Eine recht steife Perücke

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Heike_vG
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Re: Eine recht steife Perücke

Beitrag von Heike_vG »

Hallo Norbert,

eine ovale Schale könnte ja sehr stumpf-oval gemacht werden, so dass sie nur wenig länger ist als Deine jetzige runde Schale. Ähnlich eine rechteckige, die ja nur etwas länger als breit ausfallen bräuchte.
Der Baum mit seiner schmalen Höhe kann durchaus eine kleinere Schale haben, anstatt dass man sich an die üblichen Größenfaustregeln hält.
Auf Peters Virtualbildern sind die Schalen durchweg größer dargestellt als ich sie in natura gerne sehen würde.
Nach wie vor wäre ich für eine runde Form am wenigsten zu haben.

Liebe Grüße,

Heike
Ein halber Schritt in die richtige Richtung ist oftmals ein Reinfall...

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abardo
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Re: Eine recht steife Perücke

Beitrag von abardo »

Hi,

mein Favorit wäre von der Form her die 4te, aber mit der Glasur der 3ten :-D

Für mich öffnet sich der Doppelstamm nach oben, das spiegelt die Form der 3ten Schale dann sehr schön wieder.

Und die Glasur der 3ten passt in ihre rauhen Art sehr schön zur reifen Borcke, das gelbliche zeigt mir widerum immer noch, dass es ein Laubbaum ist und wird im Herbst zum roten Laub genial aussehen.

Kompliment: dass du in nur 4 Jahren diese Feinverzweigung aufgebaut hast. Hammer.
Konstruktive Kritik: das lange, gerade Zweigstück am Ende des Substammes, das gerade nach oben geht, nimmt, meiner Meinung nach, den darüber vom Stamm ausgehenden, kürzeren Ästen den Raum. Könnte meiner Meinung nach weg und durch die dortigen, ganz kurzen ersetzt werden. Kann aber "im Laub" auch passend aussehen ...
Grüße, Frank
___________
Ich will nur noch hupen !
hwolf
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Re: Eine recht steife Perücke

Beitrag von hwolf »

Hallo Norbert und Alle,

wow. Dass der Baum und deine hier gezeigten Leistungen nicht weiter zu komplimentiert werden brauchen, ist ja klar *daumen_new*

Soll die Größe von 1m auch weiterhin beibehalten werden oder hast du vor, die Krone noch runder und breiter wachsen zu lassen?
Mir persönlich ist bei solchen imposanten Vorhaben, die insgesamt ein stimmig-beeindruckendes Ganzes präsentieren, immer das angestrebte Verhältnis von Stamm zu Astwerk ein :?:
Falls die rechten Primäräste alle so Daumendick werden sollen, wenn auch nur rund 5 cm lang bis zur Verzweigung, kann ich den Absatz ästhetisch genießen. Falls alles außer der Stämme aber so fein bleiben sollte, finde ich die Gestaltung bei solchen Hammerteilen geradezu "grotesk" und durch ihren ästhetischen Bruch spannend, aber ich sehe keine klassisch "schönen/ Guten Bäume". Auf mich wirkt dein Baum wie ein Sumo, der ja auch etwas übertrieben wirkt...
Vielleicht kannst Du mir da zu Aufklärung verhelfen, welcher gestalterische Gedanke hinter dieser Art Vorhaben steht?

Meinen vollsten Respekt! *daumen_new*

LG

Heinrich
Sanne
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Re: Eine recht steife Perücke

Beitrag von Sanne »

Norbert_S hat geschrieben:...Allerdings muss für mich dieser Baum nicht zwangsläufig in eine ovale oder rechteckige Schale.
Aufgrund des optisch hohen Schwerpunktes der Gestaltung halte ich immer noch eine runde für passend...
Hallo Norbert,

die jetzige unglasierte runde Schale finde ich eigentlich sehr passend zu diesen Baum, vielleicht ein Tick größer. Merlin (Uwe) hat ja auch einen sehr schönen Perückenstrauch fast in der gleichen Schale stehen.

Wenn es aber wirklich eine ganz andere Schale sein soll, vielleicht würde Dein Perückenstrauch auch sehr gut in eine edle Schlangenhaut-Schale von Peter Krebs, sei es rund oder oval, passen? :-D

Gruß, Sanne
Was wären wir ohne den Trost der Bäume…
(Zitat von Gisela V.)
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peter krebs
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Re: Eine recht steife Perücke

Beitrag von peter krebs »

Hallo Ihr Lieben.

