammlung, ungeachtet der Grösse oder des Werts dieser Sammlung. Denn ein Minibonsai, so man ihn vom Sämling her entwickelt hat, hat einige sehr wertvolle Vorzüge: Er «gehört» einem, mehr als jeder noch so wunderbare angekaufte Baum. Man lernt an ihm feines und präzises Arbeiten, manuell wie intellektuell. Auch kleine Fehler erscheinen an einem Mini ganz gross, nichts kann kaschiert werden. Nicht zuletzt hat der Minibonsai den Reiz des Surrealen, was den Betrachter ebenso fesseln kann wie weit ausladende, dramatische Grossformen.

Solche Minis möchte ich mit diesem Kurs hervorbringen. Geduldig herangezogene Bäumchen, die nicht mit drastischen Eingriffen, viel Draht und Kraft, sondern scheinbar nebenbei, aber ganz konzentriert schrittweise gestaltet wurden. Streng aufrecht, frei aufrecht, Literat, Floss- oder freie Besenform - alles soll dabei möglich sein.

Als Material schlage ich eine Art vor, die eigentlich jeder kennt, den Granatapfel (punica granatum). Diese Art ist eine zuverlässig keimende, leicht zu haltende Kalthauspflanze, gut wüchsig und in bezug auf Borke und Feinverzweigung schon nach relativ kurzer Zeit ergiebig.

Abgesehen davon ist es eine gute Art, wenn man hin und wieder über das oft angesprochene Problem des Kulturkreises nachdenken möchte: So, wie Acer palmatum und Ulmus parvifolia für China und Japan typisch sein mögen, können wir den Granatapfelbaum als urtümlich für unseren Kulturkreis anschauen. Schon der Name erzählt viel: Die «gekörnte Punische». Da ist von den eigenartigen Körnchen-Kernen die Rede und von Karthago, dreimal mit Rom in einen «Punischen Krieg» verwickelt. Von da an ist der Granatapfel in der europäischen Kunstgeschichte präsent, meist als Symbol der Fruchtbarkeit. Nicht ganz so poetisch kingt der Name bis heute mit, wenn Handgranaten geworfen werden, deren frühe Vorgänger, mit Schiesspulver und Metallkugeln gefüllt, ebenfalls an einen Granatapfel erinnerten.

Warum ich all das erwähne? Weil wir viel Zeit haben werden. Die Kerne müssen keimen, die Keime müssen treiben. Ein Jahr lang werden wir nur zuschauen und dann eventuell einen Schnitt machen. Dann werden wir wieder zuschauen und eventuell zwei, drei Schnitte machen. Da muss ich schauen, dass wir anderweitig auf die Kosten kommen. Die breite und auch tiefe Auseinandersetzung mit dem Thema soll dazu exeplarischen Charakter haben: Wie an den Granatapfelbaum könnte man sich an jede Baumart annähern, ganz nach dem Prinzip von Agatha Christie's Miss Marple, die der Überzeugung war, alles was auf der Welt geschehe, geschehe im Kleinen auch in St. Mary Meads.

Also auf in die kleine, grosse Welt der Granatäpfel. Wir beginnen nächste Woche mit der Frucht und der Vorbereitung der Samen. Die Früchte sind jetzt zu haben und recht gut haltbar, wer sich am Kurs beteiligen möchte, soll also losgehen und einen schönen Granatapfel kaufen.

Im Unterschied zu flu werde ich den Kurs thematisch gliedern, nicht nach Schülern. Wer jetzt bereits Fragen hat, möge sie ruhig stellen, die weitere Gliederung wird sich ergeben.

Gruss
Andreas

N.B. Administrative Ergänzung: Wer mitmachen möchte, soll sich bei mir zur Freischaltung melden. Danke.
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