Abmoosen - Nach einem Artikel von Walter Pall

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zopf
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Abmoosen - Nach einem Artikel von Walter Pall

Beitrag von zopf »

Nach einem Artikel von Walter Pall

Als Abmoosen wird eine Technik bezeichnet, deren Ursprünge wohl in der genauen
Naturbetrachtung liegen. Nach Erdrutschen oder in Mooren werden Bäume manchmal gezwungen,
an den Stellen Wurzeln zu treiben, die dauernden Erdkontakt und die nötige Feuchtigkeit haben.
Vorteile, die sich für den Gestalter durch das Abmoosen ergeben, sind vielfältig.

...* Die Verbesserung des Wurzelhalses z.B. der sehr wichtige Wurzelansatz bei der Besenform
...* Die Verkürzung eines zu langen, geraden Stammes bei erfolgversprechender Krone
...* Mehrfachstämme sind meist nur durch Abmoosung zu gestalten
...* Pflanzen mit gleicher Genetik für eine Waldpflanzung zu erhalten, da bei Waldpflanzungen
......gleichzeitiges Knospen, gleiche Blattform und Farbe erwünscht sind

Dies sind Bilder einer Buche in Hanglage. Der ehemalige Stamm wurde verschüttet und im ehemaligen
Kronenbereich (roter Kreis) sind neue Wurzeln entstanden, die dann einen Mehrfachstamm entstehen ließen.
buche_188.jpg
buche_188.jpg (63.79 KiB) 2117 mal betrachtet
Von den verschiedenen Verfahren des Abmoossens sollen nur die erwähnt werden, die
den jetzigen Stand der Technik darstellen.

...* Nick Lenz hat mit Erfolg Amerikanische Lärchen (Larix laricana) abgemoost, indem er
......den Baum im abzumoosenden Bereich mit einem Behältnis umschloss, das er komplett
......mit Sphagnum-Moos füllte. An der Stelle, die knapp unter der Öberfläche lag, trieben
......dann die erwünschten Wurzeln. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt in der Tatsache, dass
......keine Verletzung des Stammes nötig ist, der Nachteil liegt in der Zeitspanne die gerade
......bei Koniferen mehrere Jahre dauern kann.
...* Ein weiteres Verfahren besteht im mehrfachen Umwickeln des Stammes mit Draht, der
......mit einer Jin-Zange fest angezogen wird. Auch hierbei, wie auch bei den nachfolgenden
......Methoden, wird die abzumoosende Stelle mit Sphagnum umwickelt, der ganze Bereich
......mit einem Behältnis umgeben und mit durchlässiger Erde aufgefüllt. Die durch den
......Assimilatstau gebildete Verdickung, soll dann die Grundlage des zukünftigen
......Wurzelballens sein.

.......Linkes Bild - Beispiel zur Abmoosung mit einer Drahtschlinge
.......Rechtes Bild - Modifiziert mit einer geteilten Kunststoffplatte
draht.jpg
draht.jpg (65.13 KiB) 2117 mal betrachtet
...* Das heutzutage wohl meist angewandte Verfahren, ist das Abschälen der Rinde im
......abzumoosenden Bereich. Bei dem, im Jahr zuvor gut gedüngten, Baum wird der Bereich
......in dem die Wurzelbildung stattfinden soll markiert. Zwei parallele Schnitte mit mindestens
......2cm Abstand werden, mit einem desinfizierten Messer, rund um den Baum gemacht.
......Die Rinde wird bis zum Saftholz entfernt, im Zweifel sollte der Rindenbast mit einem
......Messer abgeschält werden. (Wenn Ihr mit der Rückseite des Messers über die abgeschabte
......Stelle schabt, sollten sich keine Faserstücke mehr abspreizen, dann seid Ihr tief genug).
......Die Stelle sollte jetzt eine Zeit eintrocknen, daraufhin wird der obere Wundrand mit
......Wurzelhormon eingepinselt. Wer Pulver gebrauchen möchte, sollte das Hormon mit
......befeuchtetem Toilettenpapier (nur 1 Lage) fixieren. Daraufhin wird der Bereich mit
......Sphagnum umgeben. Liegt der abzumoosende Bereich im Wurzelbereich, kann der
......Baum in eine grössere Schale umgesetzt werden und die Erde wird angehäufelt.

