Mit Feuer und Schwert - Eine Thujengestaltung der extremen A

Schneiden, Spannen, Drahten, Alterungstechniken etc.
Antworten
Benutzeravatar
Reiner
BFF-Autor
Beiträge: 4039
Registriert: 06.01.2004, 01:11
Wohnort: Dortmund
Kontaktdaten:

Mit Feuer und Schwert - Eine Thujengestaltung der extremen A

Beitrag von Reiner »

von Reiner Vollmari

Diese Geschichte begann damit, daß mich unser kanadischer Freund, Reiner Goebel besuchte. Da er selber aus dem Dortmunder Raum abstammt, war er auf die Bonsaifreunde seiner ehemaligen Heimat neugierig. So kam am Abend dann der Dortmunder AK hinzu und Reiner zeigte uns eine äußerst interessante Diavorführung, über die kanadischen Bonsai. Mancher von Euch kennt ja schon die nordamerikanischen Thujayamadoris. An dem Abend sah ich diese zum ersten Mal und bekam die Kinnlade gar nicht mehr hoch. So eine mußte ich einfach auch haben. Nun zeichnet sich das für uns verfügbare Material dieser Art vor allem durch langweilige, kerzengerade gewachsene Heckenpflanzen aus. Interessantes Material gibt es nicht. An diesem Punkt kam dann mein Nachbar ins Spiel. In seinem Vorgarten standen einige hohe Bäume, die weg sollten. Darunter eine fünf Meter hohe Thuja und eine ebensogroße Eibe. Mit Hilfe der freiwilligen Feuerwehr, hatten wir ruckzuck die Bäume aus dem Boden gezogen. "Du das Brennholz, ich die Wurzeln", hatte ich dem Nachbarn gesagt, schnitt die Bäume auf einen Meter ab und nahm sie mit. Was war der Mann glücklich :wink: .

