Die Baumanalyse vor der Bonsaigestaltung - Auf was sollte man achten bei der Auswahl und Gestaltung

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Karl T.
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Die Baumanalyse vor der Bonsaigestaltung - Auf was sollte man achten bei der Auswahl und Gestaltung

Beitrag von Karl T. »

von Karl Thier


Baumanalyse

Um einen Rohling, der als Yamadori gesammelt wurde oder aus einer Baumschule stammt, überhaupt zum Bonsai gestalten zu können, ist es unbedingt erforderlich, eine gründliche Baumanalyse vorzunehmen. Natürlich hat man den Rohling schon vorab auf seine Eigenschaften als künftiger Bonsai geprüft, bevor man ihn gesammelt oder gekauft hat.

Bei der ersten Vorabanalyse achtet man meist auf die Stammbewegung und dei Verästelung, wenn man sich etwas mehr Zeit nimmt, achtet man auch auf den Wurzelansatz. Dabei ist die Vorauswahl der Rohpflanze ein ganz wichtiger Faktor und man sollte sich wirklich die Zeit nehmen, um die ausgewählte Pflanze auf ihre Bonsaitauglichkeit zu prüfen.

Wichtige Kriterien für eine spätere Bonsaigestaltung, sind Gegebenheiten an der Pflanze, die sich schwer oder gar nicht ändern lassen.
1. Der Wurzelansatz: ist ein wichtiger Blickpunkt für die spätere Gestaltung, er sollte auch zur Stammbewegung passen.
2. Die Bewegung des Stammes: ein bewegter Stamm verleiht der späteren Gestaltung mehr Charakter als ein gerader Stamm.
3. Die Äste und die Astverteilung: sie ist bei Laubbäumen von nicht so großer Bedeutung, jedoch bei Koniferen ist sie wichtig.

Hat man sich für die Vorauswahl die Zeit genommen, so wird man bald bemerken, dass gutes Bonsaimaterial nicht so häufig zu finden ist, weder in der Baumschule noch in der freien Natur.
Wenn man diese Kriterien bei der Auswahl beachtet, so wird sich mit der Zeit eher eine qualitativ hochwertigere Bonsaisammlung ergeben, als eine quantitativ umfangreiche.

Vor der Gestaltung: Analyse des Nebari, d.h. des Wurzelansatzes

Bevor man nun mit der Gestaltung beginnt, ist es sehr wichtig, den Baum in seiner Gesamtheit zu beurteilen, also seine Schwächen und seine Vorzüge.

Man beginnt mit der Analyse immer von unten nach oben, so wie man auch später gestaltet, also vom Wurzelansatz weg.

Meist ist es schon eine Zeitlang her, dass man den Baum ausgegraben oder in der Baumschule erworben hat und daher ist der Wurzelansatz auch meist mit Erde bedeckt. Daher wird erst einmal der Wurzelansatz freigelegt, denn der kann sehr oft für die spätere Vorderseite bestimmend sein.
Dabei kann man allerdings nicht immer die schönste Seite des Wurzelansatzes als Vorderseite wählen, vielmehr muss man diese immer im Zusammenhang mit der Stammbewegung betrachten.

Beispiel: Ein bewegter Stamm, dessen Bewegung nach links oder rechts ausgeprägt ist, braucht einen Wurzelansatz, der den Baum in der Bewegung abstützt in der sich der Stamm neigt und nicht einen in allen Richtungen gleich verteilten Wurzelansatz, denn in der freien Natur bildet ein Baum dort Wurzeln, wo er sie braucht. Deshalb sollte man auch bei der Bonsaigestaltung auf einen formgerechten Wurzelansatz achten.

Das gleiche trifft auch bei einer gelehnten Form, oder aber auch bei einer Kaskade zu. Diese braucht eben eine ausgeprägte Haltewurzel, die den Baum vor dem Abrutschen bewahrt oder ihn stützt.

In den wenigsten Fällen wird man einen Rohling mit perfektem Wurzelansatz finden. Deshalb ist es für die spätere Gestaltung auch wichtig, dass der Wurzelansatzt zur Stammbewegung passt.

Der Stamm
Ist die Nabarianalyse abgeschlossen, so wird als nächstes die Stammbewegung im Hinblick auf die gestalterische Zukunft analysiert.
Im besten Fall stimmt das Nebari mit der Stammbewegung zusammen. Ist das Nabari von schlechter Qualität, so ist es wichtig, die Aufmerksamkeit auf den Stamm und die spätere Astverteilung zu legen. Dabei sollte die Stammdynamik eine wichtige Rolle für die spätere Gestaltung haben und kann in vielen Fällen vom schlechteren Nebari ablenken.

Die Äste
Bei einem Laubbaum kann man Äste, die man eventuell für eine Gestaltung brauchen würde, die aber leider nicht vorhanden sind, durch Ablaktieren ersetzen. Deshalb kann man auch eine Vorderseite wählen die keine optimale Astanordnung hat. Man kann auch alle zu starken Äste zurücksetzen die nicht zur Stammproportion passen. Das ist bei den meisten Laubbäumen möglich, da durch starken Rückschnitt häufig ein verstärktes Wachstum, auch aus dem Stamm- oder Altholzbereich erfolgt.
Ein Nadelbaum reagiert da schon ganz anders. Abgeschnittene Äste können durch neuen Austrieb meist nicht ersetzt werden. Deshalb ist die Einbeziehung der Äste und Festlegung der Astverteilung wesentlich wichtiger als beim Laubbaum.

Jin und Shari
Mit Jin- und Sharibereichen kann man Blickpunkte setzen, die von den negativen Bereichen des Baumes ablenken, oder man kann einer Stammbewegung mehr Dynamik genbt. Es ist aber wichtig solche Akzente mit Bedacht einzusetzen, denn ein Jin oder Shari auf der falschen Stelle kann genau das Gegenteil des Gewünschten bewirken.

Abschließend ist zu sagen, dass eine genaue Baumanalyse immer die Voraussetzung für eine Bonsaigestaltung sein sollte. Nur wenn man einen Bonsaikandidaten gründlich kennt, also sowohl seine positiven als auch seine negativen Seiten, wird die Gestaltung gelingen. Darum sollte man sich viel Zeit mit dem Studieren der Pflanze nehmen und erst dann mit der Arbeit beginnen, wenn man sich seiner Sache ganz sicher ist. Manchmal kann auch eine Skizze helfen, die Vorstellung zu unterstützen. Man sollte sich aber nicht absolut festlegen, denn es ist für die Gestaltung wichtig, die Gesundheit der Pflanze in den Vordergrund zu stellen.
Für eine künftig gute Bonsaigestaltung ist es von Bedeutung, dass man sich die Eigenheiten eines Baumes zu nutze macht und nicht gegen dessen natürliche Anlage gestaltet. Eine gegen die natürlichen Anlagen gerichtete Gestaltung wird immer unnatürlich aussehen. Man sollte sich den gestalteten Baum auch in seiner natürlichen Umgebung vorstellen können.
Herzliche Grüße aus Wien!
Ihr seit gerne eingeladen in meine http://www.bonsaiwerkstatt.at/
Karl Thier
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