alt und ehrwürdig...

.... und Peter Krebs antwortet.
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Max
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alt und ehrwürdig...

Beitrag von Max »

Diese Schale hat viele viele Jahre hinter sich. Ich stelle mir vor, wer sie wohl getöpfert hat und weiß eigentlich nichts über sie, außer ihrer Geschichte der letzten wenigen Jahrzehnte. Insbesondere die letzten 6 Monate waren da sehr turbulent.
Vor etlichen Jahren wurde sie aus China ins Bonsaizentrum Heidelberg verfrachtet. Dort verbrachte Sie ihre Zeit in einer Schauvitrine und wurde anscheinend wenig beachtet. Ob sie zum Verkauf stand oder nicht, ist mir nicht bekannt. Bekannt ist mir aber, dass sie nach der Auflösung des Zentrums vor wenigen Jahren in seiner Konkursmasse verkauft wurde. Der neue Besitzer entschied sich dazu, etliche der Schalen, die er so erworben hatte, in einen Verwertungsbetrieb zu geben und so etwas Geld mit diesen Relikten zu verdienen, die einst Bestandteil der Anlaufstelle für Bonsai in ganz Europa waren. Es dauerte einige Wochen bis schließlich ein gewisser Teil dieser Schalen fotografiert und in den entsprechenden Webshop und parallel in einem Internet-Auktionshaus eingestellt wurde. Zu diesen Schalen gehörte auch die hier abgebildete. Versehentlich! Es dauerte wieder etliche Wochen, bis ein sehr guter Freund von mir sie bemerkte. Der angegebene Preis war jenseits von gut und böse, er war vollkommen unangemessen und so zeigte er sie mir aus Interesse und die Geschichte schien zu Ende. Monate später sah ich die Schale wieder. Der Preis war deutlich gefallen und ich spielte ein wenig mit dem Gedanken, die Schale nun zu erwerben. 68x36cm sollte sie groß sein. Eine Größe, die man schlecht bepflanzen kann und insofern lediglich ein Ausstellungsstück, wenn überhaupt. Das Foto, das sie zeigte, war extrem verschnitten, perspektivisch schlecht und insofern die Idee, die Schale zu kaufen mit einem gewissen Risiko verbunden. Die Zeit verging also, während ich weiter überlegte und sie bald wieder fast vergessen hatte. Das Sommerfest war dazwischen und hohe Ausgaben für andere Dinge, hielten mich fast ganz davon ab, die Schale noch interessant zu finden. Dennoch. Plötzlich war sie wieder in meinen Gedanken und wollte nun auch nicht mehr aus diesen verschwinden.
Kurzum, die Schale sollte nun gekauft werden. Ich bestellte die Schale und wartete. Einige Tage später erhielt ich eine Versandbestätigung, nachdem ich den Verkäufer gebeten hatte, die Schale extrem sorgsam zu verpacken. Nochmals einige Tage später, ohne eine Benachrichtigung von einem Paketboten im Briefkasten gehabt zu haben, erhielt ich eine Mail:

"Leider ist ein Fehler in der Artikelbeschreibung unterlaufen. Die Schalen verkaufen wir im Auftrag. Fotos und Maße wurden uns vom Auftraggegeber übermittelt.
Bei den Verpackungsvorbereitungen wurde festgetstellt, daß die Schale von den angegebenen Maßen erheblich abweicht. Maße laut Angebot 68 x 36 cm. Originalmaße der Schale 33 x 25 cm.
Wir müssen daher den Kauf stornieren, da die Ware nicht der Beschreibung entspricht. Wir werden den bezahlten Betrag auf Ihr Konto zurück überweisen. Sollte Sie eine andere Regelung wünschen, bitte kurze Info. Wir können uns für den Fehler nur in aller Form entschuldigen."

