Mein Schlangenhautahorn

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Mirjam
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Re: Mein Schlangenhautahorn

Beitrag von Mirjam »

Oioioi, habt ihr ein gutes Auge, schon am Stamm erkennen zu können, wie es dem Baum geht 👍. Hmmm, da ich ja immerzu was lernen möcht, klärt mich doch bitte mal auf.
Meine Gedankengänge: ok, Staub aus dem Substrat hat sich flächig unten verdichtet und klar, damit kann kein Wasser zügig ablaufen. Daraus folgt ein Wurzelschaden. Aber sehen die übrigen Wurzeln insgesamt sooo schlecht aus, als dass sich der Baum nicht schnell erholen könnte? Da sind doch einige helle Wurzeln. Insgesamt sehe ich auch, dass der gesamte Ballen sehr dicht ist.
Liebe Grüße
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Erwin
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Re: Mein Schlangenhautahorn

Beitrag von Erwin »

Staub aus dem Substrat ist das nicht, Mirjam,

das sieht man an der Mitte, wo die feine Schicht aufgerissen ist. Diese Schicht bestand aus dünnen vergammelten Wurzeln. Auch die rundherum sichtbaren Wurzeln waren nicht mehr wirklich lebendig. Die üblichen weißen Wurzeln, die bei Norberts Dreispitz so schön die Schale ausgefüllt haben, gab es hier nicht. Und überhaupt keine frischen weißen Wurzelspitzen. Was noch lebendig ist, sind dicke Wurzeln von etwa 3 mm Durchmesser, alles andere war tot. Und ich habe den Wurzelballen ausgespült, da war auch nichts versteckt.

Ich glaube tatsächlich, dass Norberts Vermutung, dass der Baum bereits 2019 bzw. 2020 zuviel Hitze abgekriegt hat, zutrifft. Vielleicht ist er da einmal richtig trocken geworden und die Wurzeln sind abgestorben. Seitdem lebt der Baum vermutlich fast nur von den Reserven.
Ende Oktober 2020.JPG
Ende Oktober 2020.JPG (193.67 KiB) 312 mal betrachtet
Auf diesem Bild zeigt sich bereits die Braunfärbung im unteren Bereich.

Im Frühjahr hatte sich der Baum offenbar etwas erholt, der untere Stammteil war wieder grün und der Baum hat toll geblüht.
Endee April 2021.JPG
Endee April 2021.JPG (207.75 KiB) 312 mal betrachtet
Und nach dem Blattschnitt und Neuaustrieb muss es ihn ein weiteres Mal erwischt haben....oder der Neuaustrieb ging ihm so sehr an die Substanz, dass er das nicht verkraftet hat. Im nächsten Jahr, wenn er dann noch lebt, lasse ich ihn frei wachsen, damit er sich wieder erholen kann.

Da Laub sieht immerhin noch gesund aus, das macht mir Hoffnung.

Erwin
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Norbert_S
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Re: Mein Schlangenhautahorn

Beitrag von Norbert_S »

Die Hoffnung darfst du auch haben, Erwin.

Jetzt steht der Baum wieder in der Schale und braucht nichts als Ruhe.

Eine einfache Holzkiste aus Rauhspundbrettern ist bei geschwächten Bäumen das Beste, was man ihnen bieten kann. Durch die relativ offenen Strukturen des billigen Holzes kann rundherum Luft eindringen, bei Hitze Wasser verdunsten und so für ein optimales Wachstums- und Heilungsklima für die Wurzeln sorgen.
Wer einmal nach einer oder zwei kompletten Wachstumsperioden versucht hat, den Baum aus der Kiste zu lösen, weiß, wie gesundes Wurzelwachstum aussieht und wie sehr die Wurzeln am Holz haften können.
Norbert

So wie du bist, so sind auch deine Gebäude
Sullivan, 1924
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abardo
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Re: Mein Schlangenhautahorn

Beitrag von abardo »

Hi Erwin,

an deinem Baum sieht man m.M.n. ganz gut, wie schwer kleine Problemchen oft zu sehen sind und sich dann zu einem deutlicheren Schadbild aufbauen können.