Beide Bäume kamen nun für zwei Jahre ins Anzuchtbeet. Letztes Jahr im Frühling war zumindest die Thuja so weit, daß sie in eine Schale konnte (Nebari 42cm). Mein Kreuz war zu dieser Zeit wieder einmal völlig durch, so hat die Eintopfarbeiten mein Sohn Kevin übernommen. Er hat das mit seinen 14 Jahren perfekt hinbekommen.
01thuja_743.jpg
01thuja_743.jpg (59.7 KiB) 2701 mal betrachtet
Im Anzuchtbeet hat Kevin schon die Wurzeln ausgekämmt. Toller Wurzelballen!
02thuja_185.jpg
02thuja_185.jpg (49.58 KiB) 2701 mal betrachtet
Zum Transport dieses Riesentrümmers ist die Schubkarre bestens geeignet.
03thuja_562.jpg
03thuja_562.jpg (44.86 KiB) 2701 mal betrachtet
Fertig eingetopft.
04thuja.jpg
04thuja.jpg (46.39 KiB) 2701 mal betrachtet
Hier sieht man den ersten Rückschnitt. Es blieb nur die Benadelung am Baum, die für eine Gestaltung zu gebrauchen war. Alles andere war zu weit vom Stamm entfernt. Auf dem Bild ist auch noch der Austrieb der rechten Seite zu sehen. Der war auch nicht zu gebrauchen.
05thuja_986.jpg
05thuja_986.jpg (49.46 KiB) 2701 mal betrachtet
Wenn an einem Baum sehr große Totholzbereiche nicht zu vermeiden sind, bereite ich den Baum über längere Zeit darauf vor. Hier sieht man eine Methode, wie man das geplante Totholz nach und nach anlegt. Die trockene Rinde wurde mit einer Zange gepackt und in kleinen Stücken nach unten gezogen. Dadurch trockneten diese Bereiche Stück für Stück aus. Es dauerte ein Jahr, bis der Baum nur noch seine brauchbaren Saftbahnen hatte.
06thuja_117.jpg
06thuja_117.jpg (49.58 KiB) 2701 mal betrachtet
So sah der Baum aus, als er reif für die Gestaltung war. Ein häßlicher Holzklotz. Das ist bestimmt kein Rohmaterial, mit dem sich jeder Bonsaifreund anfreunden kann. Aber um die Fähigkeiten der Totholzbearbeitung zu trainieren, ist es bestens geeignet.
07thuja_964.jpg
07thuja_964.jpg (44.81 KiB) 2701 mal betrachtet
Die Rückseite
08thuja_134.jpg
08thuja_134.jpg (49.14 KiB) 2701 mal betrachtet
Die rechte Seite: mehr tote als lebende Bereiche. Dass da viele Jahre Arbeit nötig sind, bis das Holz eines Tages wirklich überzeugend aussieht, war mir zu diesem Zeitpunkt schon klar.
09thuja_117.jpg
09thuja_117.jpg (49.99 KiB) 2701 mal betrachtet
Zwei Stunden intensive Arbeiten mit der Kettensäge folgten nun. Eine Kettensäge ist kein einfaches Werkzeug. Wichtig ist, zwischendurch Pausen einzulegen, um nicht durch Ermüdung den Baum zu gefährden.
10thuja.jpg
10thuja.jpg (49.93 KiB) 2701 mal betrachtet
Eine Kettensäge ist schwer. Feine Arbeiten dauern entsprechend lange. Nur mit sehr viel Übung bekommt man die gewünschte Form schon beim ersten Bearbeiten hin. Bei diesem Baum habe ich noch mehrmals das Holz nachbearbeitet und bin auch nach zwei Jahren noch nicht fertig damit.
11thuja_149.jpg
11thuja_149.jpg (48.97 KiB) 2701 mal betrachtet
Nach der ersten Gestaltung mit der Kettensäge, sah der Baum wie ein Igel aus. Nun folgten zwei Stunden intensive Arbeit mit der Oberfräse. Leider habe ich versäumt davon Bilder zu machen.
12thuja_381.jpg
12thuja_381.jpg (49.3 KiB) 2701 mal betrachtet
Hier noch einmal zwei Bilder vor der Leinwand. Da sieht man auch, wie ich das Laub schützte. Ging alles gut, bin nicht einmal mit den Werkzeugen ausgerutscht.
13thuja_119.jpg
13thuja_119.jpg (48.64 KiB) 2701 mal betrachtet
Diese ersten Arbeiten am Totholz sind zunächst noch etwas grob. Im Laufe der Zeit wird das Holz immer weiter verbessert. Es ist besser, wenn man das Erreichte erst einmal einige Zeit "wirken" läßt, bevor man weiter daran arbeitet. Schnell hat man etwas verpfuscht, was später nicht mehr zu korrigieren ist.
14thuja_403.jpg
14thuja_403.jpg (49.39 KiB) 2701 mal betrachtet
Da hat man sich so eine enorme Arbeit gemacht, aber das Holz sieht irgendwie nur so gefräst aus. Eine gute Struktur bekommt man so nicht. Also ging es drei Tage später weiter.

Um eine interessante Struktur herauszuarbeiten wollte ich nicht einfach nur das Holz etwas mit Feuer ansengen. Nein, das Holz sollte richtig brennen. Da ich solch großflächigen Brände nur recht selten lege, mußte der Gaslöter dafür ausreichen. Einfaches Schrägstellen des Baumes schützte das Laub ausreichend. Der Trick hierbei ist der, daß ich das Holz unterschiedlich stark ausbrannte. Manche Bereiche habe ich nur oberflächlich abgebrannt. Bei anderen ließ ich die Glut weit ins Holz eindringen. So entstanden weitere Vertiefungen im Holz. Der Stamm der Thuja war knochentrocken und er brannte wie Zunder. Da war viel Feingefühl nötig.