Das größte Problem ein Virtual zu betrachten ist die Vorstellungskraft.

Die hier gezeigten Schalen existieren in Wirklichkeit ja nicht, die Formen sollen nur einen Anhaltspunkt geben in welche Richtung es gehen soll.

Wenn man zum Beispiel sagt die Schalen sind zu plump und zu hoch, so muss man bedenken, dass eine unglasierte, dunkelbraune Schale optisch immer wuchtiger aussieht als z.B. eine hell glasierte Schale.

Wenn man den Baum ebenerdig oder vielleicht ein fingerbreit höher in die Schale einpflanzen möchte, dann braucht man eine höhere Form. Möchte man den Baum auf einem Hügel oder in einer Landschaft darstellen dann verwendet man eine flachere Schale.

Bei den eckigen Varianten dieser Art wird der Baum fast ebenerdig eingetopft. Die Höhe der eckigen Varianten also haben die richtige Höhe.
Gemessen am Stammdurchmesser direkt oberhalb der Wurzeln sind sie sogar noch flacher als die Regel besagt.

Bei der Trommelschale, wenn man sie genau betrachtet, sieht man, dass sie 4 Füße hat, normal hat eine runde Schale 3 Füße. Also kann es sich hierbei auch um eine stumpfovale Schale handeln.

Ich denke, Virtuale muss man in einer anderen Sichtweise betrachten. Es sind ja nur Anhaltspukte die man in Erwägung zieht. Ob der seitliche Rand oder die Oberlippe der Schale so oder so verläuft, ob flache oder hohe Schale, welche Glasurstruktur oder Farbe, das sind alles Dinge die man in einem Virtual nicht so ganz perfekt zeigen kann.

Herzliche Grüße
Peter
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Norbert_S
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Re: Eine recht steife Perücke

Beitrag von Norbert_S »

Die intensive gedankliche Beschäftigung mit dem Baum freut mich sehr.
Widersprüche und kritische Anmerkungen von eurer Seite sind das Salz in meiner Bonsaisuppe.

Heinrich, gerade deine Anmerkungen bringen meine gedankliche und dadurch gestalterische Unendschlossenheit sehr gut zum Ausdruck.

Normaler Weise ist mein Vorgehen in den ersten Jahren bei solchen kräftigen Rohlingen immer gleich, wie bei der kapitalen Birke beschrieben und gezeigt.
Bei der Perücke hatte ich ungewohnter Weise Bammel ebenso vorzugehen.
Solche Dinge hinterfrage ich nicht. Bonsai mache ich mehr aus dem Bauch als mit dem Kopf und solange ich eine Baumart nicht richtig kenne und meinen Pflegling im besonderen, kann ich warten, bis sich alles ordnet. Das Gefühl der Zeitverschwendung hat sich dabei bei mir noch nie eingestellt. Diesen Zeitabschnitt erlebe ich eher als sehr intensiv in der Auseinandersetzung mit dem Baum, eigentlich die schönste Zeit.

Die doch hoch ansetzenden ersten Äste bringen die wunderbare Borke zwar sehr schön zur Geltung, gestalterisch ist es aber schon eine Herauforderung damit noch eine ausbalancierte Gestaltung zu entwicklen. Auf Neuaustrieb aus dem Stamm braucht man nicht zu warten.
Fichtenartig hängende Äste sind normaler Weise nicht meine Zielvorstellungen bei Laubbäumen sondern viel lieber weit ausladendes kräftiges Astwerk.
Im Sommer vor dem ersten Rückschnitt wirkt die belaubte Krone schon riesig.
Aber dann wirken die Stämme schon fast zu ziehrlich. Oben die Krone, unten die Schale und zwei Stecken dazwischen.
Die ersten Äste müssen also tiefer schleppen und mehr Volumen entwicklen.
Opferäste werde ich wohl trotzdem im unteren Bereich nutzen müssen um die notwendige Verdickung der Astansätze zu ereichen.
Oben sind zu viele Äste, die Dickenverhältnisse erscheinen mir dort aber schon passend - also auslichten und bremsen in der Zukunft.