.......Abmoosung einer Europäischen Ulme von Walter Pall
.......Beispiel für die Verwendung einer grossen Schale
ulme1_155.jpg
ulme1_155.jpg (55.97 KiB) 2117 mal betrachtet
ulme2_638.jpg
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.......Abmoosung einer Linde von Walter Pall
.......Beispiel für die Verwendung eines Abdeckgitters
linde1_184.jpg
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linde2_558.jpg
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.......Abmoosung einer Zellkove von Wolfgang Putz
.......Wurzelentwicklung in 2 Monaten
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...* Als letztes Verfahren wird hier die Abmoosung nach SINICHI und WATANABE
......vorgestellt, die für Laubbäume, speziell für Kerbbuchen entwickelt wurde. Das
......normalerweise im Juni durchgeführte Verfahren, wird hierbei im Januar / Februar
......angewandt. Eine Kerbe 3-4mm tief und breit ( bei der Verwendung eines 4 mm Drahtes )
......wird um den Stamm geschnitten. Die Kerbe sollte dann an einem geschützen Ort 2-3 Tage
......antrocknen. Daraufhin wird in die Kerbe der 4mm Draht eingetrieben, bis er bündig mit der
......Rinde abschliesst und die Stelle mit Sphagnum umwickelt. Ein vorheriges Einpudern mit
......Wurzelhormon sollte die Bewurzelung erleichtern. Um die abzumoosende Stelle wird
......dann ein Behältnis gebaut, das mit durchlässiger Erde gefüllt wird.
......Im Herbst sollten sich die ersten Wurzeln gebildet haben. Nach vorsichtiger Freilegung
......des Wurzelbereichs, werden die dickeren Wurzeln auf 3cm, die dünneren Wurzeln auf 5cm
......und die Haarwurzeln überhaupt nicht geschnitten. Die Kerbe sollte jetzt auf 2cm in der
......Breite und 1cm in der Tife erweitert werden. Danach wird wiederum ein dicker Draht um
......die obere Schnittstelle gewickelt. Der Draht soll eine weitere Verdickung des
......Wurzelansatzes bewirken. Nach einer weiteren Vegetationsperiode kann der Baum
......abgetrennt werden


Behälter für den abzumoosenden Teil im Wurzelbereich sind aus obigen Bildern ersichtlich.
Ich persönlich halte die Lösung mit dem Abdeckgitter für die beste Lösung, da eine gut
belüftetet Erde die Wurzelbildung fördert. Das Risko liegt in der schnellen Austrocknung
in den Sommermonaten. Sollte im Astbereich abgemoost werden, gibt es die Möglichkeit
einen Topf aufzuschneiden, in den Boden ein Loch etwas grösser als den Ast zu machen und
den Topf an vorhandenen Ästen zu fixieren. Bei kleineren Ästen sollte es genügen, aus Folie
eine Tasche zu formen, die mit einer leichten Drahtwicklung oben und unten am Ast befestigt
wird. Ein Umwickeln der Folie mit schwarzem Isolierband, erhöht die Wärme im Substrat
und ist daher förderlich für die Wurzelbildung.

Über die Auswahl des Substrats kann man keine allgemeingültige Aussage treffen, es sollte
nur eine gute Durchlüftung erlauben.

Die Verwendung von Sphagnum wird von allen empfohlen und deckt sich auch mit meinen
persönlichen Erfahrungen.

Über Wurzelhormone gibt es verschiedene Meinungen, ich persönliche verwende es zur
Unterstützung der Wurzelbildung seit Jahren mit gutem Erfolg.

Warum funktioniert Abmoosen ?
Aus Walter Pall: "Abmoosen"