Zwischenzeitlich hatte ich mehrmals mit Peter telefoniert und war mir darüber im Klaren, dass ich die Schale nach wie vor haben wollte, obwohl sie nun nicht einmal mehr halb so groß war! Eigentlich aber sogar gerade deswegen.
Ich rief also den Verkäufer wieder an, bat ihn, die Schale nun dennoch zu versenden und wollte mich weiter auf ein baldiges Paket freuen. In der Zwischenzeit hatte der Besitzer der Konkursmasse jedoch festgestellt, dass er die Schale eigentlich gar nicht mehr abgeben wollte. Ich sollte mich nun noch einen Tag gedulden. Am nächsten Tag ein weiteres Telefonat. "Die Schale geht nun zu Ihnen." Wieder begann das Warten, wieder kamen tagelang keine Paketbenachrichtigungen, bis schließlich ein Nachbar einen Zettel an meine Tür klebte.
Das Paket war bei den Nachbarn gelandet, jedoch kein Paketschein bei mir. Der Moment der Wahrheit stand bevor. Der Karton wurde vorsichtig geöffnet und herraus kam nichts anderes, als eine völlig andere, überhaupt nicht mit der gekauften Schale vergleichbare Schale in türkis. Am Abend noch rief ich den Verkäufer auf seiner privaten Handynummer an, die mir mittlerweile bekannt war und informierte ihn. Kein Einsehen, lediglich: "Das kann doch gar nicht sein!".
Nochmal ein Tag warten folgte, denn alle Schalen wurden in einem ausgelagerten Gebäude in einer anderen Stadt aufbewahrt. Dann die Erlösung: "Die Originalschale steht noch im Lager, da gab es ein Missverständnis"
Wieder warten und erwarten. Ist die Schale nun doch 68x36 cm groß? Kommt sie überhaupt an? Kommt sie heil an? War die ganze Geschichte von vorne herein ein Fehlkauf, weil das Foto den schlechten Zustand verschleiert hat?

Die Geschichte nahm endlich ein gutes Ende.
Nun freue ich mich über ein neues Stück in meiner Sammlung und darüber,
sie euch zeigen zu können.

Grüße
Max
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Tomsai 92
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Re: alt und ehrwürdig...

Beitrag von Tomsai 92 »

Geniale Schale! Ist das eine Seladonglasur auf einem undicht gebrannten Scherben, sodass Wasser, Dünger und Pflanzensäfte durch den Ton sickerten und das heutige Aussehen bewirkten?
Gibt es Indizien zur Altersbestimmung? Zwei- bis dreihundert Jahre dürfte sie wohl auf dem Buckel haben, oder nicht? Wäre es nicht auch möglich, dass die aus Korea stammt? Ist das ein umkonzipierter Weihrauchbrenner oder war sie von Beginn an als Penjingschale gedacht?
Und, wie groß ist sie nun?

Gruß, Tom
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Max
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Re: alt und ehrwürdig...

Beitrag von Max »

Tom, vielleicht fragst du mich da gerade zu viel... :oops: :oops: :oops:
Ich hoffe, die Frage nach Seladonglasur kann Peter beantworten..
Die Altersbestimmung scheint auch nicht ganz einfach zu sein.. Da habe ich schon mit Peter drüber gesprochen..
er sagte ab 80 ist nach oben alles möglich... Die Schale hat ein Abflussloch, das auch nicht nachträglich entstanden ist, weil hier noch Tonausbuchtungen zu erkennen sind, die nur im noch weichen Zustand entstehen konnten.
Weihrauch stand also nicht drin.

Grüße
Max
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Max
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Re: alt und ehrwürdig...

Beitrag von Max »

Ach, sie ist jetzt 33 x 25 cm groß...
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Tomsai 92
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Re: alt und ehrwürdig...

Beitrag von Tomsai 92 »

Max Engels hat geschrieben:Tom, vielleicht fragst du mich da gerade zu viel... :oops: :oops: :oops:
Hehe, gern geschehen. :P

Die Größe gefällt mir, so könnte man sie wenigstens evtl. vorübergehend für eine Ausstellung bepflanzen.
Wer weiß, spricht nicht, wer spricht, weiß nicht.
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Heike_vG
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Re: alt und ehrwürdig...