Sanne,
Den schlanken Gesamtaufbau möchte ich trotzdem möglichst erhalten.
Wenn das nicht gelingt, ist auch eine runde Schale nicht mehr richtig, dann wird sie eher wie die Nr1 von Peters Vorschlägen.
Bis dahin finde ich aber meine runde unglasierte auch sehr passend, weil eben nur die runde das überzeichnet schlanke der Gestaltung unterstreicht.

Baumart typisch hat es über die Jahre noch Rücktrocknungen gegeben. Der kleine Stamm hat ein shari dass sich oben auf dem Stamm fast vom Sockel dünn beginnend bis zur oberen Schnittstelle sich langsam verbreiternd hinzieht. Freigelegt ist es am gerade aufwärts strebenden Stammabschnitt noch nicht.
Auch am Hauptstamm haben sich die Schnittstellen im Spitzenbereich durch Rücktrocknungen verbunden.
Es wird auch Aufgabe beim Othmar sein diese Bereiche zu bearbeiten und in die Gestaltung zu integrieren.

Frank,
Von den beiden Ästen des Hauptbaumesverläuft einer hinter und der andere vor dem Kronenast des Substammes. Das der eingekürzt gehört ist unwidersprochen.
Norbert

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Tomsai 92
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Re: Eine recht steife Perücke

Beitrag von Tomsai 92 »

Hallo Norbert,

ein paar spontane Gedanken bewogen mich gestern Abend zu einer schnellen Kritzelei.
Unabhängig davon, dass mir die bisherige Gestaltung und Herangehensweise sehr gefällt und ich auch den Gedankengang zur runden Schale teile sowie eine runde Schale aufgrund der diversen Ansichtsseiten als Endlösung favorisiere, empfinde ich vor allem Peters gewählte Ansichtsseite (zumindest anhand der Bilder) als einen Schlüssel dem Baum die Steifigkeit zu nehmen. Mit dieser Ansicht opfert man zwar einen Teil Bewegung, die etwas breitere Basis und die Schnittstellenfreiheit, betont aber gerade dadurch die Standhaftigkeit, die Tiefenwirkung durch den nach hinten verschobenen „Tochterstamm“ und erzielt eine viel ruhigere Wirkung. Vor allem die stille Würde der reifen feinen Borke, die Grazie des Zweigwerks und die Beziehung der zwei Stämme rücken so aus meiner Sicht sehr vorteilhaft in den Vordergrund. Problematisch wird wahrscheinlich dann die nach hinten fliehende Spitze des Nebenstammes, oder? Auch der Verlauf der Saftbahnen und der Erhalt sämtlicher wichtiger Äste bleibt bis zur endgültigen Umsetzung wohl noch fraglich. Bei drei dicken Perückensträuchern (alles jedoch 'Royal Purple') die ich bisher in meiner Obhut hatte, haben sich diese beiden Punkte bis zuletzt als dauerhaft problematisch erwiesen. Trotz ausgleichendem Schnitts und voller Sonnenbestrahlung der betroffenen Äste scheinen Cotinus nur schwer sämtliche Äste zu akzeptieren. Ich hoffe bei der Wildform ist das etwas unproblematischer.
Anbei ein flüchtiger Versuch eine der vielen möglichen Entwicklungen darzustellen. In einer mit Peters vorletzten Beispielschale sehr ähnlichen hochwertigen Schale (64x52x12,5cm) steht derzeit mein großer Efeu der hier lediglich zum Vergleich im Hinblick auf die Schalenfrage gezeigt werden soll. Der Baum selbst steht nicht zur Diskussion, der ist noch ganz am Anfang und wird erst seit diesem Jahr bearbeitet. Die Proportionen auf dem letzten Bild müssten stimmen, der Efeu misst ebenfalls 100cm. Virtuell druntergeschoben kriege ich meinen Pot leider nicht. Bei Interesse an der Schale könnte ich diese im Tausch entbehren, ich besitze keinen Baum zu dem sie letztlich passen könnte. Die warme gelbbraune Farbe meiner Schale stelle ich mir unter der Perücke vor allem im Herbst und im Einklang mit dem kalten Grau der Rinde sehr passend vor.
Den dominierend mächtigen Stamm habe ich durch einen dicken Substamm/Ast auf der rechten Seite und mehrere Spitzen im oberen Drittel versucht zu entschärfen, so verteilt sich die optische Linie des einen Stammes auf mehrere aufwärts strebende und lenkt von den unabänderlich geraden Stammteilen ab, ohne eine viel voluminösere Krone nötig zu machen. Die nach außen geschwungene Linie der Schale unterstreicht diesen Effekt. Dem zweiten Stamm habe ich einen unkreativ klassisch, aber die Bewegungsrichtung und die Bedeutung des „Kindstammes“ betonenden Hauptast angemalt. Dürfte aber möglicherweise durch die nidrige und hängende Position gärtnerisch schwierig werden den Ast derart dominant wachsen zu lassen.

