Das Thema Klima

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Andreas Ludwig
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Das Thema Klima

Beitrag von Andreas Ludwig »

Keine Angst, das wird nicht politisch hier. Die grossen Züge dieser Frage überlassen wir den Fachleuten. Für uns geht es um die scheinbar einfache Frage, in welchem Klima wir eigentlich leben.

Darauf gebracht hat mich ein Schreiber, der erwähnt hat, in Thüringen habe es jetzt bereits Minusgrade in der Nacht. Eine furchtbare Vorstellung für mich, denn ich lebe am Nordhang des «Baselbieter Juras». Damit Ihr alle so richtig neidisch werdet: Das ist klimatisch gesehen eine Region, die etwa so gesegnet ist wie das Schweizer Tessin am Südhang der Alpen. Während die Zürcher darum Ferienhäuser im Tessin kaufen, bleiben wir Baselbieter zuhause und trinken unseren feinen Rotwein.

Ja, es ist schön genug hier, dass es lange ein grosses Weingebiet war und immer noch ein kleines, aber feines ist. Als Mitte des 19. Jahrhunderts die Reblaus die Weinstöcke vernichtete, wie auch in Frankreich, hat man nicht wie dort neu angepflanzt, sondern umgestellt, und zwar auf Kirschen. Das Baselbiet ist bekannt als «Chirsiland» (Kirschenland), der Kirschenbaum ziert sogar die amtlichen «Willkommen im Baselbiet»-Schilder an den Strassen. Die berühmteste dieser Kirschen war lange die «Schauenburger Kirsche», benannt nach der Ruine Schauenburg, knappe 3 Kilometer von mir entfernt, wo ein sehr gutes Restaurant steht und wo (wieder Mitte des 19. Jahrhunderts) ein Mann mit einem starken Reisedrang aufwuchs. Also ging er in den Libanon und brachte von dort Reiser einer Kirschensorte mit, die danach eben als «Schauenburger Kirsche» berühmt wurde. Libanon - Baselbiet! Wir haben so viele Kirschbäume, dass manches ins Fass muss, noch heute ist meine Heimat als Lieferant von feinem Kirsch bekannt.

Ha! Seid Ihr neidisch, Ihr Thüringer? Nun, darum geht es nicht. Ich will bloss vermeiden, dass mangels Zuwendung der eine oder andere unserer Grantapfelkeimlinge einen unverhofften Abgang macht. Das ist denkbar, denn Punica ist alles mögliche, aber nicht ausgesprochen frostfest. Ein schwieriger Begriff - «frostfest». Erst einmal muss man den Unterschied zwischen Schale und Freiland kennen. Auch in einer Region wie in unserem beispielhaften Genua (remember?) kann es passieren, dass der Granatapfelstrauch im Garten munter lebt, während der Bonsai auf dem Balkon verreckt. Wie das? Ganz einfach: Die Erde ist ein Wärmespeicher. Auch bei Frost dauert es sehr lange, bis der Boden mehr als eine Handbreit in der Tiefe durchfriert. Darum lebt der Strauch im Garten, er steht in Erde, die über dem Gefrierpunkt bleibt. Nicht aber die Schale, die bis zuunterst durchfriert.

Hui. Was tut man da? Man bildet sich. Man informiert sich darüber, wo man lebt, in welchem Mikroklima man eben ist. Das kann von Kilometer zu Kilometer wechseln: Während ich hier bei mir wahrlich glücklich bin und mit viel Sonne gesegnet, könnte mich niemand dazu bringen, 20 Kilometer weiter südlich, etwa im schweizerischen Aarau zu leben. Denn die haben den ganzen Winter durch Nebel über der Kappe, weil sie zwischen Jurakamm und Alpenhang leben, im sogenannten «Mittelland», während ich eben (praise the Lord) die Sonnenseite erwischt habe.

Gut, OK, ich bin glücklich, aber was bringt Euch das? Ganz einfach: Bitte informiert Euch beizeiten, wo Ihr eigentlich zuhause seid. Welches Klima herrscht, wann Frost kommt. Vom Gefühl her sage ich mal: Alle im Osten und Norden sollen bitte aufpassen (das Hamburger Becken ausgenommen). Wo regelmässig Kaltluftfronten aus dem Norden einbrechen, muss man Punica früher wegräumen als etwa im Rheingraben. Auch der Alpenhang in Bayern wird wahrscheinlich schneller auskühlen, die Wiener Bucht kriegt, soviel ich weiss, auch recht früh Kaltluft. Aber eben - soviel ich weiss. Geht darum auf eigene Faust ins Internet, sucht nach dem «Klima», versucht, die Kurven, die angezeigt werden, zu interpretieren. Besonders wichtig sind für uns die «Minima» der Monate. Steht in einer Statistik der nächsten Wetterstation, dass es schon im Oktober ins Minus geht, ist Vorsicht angebracht. Sind es mehrere Minustage im Monat, muss der Baum ins Kalthaus, vorsichtshalber.

Es ist eine gute Übung - ein Bonsaigestalter, der sagen kann, wo Norden, Süden etc. sind und weiss, wie sich das Klima bei ihm zuhause verhält, hat auf die Dauer einfach die besseren Bäume.

Wie immer: Fragen? Jederzeit gerne hierher bringen.
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Vampy82
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Beitrag von Vampy82 »

Also ich habe meine Kleinen mal ins Kalthaus gebracht, da stehen sie jetzt seit paar Wochen und warten schon sehnsüchtig aufs Frühjahr :lol: ...
Jetzt meine Frage: Außer den Stecklingen gut zureden und sie zu wässern, sollen wir sonst noch was mit ihnen machen?
Danke schonmal und LG
Marina
Die Stärke eines Baumes liegt in seiner Wurzel, die des Menschen in einem glücklichen Herzen!
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Andreas Ludwig
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Beitrag von Andreas Ludwig »

Nö... da kann man eigentlich bloss warten. Je nach Standort gehören sie jetzt rein. Bei mir ist das schon der Fall, auch wenn es klimatisch unproblematisch wäre, sie noch etwas draussen zu lassen.

Beim Giessen nicht übertun, eine «geringe Bodenfeuchtigkeit» reicht schon. Blätter haben sie ja keine mehr, also wird kaum etwas verdunstet, am meisten Feuchtigkeit geht über die Substratoberfläche verloren. Es ist erlaubt (entgegen den üblichen Empfehlungen für Bonsai), ein Untertellerchen unter die Töpfchen zu stellen. Das bewahrt vor einer Sauerei und hilft beim Giessen: Das Wasser rauscht erstmal durch, der rest, der in den Teller geht, wird dann in den folgenden Tagen vom Substrat aufgenommen. Pilze und Fäulnis muss man nicht befürchten, solange man kein ständiges Fussbad hat.
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