- durch den regelmässigen Blattschnitt zeigt der Baum manchmal explosionsartiges Wurzelwachstum, die Schale wird fast schlagartig gefüllt. Für den Rest des Jahres ist dann aber der Wurzeldruck für einen Ahorn zu hoch und die Wurzelspitzen am Rand leben ohne Substrat
- Ahorne haben es insbesondere in den letzten Jahren bei hohen Temperaturn schwer, wachsen dann wochenlang gar nicht oder haben in flachen Schalen Probleme mit Trockenheit
- die Schale ist nicht besonders hoch, daher fehlt die Drainage. Unter dem Wurzelhals bleibt der Baum zu feucht. Der gelb/braune Bereich am Stamm zeigt für mich gerade keine Trockenheit, sondern Wurzelfäule oder sogar einen Pilz an

Wie Norbert schon angeregt hat, wäre momentan eine Kiste gut, oder eine deutlich grössere und höhere Schale. Die jetzige Schale hat eher Ausstellungsmaße. Ich würde wie folgt vorgehen:

- der Baum bekommt die nächsten 2-3 Jahre keinen Blattschnitt mehr. Stattdessen werden dem Baum alle aus der Silhouette rauswachsenden Langtriebe immer schnellst möglich auf 1-2 Internodien gekürzt. Dabei werden zwar immer nur ein paar Triebe gekürzt, das dann aber etwa 5x pro Jahr (von der Art her wie ein Heckenscheerenschnitt, nur eben gezielt). Das Wachstum reduziert sich, die Blattmasse bleibt ähnlich. Wurzelballen und Blattmasse können sich wieder ausbalancieren
- es wechseln sich dann auch nicht die Phasen mit starkem Wurzelwachstum und gar keinem Wachstum ab. Ergibt auch wieder weniger Stress für den Baum
- im oberen Bereich werden einige Zweige komplett ausgeschnitten, um wieder Licht nach innen und unten zu bekommen. Es kommt zur Rückknospung, zu kleineren, inneren Blättern und somit auch zu gleichmässigerem Wachstum. Das trägt auch wieder zu einem guten Verhältniss von Laubmasse und Wurzelballen bei
- es wird eine deutlich breitere Schale gewählt, damit die Wurzelspitzen im Substrat wachsen können und sich nicht nur umeinanderschlingen
- es wird eine deutlich höhere Schale gewählt, damit auch Drainage Platz hat. Am Rand würde ich irgendetwas Grobkörniges nehmen, dass auch Wasser aufnimmt und abgibt. Unterm Wurzelhals würde ich etwas nehmen, daß kein Wasser aufnimmt, z.B. Basaltsplit

Zusätzlich würde ich den Baum sofort mit Alitis (früher Aliette) behandeln und in zwei Wochen ein Pilzmittel geben.

Von dem gelb/braunen Stammbereich würde ich gerne mehrere Detailfotos sehen, ich vermute dort Risse in der Rinde erkennen zu können.
Zuletzt geändert von abardo am 02.09.2021, 17:03, insgesamt 1-mal geändert.
Grüße, Frank
___________
Ich will nur noch hupen !
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Mirjam
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Re: Mein Schlangenhautahorn

Beitrag von Mirjam »

Hallo Erwin,
vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Ich hab sowas halt noch nie in Natura gesehen. Jetzt drück ich mit euch die Daumen, dass sich das Hörnchen wieder erholt und man das auch baldigst sieht (wird aber wohl erst nächstes Jahr sein?). Wäre echt schade, wenn der Ahorn das Zeitliche segnen würde.
Auch Norbert und Frank ein Danke für die Einblicke.
Lieben Gruß, Mirjam
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