Blablabla, die Gedanken gehen langsam mit mir durch... Eine inspirierende Gestaltung jedenfalls! Danke Norbert!

Schöne Grüße
Tom
Dateianhänge
CotinusNorbertTomsaiVirtual.jpg
64x52x12,5cm
64x52x12,5cm
CotinusNorbertTomsaiVergleich.jpg
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Norbert_S
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Re: Eine recht steife Perücke

Beitrag von Norbert_S »

Hallo Tom
Danke für dein Statement.
Die Überlegungen und vor allem deine skizzierte Weiterentwicklungsmöglichkeit deckt sich weitgehend mit meinen Vorstellungen.
Den ersten rechten Ast würde ich gerne, wie schon beschrieben, etwas schleppend verstärken, aber der Baum möchte das weniger - wir werden sehen.
In der Spitze müssen die drei Äste noch ausgegichener mit leichter Dominanz des vorderen entwicklet werden
Auch wenn die grüne Perücke nicht ganz so empfindich wie die rote ist, hat sie schon ihren eigenen Willen.

Den Baum habe ich die letzten Jahre schon in der gewählten Ansichtseite entwickelt. Ich mag es weniger, wenn Doppelstämme von der platten Ansichtseite entwickelt werden.
Wenn das shari vom Substamm freigelegt ist, wird das ein interessantes Detail werden und die Betrachtungsgeschwindigkeit schön senken.
Sollte es mir gelingen, die unteren und mittleren Äste in einer angemessenen Stärke zu entwicklen, dann wäre eine Schale wie deine evtl. ein Option.
Du wohnst doch nicht weit weg, ein Besuch nächsten Sommer in meinem Garten wäre eine große Freude für mich

Allen noch einmal meinen Dank für die schöne konstruktive Beteiligung
Norbert

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Re: Eine recht steife Perücke

Beitrag von Tomsai 92 »

Norbert_S hat geschrieben:Du wohnst doch nicht weit weg, ein Besuch nächsten Sommer in meinem Garten wäre eine große Freude für mich
Für mich umso mehr, das Angebot nehme ich gerne an! Die 400km sind ja gleich um die Ecke ;) ...und lassen sich gut mit einem ohnehin regelmäßig fälligen Verwandtschaftsbesuch verbinden.
Schöne Grüße
Tom
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Norbert_S
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Re: Eine recht steife Perücke

Beitrag von Norbert_S »

Sorry, Tom, ich hatte dich noch in der Marzipanstadt vermutet.
Aber wer lesen kann, ist klar im Vorteil.
Die Einladung gilt natürlich trotzdem.
Norbert

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Re: Eine recht steife Perücke

Beitrag von hwolf »

Lieber Norbert,

Deine Antwort auf meine Frage nach deinen gestalterischen Absichten lässt mich nicht in Ruhe. Gestatte mir daher bitte ein weiteres Nachhaken: Deine Bescheidenheit und Demut in allen Ehren (danach strebe auch ich), aber mit einem Verweis auf die eigene Unentschlossenheit lasse ich Dich nicht davon kommen ;-)
Für mich bist Du einer der fähigsten Gestalter hier. Was Du machst hat meiner Auffassung nach stets Hand und Fuß und mit der gewohnten Zuversicht präsentierst Du voller berechtigtem Stolz diesen Baum. Ich bin fast sicher du hast Dir etwas bei seiner Gestaltung gedacht. Und auch Du wirst eine sinnliche Erfahrung mit ihm verbinden. Welcher Art diese ist, würde ich gern wissen.
Was den von mir kurz angedachten Weg zu einem klassisch schönen Baum angeht: Ich zähle rechts außen sieben Äste. Wenn Du auf vier oder fünf reduzieren würdest, was sich durch die Positionen ohnehin auf dem Bild anzubieten scheint, könntest Du die verbliebenen Äste noch deutlich verdicken. So könnte man bei ähnlicher Silhouette einen harmonischen Übergang gestalten.

