Frau Birke - wie weiterentwickeln?

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El Grindo
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Re: Frau Birke - wie weiterentwickeln?

Beitrag von El Grindo »

Was soll ich jetzt tun? :?:

Folgende Möglichkeiten fallen mir ein:

1.) Die Indianer-Regel befolgen: Wenn Dein Pferd stirbt, hol Dir ein neues!
2.) Den Baum vorserst weiter pflegen mit der Wahrscheinlichkeit, dass er in mehreren Jahren trotzdem eingeht.

Bitte um Abstimmung in der Bonsai-Forum-Gemeinde.
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Anja M.
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Re: Frau Birke - wie weiterentwickeln?

Beitrag von Anja M. »

Das ist sicher erst mal frustrierend. Jin-Mittel drauf, weiterpflegen und den Kallus abwarten. Wenn in 2-3 Jahren frisch draufgeblickt wird, kommt die Versöhnung, so meine Erfahrung mit meiner Erle.
73 Anja
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ChSchulz
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Re: Frau Birke - wie weiterentwickeln?

Beitrag von ChSchulz »

Hallo Daniel,
so ist das leider. Wenn Teile des Stamms faulen, liegt das oft an den Wurzeln oder an den Trieben die oberhalb gekappt wurden. Möglichweise war ein Pilz schon länger im Stamm und konnte sich über den Winter ausbreiten.

...was tun? Ich vermute mal, du bist noch Anfänger. Nicht aufgeben! Ich würde folgendes machen: Alle toten Teile der Rinde vorsichtig entfernen. Dann das morsche und weiche Holz restlos (!) entfernen. Das noch lebende Kambium (da wo die Rinde wieder grün wird!) mit einem scharfen (Teppich)Messer anschneiden und mit Wundpaste abdecken. Das Anschneiden fördert die Bildung von Wundkallus.

Sehr wahrscheinlich wird der Stamm dann über die Jahre weiter faulen und irgendwann hast du einen hohlen Stamm, den du dann als neues Gestaltungselement nutzen kannst. Wird dann vielleicht ein 'Herr Birke' oder so...
MFG Christian
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migo
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Re: Frau Birke - wie weiterentwickeln?

Beitrag von migo »

ChSchulz hat geschrieben: 03.07.2017, 00:02...Alle toten Teile der Rinde vorsichtig entfernen. Dann das morsche und weiche Holz restlos (!) entfernen. X Das noch lebende Kambium (da wo die Rinde wieder grün wird!) mit einem scharfen (Teppich)Messer anschneiden und mit Wundpaste abdecken.
Würde ich auch so versuchen. *daumen_new*
XAn dieser Stelle das Jinmittel auftragen und ein paar Tage abwarten bis es weitergeht.
Tschüüss, Michael

Schützt unsere Wälder, eßt mehr Biber!
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Andreas Ludwig
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Re: Frau Birke - wie weiterentwickeln?

Beitrag von Andreas Ludwig »

Auf dem letzten Bild ist rechts am oberen Ende der kahlen Stelle ein «Astloch».
Kann man die «Wolle», die man drin sieht mit den Fingern rausklauben?
Lässt sie sich zu einem bräunlichen Puder verreiben?
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(Thoreau)
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Andreas Ludwig
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Re: Frau Birke - wie weiterentwickeln?

Beitrag von Andreas Ludwig »

El Grindo – vielleicht wirkte meine Frage skurril, ironisch der schlicht unverständlich. Gerne gebe ich dir den Zusammenhang:

Im klaren Wissen, wie problematisch Diagnosen aus Distanz sind, sehe ich kaum eine andere Möglichkeit bei deiner Birke als Pilzbefall. Die Hinweise dazu sind die absterbende Rinde, die flächige Entwicklung und eben auch die Verfärbungen. Möglichkeiten gibt es einige – und eben auch einige «Verfälschungen» des Bildes. Zum Beispiel ist das Auftreten von Insektenlarven und eine Schwarzfärbung unter der toten Rinde nur eine Folge des Pilzes, hat aber direkt nichts damit zu tun. Birken pumpen viel Flüssigkeit herum, darin ist viel gelöster Zucker, das zieht Bakterien und/oder weitere Pilze an, die den Sabber schwarz werden lassen. Die Insekten erkennen das das wohlfeilen Mittagstisch und legen Eier darauf.

