Leute, Leute,
da möchte man sich mal an einer ordentlichen Baumbesprechung versuchen, was natürlich auch seine Zeit in Anspruch nimmt, und will man sie einreichen ist schon allles vollgepostet
Nun gut, hier ist mein Beitrag, denkt bitte daran, dass es mein erster dieser Art ist
Das eingereichte Bild mit dem Wacholder ohne Namen, das aber zumindest mit Zweitnamen „Ambivalenz“ heißen könnte, von chris p., wirkt beinah wie ein Gemälde, weniger wie ein Foto.
Die Positionen der Elemente teilen die Fläche nahezu perfekte auf.
Die vielfältigen gezeigte Materialien ergänzen sich meist in Form und Struktur und bilden zum Teil sehr starke Kontraste.
Mit dem weichen Schattenwurf des Baumes auf dem Hintergrund, gelingt es sogar ein wenig das Fehlen der dritten Dimension zu kompensieren.
Zusammen mit den einzelnen runden Laubpolster der verschiedenen Kronenetagen, steht er zudem in einem krassen Gegensatz zu den harten Linien und der kubistisch exakten Form des Präsentationstisches und seiner Unterlage.
Dieser verleiht dem Bild eine Spannung des Moments.
Spannend ist auch die direkte Kommunikation zwischen spiegelglattem High-Tech-Tisch in Hochglanz und matter, alternder Schale.
Nicht nur von der Form, sondern auch von der Oberflächenbeschaffenheit könnten beide nicht unterschiedlicher sein, ohne merkwürdig grotesk anzumuten.
So sind sie aber Akteure im designerischen Gesamtdialog von Form und Fläche.
Wesentliches tragen die Farben der Komposition zu diesem spannungsreichen aber auch harmonischen Gesamt-Eindruck bei. Natürliche Töne des Baumes und der Bambusmatte
kontrastieren mit den Tönen der ebenso natürlichen aber unbunten Farben Schwarz und Weiß der anderen Elemente.
Vor allem das gesunde Laub der Krone, bildet mit seinem sattem Grün, zweifelsohne ein farbliches Highlight auf der visuellen Rundreise.
Einzig besagter Tisch und Schale, beide nicht in minderer Quantität, buhlen um die ungeteilte Aufmerksamkeit des Auges.
Glücklicherweise kann sich der interessierte Betrachter alsbald von diesem Anblick losreißen, denn ein ausladender und beeindruckend geschwungener Wurzelansatz, verspricht den erhofften Augenschmaus Wirklichkeit werden zu lassen und zieht die Blicke hoch, endlich, auf den Baum.
Mit vorwiegend sanften Biegungen, die sich in der schlichten Form der eleganten Schale wiederholen, balanciert der Stamm freiaufrecht nach oben.
Die alternierenden Stammfragmente geben dem Baum Rhythmus.
Männlich markant betont eine Totholzpartie die Innenseite der Hauptbiegung und bildet in Addition mit weiteren Partien, einen kraftvollen Stammansatz.
Die gebückteHaltung zusammen mit Jin und Shari vermitteln einen würdevollen Eindruck.
Dem weit nach rechts überhängende Kronenast kann zentrale Bedeutung zugerechnet werden.
Zum einen bildet er eine Hypotenuse der klassischen Krone, zum anderen betont er auf eindrucksvolle Weise, formal die Aussenseite der Hauptstammbiegung.
Nicht zuletzt erhöht er durch seine abrupte Richtungsänderung des Stammes, beim Übergang in die Krone, erheblich die visuelle Geschwindigkeit der Gestaltung.
Seine Wichtigste Aufgabe wird aber der Versuch sein, die Balance des Baumes zu halten, denn die formal fehlende Stützwurzel vermittelt eine gewisse Instabilität im Stand.
Trotz aller genannten dominanten, klassischen Elemente ist der Baum jedoch in seinem Gesamtausdruck, dem plastischen Stil (nach Lind) am Nächsten, so dass die Argumente des leicht unvollkommenen, optischen Gleichgewicht entkräftet sind.
Das Kunstwerk vermittelt eine expressionistische Ästhetik. Andere Wertschätzung z.b. Wabi Sabi spielt eher eine untergeordnete Rolle, was den Eindruck einer skulpturalen Gestaltung nur bestätigt.
Welche Bedeutung diese Baum für den Gestalter selbst hat, lässt sich von dieser Warte aus nur erahnen.
Zumindest ist er so bedeutungsvoll, dass eine Skizze von ihm, das Forumsprofil schmückt, auf dem sich der Baum höflich aber selbstbewusst seinen Gesprächspartnern entgegenneigt um ihren Worten virtuell zu lauschen.
Monika Hansjürgens