Was denkst Du dazu?


Lieben Gruß
Heinrich
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Norbert_S
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Re: Eine recht steife Perücke

Beitrag von Norbert_S »

Heinrich,
danke für dein nachbohren!!
Ich schreibe es immer wieder, aber leider finden zu selten nachfragen und dadurch angeregte Diskussionen statt.

Gerade habe ich meinen 1. Post noch etwas geändert. Dort hatte ich in der letzten Bildsequenz einen Doppler. Den habe ich aufgelöst und eine Ansicht der Rückseite eingefügt.
Jetzt solltest du die Astverteilung auf den Stämmen besser sehen und beurteilen können.
Was auf den neueren Bildern wie bis zu 7 Äste auf der rechten Seite aussieht, sind z.T. eben auch Äste, die für die Tiefe also die Rückseite zuständig sind.
Trotzdem hast du mit der generellen Aussage der zuvielen Äste erst einmal recht.
Oben muss ausgelichtet werden, das ist völlig unwidersprochen!
Auch unten rechts entspringen 3 Äste dicht beieinander liegend. Davon ist der dünnste derjenige, den ich am weitesten nach unten ziehen konnte.
Die beiden anderen sind so unterschiedlich gestaltet, dass sie einander zumindest jetzt noch nicht ersetzen können. Da muss wohl eine Entscheidung her.
Ich bin erfahren genug damit zu warten bis ich mit Othmar Auer dieses Problem im November 2016 ausgiebig erörtet habe.

Nun zum Thema gestalterischer Unentschlossenheit .
Das ist bei mir Programm in solchen Fällen wie diesen.
Schau dir bitte im 1. Post das letzte Bild sehr genau an. Du wirst zwischen der unteren Schnittstelle mit den ersten Astansätzen und der großen Schnittstelle sehr deutlich mittig im Stamm die Saftbahn hervortreten sehen. Die linke Stammhälfte wird also ungleich kräftiger versorgt als der rechte obwohl auch in diesem Bereich Äste vorhanden sind. Dieses Ungleichgewicht ist auch erst Ende 2012 so eindeutig sichtbar geworden. Dieser schwache Bereich zeigt sich auf den neuesten Bildern und auf der
2. Detailaufnahme leicht bemoost.

Das überleben des Baumes hat 1. Priorität.
Die war 2012 erreicht.

Wuchskraftausgleich ist das zweite Ziel, nach erreichen wird der Erhalt dieses Ausgleichs Daueraufgabe.
Diesen Ausgleich habe ich weder am Hauptstamm noch am Substamm erreicht. Auch dieser zeigt in dem eingetrockneten Stammteil leichten Moosanflug.
Die unteren drei rechten Äste am Hauptstamm habe ich benötigt um ein weiteres Rücktrocknen unterhalb der Schnittstelle zu verhindern. Dafür habe ich auch diese Ballung der Äste in Kauf genommen. Auch im gesamten Stammbereich habe ich noch nicht einen Ast abgeschnitten, zwei sind eingetrocknet.
Ich hatte mir durch die starke Wuchskraft im Spitzenbereich auch eine gesundende Auswirkung auf den schwachen Bereich erhofft. Aber ganz offensichtlich ist die obere Schnittstelle zu groß und der Verlauf der Leitbahnen bei den Perücken zu gerade um diese Wirkung zu erzielen.
Beim Schwammgewebe des Euonymus ist ein solches Vorgehen unproblematisch.
Jede Baumart verlangt seine eigenen Maßnahmen. Das ganze nennt sich dann lernen!
Trenne ich mich vom schwachen Bereich habe ich Wuchskraftausgleich hergestellt aber eine schöne Astverteilung verloren.
Ich schummel mich bis Nov.2016 weiter durch.
So, Heinrich, also nur Bauch war wirklich nicht, aber unser Bauch wird auch über unsere Erfahrungen trainiert und umgekehrt. Und wer seine rechte und linke Hirnhälfte immer schön durchlässig hält, der darf auch auf den Bauch hören. Dann sieht die Verteilung etwas anders aus rechtes, linkes und unteres Drittel.