Auf dem «Gesamt-Schadbild» erkennt man deutlich, dass die bereits abgestorbene Rinde noch weiter nach oben geht, als du bisher ausgeschnitten hast, bis hoch zum ersten Ast nämlich. Man erkennt es an der leicht grünlichen, platteren, strafferen Rinde. Darunter sitzt der Pilz. Ich tippe auf den Birkenporling (Piptoporus betulinus). Der heisst so, weil er ausschließlich Birken (Betula) befällt, darum ist der «der Birkige» (betulinus).

Das meine ich, weil es aufgrund einiger Beobachtungen an Bonsai und in natürlichen Birkenhainen auf mich sehr plausibel wirkt. Es kann aber auch der Hallimasch oder sonst einer der vielen Pilze sein, die Weissfäule oder Braunfäule auslösen. Das eine ist die Zersetzung des braunen Lignins, dann bleiben weisse Zellulose-Fasern übrig. Das andere ist die Zersetzung der Zellulose, dann bleiben braune Lignin-Klötzchen übrig. Findest du alles im Internet. Der Unterschied ist, dass Braunfäule beim Zerreiben hellbraunes Puder ergibt, Weissfäule dagegen weisse Fasern. Glücklich machen beide Erkenntnisse nicht, der Prozess ist umumkehrbar.

Im Internet wirst du unter «Birkenporling» Bilder von halbschalig geformten Pilzen sehen, die am Stamm ansitzen und dich fragen, wie ich jetzt darauf komme, das habe etwas mit deiner Birke zu tun. Nun, das sind nur die Fruchtkörper des Pilzes, eben nicht der Pilz selbst. Der besteht aus dem Myzel, das (für dich so gut wie unsichtbar) zwischen Rinde und Holz wächst und mit der Zeit das Holz zerlegt. Fruchtkörper entwickeln sich erst, wenn der Pilz eine gewisse Dimension und Reife erreicht hat.

Die Perspektive ist nicht gut. Weder mit Jin-Mittel noch mit Abschaben des Kallus kannst du verhindern, dass das Myzel unter der gesunden Rinde weiter wächst. Das ist so ein typisches Birken-Problem: Die haben eigentlich gar keine Borke (ausser, sie sind recht alt und auch dann bloss am Stammfuss), sondern eine «Verkleidung» aus Korkschichten, wie Papier, das um den Stamm gerollt ist. Das macht sie deutlich anfällig auf Pilze, die über Anschnitte (davon hast du ja einige) oder auch bloss die Lentizellen eintreten. Dann ist das Myzel da und wächst. Langfristig ist die Frage dann nur noch, ob du oder der Pilz den Baum tötest, denn den Pilz ohne den Baum zu töten, wird dir nicht gelingen. Das ist keine Verletzung, die irgendwann abgeschottet wird, es ist kein Insektenbefall und kein Frostschaden, es ist ein Myzel im Baum.

Woher das kommt, musst du dich nicht fragen. Es hat nichts mit Haltungsfehlern zu tun. Diese Pilze vermehren sich über Sporen und wenn roter Staub aus der Sahara es auf unsere Autos schafft, schaffen es Pilzsporen entlegener Birkenwälder allemal auch. Es ist bloss Pech. Birkenpech, sozusagen.

(Es sei denn, ich irre mich... Diagnosen aus der Distanz sind, wie erwähnt, etwas problematisch. Aber einen Fünfer wette ich durchaus).
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El Grindo
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Re: Frau Birke - wie weiterentwickeln?

Beitrag von El Grindo »

Hallo Andreas, und an alle anderen, die mir geschrieben haben. Danke für die Vorschläge, Infos und Ratschläge.

Dein Beitrag, lieber Andreas ist toll. Ich hatte ebenfalls nochmal nachgeforscht und einen Pilzbefall für wahrscheinlich diagnostiziert. Dass die Insekten dafür verwantwortlich sind, war eine Fehlannahme. Das Holz läßt sich nicht zerbröseln, aber man kann ganz einfach helle Fasern aus dem Holz "ziehen".
OK - so ist die Natur eben. Und ich werde die Birke der Natur überlassen. Vielleicht darf sie die letzten Tage, Wochen, Monate ihres Daseins in Freiheit genießen. Jegliche weitere Arbeit daran macht keinen Sinn.

Good Bye, liebe Birke, good bye. :cry:
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