Warum funktioniert das Abmoosen eigentlich? Der Baum transportiert dauernd verschiedene Flüssigkeiten zwischen den Pflanzenteilen. Der Wasser- und Nährstofftransport erfolgt von den Wurzeln nach oben im Kambium. Die von der Belaubung erzeugte Energie wird nach unten zum Stamm und zu den Wurzeln in den Siebröhren im Bastteil der Rinde befördert. Es gibt also mehrere Schichten mit ganz verschiedenen Eigenschaften. Die inneren Schichten transportieren Säfte von den Wurzeln zu den Blättern, die äußeren Schichten transportieren Photosyntheseprodukte von den Blättern abwärts. Dazwischen liegt die Kambiumschicht, die als Wachstumsschicht die innere und äußere Schicht laufend neu bildet. Das Kambium hat die Fähigkeit, sowohl Blätter als auch Wurzeln zu bilden, je nachdem ob es sich über oder unter der Erde befindet. Der Unterschied liegt also an der Licht- und Feuchtigkeitsmenge in der unmittelbaren Umgebung. Das Kambium muss in irgend einer Form zur Zellteilung angeregt werden. Deshalb funktioniert das Abmoosen am besten, wenn das Kambium absichtlich beschädigt wird. Wenn ein Rindenring über die Kambiumschicht bis ins Holz hinein abgenommen wird, kommt es in den Siebröhren zum Stau der Abwärts fließenden Assimilat-Flüssigkeiten. Dadurch entsteht zuerst ein Verdickung, danach Kallus an der oberen Schnittstelle. Das Kambium versucht im Prinzip, durch Kallusbildung die unterbroche Stelle zu überbrücken. Wenn das nicht gelingt, werden neue Wurzeln gebildet. Die Zellen an der Schnittstelle teilen sich und kommen als schwielenartige Wucherungen hervor, die man Kallus nennt. Später entstehen einzelne Wurzelvegetationspunkte, aus denen Adventivwurzeln wachsen. Das sind also keine ursprünglichen Wurzeln, sondern Beiwurzeln, ?Notwurzeln?. Der Baum erkannt also, dass durch den abgenommenen Rindenring der Transport der Energiestoffe in den Stamm und in die Wurzeln völlig unterbrochen wird. Er ?weiß?, dass das zur Folge hätte, dass der Stamm und die Wurzeln absterben. In seiner Not greift er zu einem Mittel, das ihm in der Natur manchmal helfen kann, eine solche Situation doch noch zu überleben.
Welche Bäume kann man abmoosen ?
Theoretisch alle Laubbäume, wobei ich die Einschränkung machen möchte,
dass Bäume mit schwacher Wuchsleistung auch nicht gut abzumoosen sind.
Buchen, Hainbuchen, Linden, Apfelbäume, Ahorne, Forsythien, Kirschen, Pfaffenhütchen
sind eine Auswahl von Bäumen die nach meinen und den Erfahrungen anderer Bonsai-Freunde
gute Ergebnisse bringen. Zuchtformen der genannten Bäume eignen sich umso schlechter,
je spezieller die Züchtung erfolgt ist. Das bedeutet, je mehr der Baum von
seiner ursprünglichen Form entfernt ist, desto geringer ist die Chance auf Erfolg.
Bei Nadelbäumen kann ich guten Gewissens nur Wacholder, Eiben und Lärchen empfehlen.
Theoretisch müssten auch Pinus sylvestris, Pinus nigra austriaca und Pinus mugo abmoosbar sein.
Genaueres dazu kann ich aber erst in zwei Jahren sagen, da ich dann eigene
Versuche beurteilen kann.

Wann ist die beste Zeit abzumoosen ?
Bis auf die vorher erwähnte Methode bei Kerbbuchen, sollte das Frühjahr, wenn die Kopsen
anfangen zu schwellen, als Zeitpunkt gewählt werden.

Warum bilden sich einseitig Wurzeln ?
Auf der sonnenabgewandten Seite ist das Substrat meist feuchter und deshalb bilden
sich dort mehr Wurzeln. Durch regelmässiges Drehen kann man diesen Fehler vermeiden.
Bei einem Doppelstamm bilden sich meist zuerst am dünneren Ast Wurzeln, also sollte
man den dünneren Stamm der Sonne zuwenden.

Warum bildet sich nur Kallus, aber keine Wurzeln ?
Es gibt dazu unterschiedliche Meinungen. Wenn ich den Vergleich zu Meristemkultur
betrachte, ist die Kallusbildung die Vorstufe zur Wurzelbildung. Einpudern des Kallus
mit Wurzelhormon und etwas Geduld dürften dieses Problem aber beheben

Warum Mehrfachstämme meist abgemoost sind ?
Mehrfachstämme im strengen Sinne entspringen dicht über dem Boden aus einer Wurzel.
Das zusammenbinden von Jungpflanzen oder Stecklingen, oder das Stecken durch eine Ziegelplatte
ergibt meist nur unbefriedigende Ergebnisse.
Die konsequente Erschaffung eines Mehrfachstammes erfolgt meist durch Abmoosen eines "Stammquirls"
an einem vorhandenen Baum, oder durch Abmoosung einer Junpflanze an einer Stelle
mit Knospenanhäufung. Das teiweise praktizierte Ausgraben von abgesägten Bäumen mit
treibenden Wurzelschösslingen ist aus 2 Gründen wenig erfolgversprechend.
Der grosse Totholzbereich im Erdbereich ist eine Fäulnisquelle und von den Wurzelschösslingen
hat nur ein geringer Teil Überlebenschancen, da der Baum nach ein paar Jahren diese
teilweise wieder abstösst.


Zum Abschluss das Wurzel-Bild einer Rotbuche von Hermann, die vor 4 Jahren
nach der WATANABE-Methode abgemoost wurde.
rotbuche_2.jpg
rotbuche_2.jpg (44.64 KiB) 2117 mal betrachtet
grüsse an die bewohner von melmac
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