Dann bin ich dir jetzt noch die Antwort auf die sinnliche Erfahrung mit dem Baum schuldig.
Norbert

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Re: Eine recht steife Perücke

Beitrag von hwolf »

Lieber Norbert,

danke für deine erhellenden Ausführungen!
Du sprichst Dinge an, die ich in meiner verteiften Betrachtung der Gestaltung gar nicht mehr auf dem Schirm hatte. Gestaltung ist, lerne ich gerade durch Dich eindringlich, nicht nur eine ästhetische Kategorie, sondern eigentlich mehr so etwas wie ein mit dem Baum gemeinsam geführter Dialog darüber, was im Spannungsfeld von Ausgangsvoraussetzungen, Baumgesundheit, Zeit, Ästhetik und den Begrenzungen der Möglichkeiten erreichbar und nötig ist. (Danke für die Erleuchtung)

Auch bin ich natürlich auf die Zweidimensionalität des Bildes reingefallen. Danke für das neue Bild von hinten und deine Erklärungen dazu *daumen_new*
Diese zusammen mit dem, was du über die spezifische Gesundheit und das Wuchsverhaltes dieses einen Baumes gesagt hast, schafft in meinem Kopt eine weitere Klarheit: Bonsaigestaltung ist immmer ein individueller Prozess. Jeder Baum ist anders - man kann nicht einfach verallgemeinerte Ansprüche wie eine Schablone unreflektiert (also unbezogen auf den jeweiligen Kandidaten) auf den Baum aufdrücken, auch wenn sie vielleicht prinzipiell richtig wären. Das klingt jetzt zwar irgendwie nach Binsenweisheit, ist aber für mich ein wichtiges Zeichen, wenn man bedenkt, dass in der Diskussion über Bonsai immer wieder verallgemeinert und vereinfacht wird, um möglichst binäre Zusammenhänge zu schaffen (nach dem Motto: Schneidet man einen Baum hier und hier, wird zwei Monate später genau das und das passieren). Also immer auf der Hut sein und fragen: Was gilt allgemein und was ist Einzelbetrachtung?

Ein letzter Gedanke: Toll wie Du hier beschreibst, dass ein rationaler Plan gar nicht immer notwendig ist, wenn das allgemeine Bauchgefühl einem erfahrenen Kopf entspringt. Das ist eine wertvolle Information für mich, denn ich betrachte Bonsai nicht nur als das Entwickeln von Bäumen, sondern auch sich selbst.

Ich bin gespannt, wie es mit der Perücke weitergeht und freue mich auf den sicherlich gewaltigen Eindruck, den das gute Stück auf mich in Natura machen wird!

Lieben Gruß
Heinrich
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Norbert_S
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Re: Eine recht steife Perücke

Beitrag von Norbert_S »

Hallo Heinrich

Deine Überegungen halte ich für richtig
Ich denke, dass einige Parallelen zur Trainigslehre bestehen.
Nicht nur die einzelne Trainingssequenz ist für den Fortschritt verantwortlich sondern auch die Zeit zwischen den Sequenzen in denen der gesetzte Trainigsreiz in Anpassung umgesetzt wird.
Auf Bonsai bezogen heißt das dann nichts anderes, als dass die Zeit z.B. nach dem abspannen eines Astes (der Trainigsreiz) dem Baum (und dem Pfleger) die Möglichkeit gibt auf das geschehene zu reagieren.
Da gibt es Anpassungsreaktionen die immer bei allen Bäumen, auch bei allen Bäumen einer Art, aber eben auch soche, die nur bei ganz bestimten Einzelexemplaren so stattfinden.
Ohne genaue Kenntnis der Art und der spezifischen Eigenart ist es demnach schwierig bis unmöglich einen Erfolg zu erzielen und ein gutes Maß an Sebstreflexion schadet nicht nur bei Bonsai nicht.
Norbert

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Re: Eine recht steife Perücke

Beitrag von Gazelle »

Hallo Norbert,
gibt's schon wieder etwas Neues von der Perücke zu sehen?
LG, Stephan
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