Beitrag von Heike_vG »

Eine Seladon-Glasur ist das bestimmt nicht gewesen, die ist ja im Urzustand ganz hell pastellgrün oder pastell-hellblau.
Ich gehe davon aus, dass es eine satt dunkelgrüne Glasur war, die sich von innen heraus aufgelöst hat im Laufe der Jahre. Auf Peters Bonsaischalen.info-Seite sind auch Beispiele dafür zu sehen.

Liebe Grüße,

Heike
Ein halber Schritt in die richtige Richtung ist oftmals ein Reinfall...

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Max
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Re: alt und ehrwürdig...

Beitrag von Max »

Heike_vG hat geschrieben:Eine Seladon-Glasur ist das bestimmt nicht gewesen, die ist ja im Urzustand ganz hell pastellgrün oder pastell-hellblau.
Ich gehe davon aus, dass es eine satt dunkelgrüne Glasur war, die sich von innen heraus aufgelöst hat im Laufe der Jahre. Auf Peters Bonsaischalen.info-Seite sind auch Beispiele dafür zu sehen.

Liebe Grüße,

Heike
Hab' jetzt auch mal ein bisschen auf Wikipedia gesucht.
Die Glasur war sicher früher mal tiefgrün. Da wie Heike schon geschrieben hat, das keine Farbe für Seladon zu sein scheint, hat die Glasur wohl einen anderen Namen. Sicher ist es eine einfache Standardglasur gewesen.

Grüße
Max
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Max
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Re: alt und ehrwürdig...

Beitrag von Max »

Tomsai 92 hat geschrieben: Die Größe gefällt mir, so könnte man sie wenigstens evtl. vorübergehend für eine Ausstellung bepflanzen.
Brauchst du gar nicht so sehr zu relativieren.. :wink:
Habe ich wirklich vor, wenn der passende Baum hineinspringen möchte.

Grüße
Max
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Totoro

Re: alt und ehrwürdig...

Beitrag von Totoro »

Hallo Max,


wunderschöne Schale mit genialer Patina. *daumen_new*




Gruß
Dirk
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peter krebs
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Re: alt und ehrwürdig...

Beitrag von peter krebs »

Hallo Max,

wir haben ja am Telefon schon ausgiebig über Deine neue Schale diskutiert.

Wenn es auch enttäuschend ist, aber Deine Schale stammt wirklich aus einer Massenware. Diese Art der Schalen wurde hunderttausendfach hergestellt.

Auch die Glasur hat keinen speziellen Namen. Es ist nur festzustellen, dass die einzelnen Töpfereien unterschieidlichste Grüntöne verwendet haben. Jede Töpferei hatte und hat auch heute noch ihre Geheimrezepte.

Da diese Schalen nicht hoch gebrannt wurden, also Steinzeug, waren sie auch nicht besonderes stoßfest, und hatten damit auch eine kürzere Lebenserwartung. Diejenigen, die überlebten, sehen dann halt so aus wie Deine Schale Sie hatten in China den Stellenwert wie z.B. bei uns die Blumentöpfe.

In den Sammlungen asiatischer Sammlern wirst Du diese Art der Schalen eher selten, bis überhaupt nicht finden.

Trotzdem ist Deine Schale wunderschön, und für diesen Preis hätte ich sie auch erstanden.

1986 kamen die ersten chinesischen Schalen dieser Art nach Deutschland, es hat lange gedauert, und war ein hartes Stück Arbeit bis es so weit war, dass den grünen Schalen mehr Würdigung zukam und kommt.

Hier noch einmal der Hinweis auf zwei Artikel zu diesem Thema:

http://www.bonsaischalen.info/index.php ... nt-so-grun

http://www.bonsaischalen.info/index.php?page=penjing

Viele Grüße
Peter
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Max
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Re: alt und ehrwürdig...

Beitrag von Max »

Hallo lieber Peter,

nochmal vielen Dank für deine Ausführungen.
Den Preis, den ich bezahlt habe, kennst du ja und ich bin sicher weit davon entfernt diese Schale nun wieder abzugeben, weil sie in Kobayashis Sammlung nicht vertreten wäre! :wink:

Viele Grüße
Max
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