Als ich durch war, ging ich erst einmal einen Kaffee trinken. Da komme ich mit meiner Kaffeetasse auf die Terrasse zurück und der Baum brennt zwischenzeitlich lichterloh. Der war, von mir unbemerkt, noch so am Glühen, daß er sich wieder entzündet hat. War aber kein Problem, alles ging gut.
15thuja_203.jpg
15thuja_203.jpg (48.13 KiB) 2701 mal betrachtet
Das Totholz ist komplett ausgebrannt. Nur die Ränder müßen noch nachgearbeitet werden.
16thuja_157.jpg
16thuja_157.jpg (48.89 KiB) 2701 mal betrachtet
Hält man die Flamme unterschiedlich lang auf einzelne Stellen des Holzes, entstehen interessante Vertiefungen, die das ganze natürlicher wirken lassen.
17thuja_518.jpg
17thuja_518.jpg (46.18 KiB) 2701 mal betrachtet
Danach habe ich mir wieder drei Tage Pause gegönnt. Die Brennarbeiten waren noch nicht fertig. Das Holz sollte ja bis zum lebenden Rindenrand hin ausgebrannt werden. Dafür muß natürlich ein besserer Schutz der Belaubung her. Die Äste wurden wieder eingebunden und mit mehreren Schichten Alufolie vor der Hitze geschützt. Um die Ränder exakt auszubrennen, besorgte ich mir ein paar Alubleche. Damit konnte ich die Ränder prima abdecken.
18thuja_169.jpg
18thuja_169.jpg (49.35 KiB) 2701 mal betrachtet
Mit Hilfe solche Bleche kann man exakt an den Rand der Rinde heran brennen, ohne befürchten zu müßen, dass der Baum dort Schaden nimmt.
19thuja.jpg
19thuja.jpg (48.94 KiB) 2701 mal betrachtet
Reißt man an Aststümpfen das Holz mit der Zange herunter und brennt es dann nach, entsteht ein natürlicher, interessanter Jinbereich.
Wieder drei Tage Pause.

Nun mußte die ganze Holzkohle runter vom Baum. Das ganze verkokelte Holz war so weich, dass ich zum Abbürsten nicht einmal eine Drahtbürste nehmen mußte. Eine einfache Bürste aus dem Fachhandel ging dafür hervorragend. Zu dieser Arbeit habe ich mir eine Staubmaske vors Gesicht gebunden. Trotzdem war das enorm unangenehm.
21thuja_208.jpg
21thuja_208.jpg (44.79 KiB) 2701 mal betrachtet
Das Nebari muß beim nächsten Umtopfen nachgearbeitet werden, damit der Baum besser in diese Schale paßt.
22thuja_866.jpg
22thuja_866.jpg (49.35 KiB) 2701 mal betrachtet
Mit der Bürste ließ sich die Holzkohle vollständig entfernen.
23thuja_989.jpg
23thuja_989.jpg (49.58 KiB) 2701 mal betrachtet
24thuja_610.jpg
24thuja_610.jpg (49.87 KiB) 2701 mal betrachtet
25thuja_118.jpg
25thuja_118.jpg (48.95 KiB) 2701 mal betrachtet
Hier ist nun das vorläufige Endergebnis. Mit Jinmittel wurde der Baum erst eingestrichen, nachdem sich der restliche Ruß verflüchtigt hatte. Auf den Bildern kann man nicht gut die Struktur vom Brennen erkennen. Das sieht man besser, wenn das Holz gebleicht ist. Das Bleichen selbst mache ich nur mit verdünntem Jinmittel. Dann auch so, daß die Kohle, die noch in den Vertiefungen sitzt, erhalten bleibt. Beim nächsten Umtopfen sollte die lange, tote Wurzel noch nachbearbeitet werden.

Auf die Bitte des Bonsaifreundes Richi, ergänze ich diesen Artikel mit einigen Sicherheitshinweisen, die Richi mir schickte. Versäumt habe ich es tatsächlich darauf hinzuweisen, dass eine Kettensäge ein wirklich gefährliches Werkzeug ist, weshalb ich alle Bonsaifreunde bitte, Richis Hinweise ernst zu nehmen:

Hallo Reiner,
Ich bin ganz neu in diesem Forum und auch Anfänger in Sachen Bonsai.
Mit Bewunderung habe ich diesen Artikel gelesen und versuche mich auch mal an einer Thuja.
Das einzige, daß mich an ihrem Artikel etwas stört ist der Umgang mit der
Motorsäge auf ihren Bildern. Bitte weisen Sie doch in ihrem Artikel auf die gefahren einer Motorsäge hin.
Man sollte nur mit Schutzhelm und Schnittschutzhose Arbeiten. Ich möchte Sie nur darauf hinweisen. Einem Freund von mir rettete der Helm sein Leben. Die Säge verkanntete sich und schlug ihm ins Gesicht, durchsägte den Helm, blieb aber dann an der Helmverstellung stecken.
Mit Schnittverletzungen an Stirn, Nase und Auge kam er davon. Außer ein paar Narben blieb Glücklicherweise nichts zurück.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, aber mit einer Motorsäge arbeiten ist
auch fast wie mit "Feuer und Schwert"
Mit freundlichem Gruß
Richi
Deine Organe kommen nicht in den Himmel! Spende rettet Leben.

Reiners Bonsai Blog
Antworten