Saikei ? 1. Versuch

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HeikeV
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Saikei ? 1. Versuch

Beitrag von HeikeV »

Das Thema Saikei hat gerade mein Interesse geweckt, obwohl ich zugeben muss, dass ich noch reichlich wenig drüber weiß. Die Suchfunktion hier ergab auch nur einen sehr kurzen Thread. Wikipedia half nur ein wenig. Auch egal, learning by doing macht eh mehr Spaß.

Heute morgen habe ich dann mal geschaut, was ich so zur Verfügung habe. Ein Stein, den wir im Wald gefunden haben, lag seit 2 Jahren am Schuppen, im Beet stand seit 3 Jahren ein kleiner Buchs aus dem Abverkauf für € 0,59, Moos, Keto und kleine Pflanzen hatte ich auch noch. Was mir allerdings wirklich fehlte war ein vernünftiger Meißel. Die Schlagbohrmaschine war bei dem Gestein auch wenig effektiv, aber die Nachbarn waren bestimmt pünktlich zum Mittag wach. 8)
..die weitere Bearbeitung habe ich aufgegeben
..die weitere Bearbeitung habe ich aufgegeben

....Höhle im Stein
....Höhle im Stein


Und so sieht das Ganze nach ein paar Stunden Spaß aus:
...
...


Zwergkalmus, Zwerg-Frauenmantel, Hosta, Buchs und jede Menge Moos.

In der Mulde des Felsens steht ein kleiner See.
Bepflanzt von links kein.jpg


So, ist das nun ein Saikei oder habe ich einfach nur einen Felsen bepflanzt ? Die Wurzeln der Bepflanzung und der Felsen liegen definitiv über der Schalenkante ( könnte etwas größer sein, aber ich habe gerade nichts da). Aber reicht das schon ?

Ich erhoffe mir von euch ein wenig Aufklärung zum Thema. Im Oktober möchte ich nämlich ein richtiges Saikei gestalten. Bis dahin wäre ich gern besser bewandert.

LG
Heike
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abardo
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Re: Saikei ? 1. Versuch

Beitrag von abardo »

Hi,
für mich spielt da als wichtigstes die "Geschichte" mit rein. Also: was ist das für ein Stein ? Wo kommt der her und was wächst dort ? Was stellt er dar ? Woran erinnert er dich ?
Und dann natürlich Symetrie, Gleichgewicht und Schwerpunkt.
Grüße, Frank
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Gatze
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Re: Saikei ? 1. Versuch

Beitrag von Gatze »

Hi!

Ich weiß nicht wirklich was über das Thema Saikei, aber mir gefällts :-D
Nur den Buchs empfinde ich als etwas zu hoch.

Grüße Magda
Grüße Magda

Geduld ist die Kunst nur langsam wütend zu werden.
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HeikeV
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Re: Saikei ? 1. Versuch

Beitrag von HeikeV »

Hallo Magda,
Gatze hat geschrieben: Nur den Buchs empfinde ich als etwas zu hoch.
damit hast du vollkommen recht ! :)

LG
Heike
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Andreas Ludwig
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Re: Saikei ? 1. Versuch

Beitrag von Andreas Ludwig »

Ich kann zum Thema Saikei vorerst nur soviel sagen: Geht spazieren. Weit weg. Ich kenne Deutschland wenig, für mich ist es primär der Schweizer Jura, besonders der westliche, dann der Alpen-Nordfuss, auch die Seen-Landschaft. Da komme ich her, da hole ich meine Vorstellungen. Mein (mir fast schon mühselig) bekanntes Moor geht ganz einfach auf den Etang de la Gruére zurück, ein Moorsee in der Schweiz. Man findet mich da oft.

z.B. hier: http://wanderrouten.ch/le%20roselet.htm

Wozu erfinden, was da ist? Ich bin mir sehr, sehr sicher, dass es in Deutschland wunderbare Landschaften gibt, die man reduziert, abstrahiert, modelliert wiedergeben könnte.
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Andreas Ludwig
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Re: Saikei ? 1. Versuch

Beitrag von Andreas Ludwig »

2. Antwort:

Heike – du stehst in einer wunderschönen Landschaft, betrachtest sie, bis du sie verstanden hast. Du streckst die Hand aus und packst alles mir ihr, in sie, was diese Landschaft ausmacht. Eine Handvoll Landschaft. Ich denke, das sei Saikei.
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HeikeV
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Re: Saikei ? 1. Versuch

Beitrag von HeikeV »

Hallo Andreas,
Andreas Ludwig hat geschrieben:

Heike – du stehst in einer wunderschönen Landschaft, betrachtest sie, bis du sie verstanden hast. Du streckst die Hand aus und packst alles mir ihr, in sie, was diese Landschaft ausmacht. Eine Handvoll Landschaft. Ich denke, das sei Saikei.


wenn ich diese Kriterien zu Grunde lege, dann ist es ein Saikei. Der brennende See in Bumthang, Bhutan. Etwas schwierig zu erreichen, denn im Himalaya hat man ein anderes Verständnis von Wanderwegen als bei uns. Gebetsfahnen, Manisteine und Butterlampen überlasse ich dann mal der Erinnerung.

LG
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Andreas Ludwig
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Re: Saikei ? 1. Versuch

Beitrag von Andreas Ludwig »

Ehm... nicht allzu konkret. Sonst ist es eine Modelleisenbahnlandschaft. Interessanterweise zählst du auch das auf, was menschen in die Landschaft stecken. Macht sie das aus?

Ich nehme als Vergleich jetzt mal Ludwig Kirchner. Man erkennt auf seinen Bildern deutlich die alpine Landschaft des Graubündens, aber natürlich ist die nicht rosa. Er hat die wichtigen Aspekte abstrahiert, aber im Kirchner-Stil. Etwa so meinte ich es.
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HeikeV
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Re: Saikei ? 1. Versuch

Beitrag von HeikeV »

Andreas Ludwig hat geschrieben:Ehm... nicht allzu konkret. Sonst ist es eine Modelleisenbahnlandschaft. Interessanterweise zählst du auch das auf, was menschen in die Landschaft stecken. Macht sie das aus?


Nein, natürlich nicht zu konkret, dann wären wir ja beim Penjing, oder ? Da wird mir die Phantasie immer zu sehr vom Gegenständlichen ( Häuser, Brücken etc. ) gestoppt. Saikei ist nach meinem Bauchgefühl immer eher die Landschaft in der mein inneres Auge z.B. die Elfen tanzen sieht. Stelle ich da eine Elfen-Figur rein, tanzt sie nicht mehr.
Ich nehme als Vergleich jetzt mal Ludwig Kirchner. Man erkennt auf seinen Bildern deutlich die alpine Landschaft des Graubündens, aber natürlich ist die nicht rosa. Er hat die wichtigen Aspekte abstrahiert, aber im Kirchner-Stil. Etwa so meinte ich es.


Verstanden. Ich war im Museum in Davos und bin nicht mit leeren Händen zurück gekehrt. :)
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Andreas Ludwig
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Re: Saikei ? 1. Versuch

Beitrag von Andreas Ludwig »

HeikeV hat geschrieben:Nein, natürlich nicht zu konkret, dann wären wir ja beim Penjing, oder ? Da wird mir die Phantasie immer zu sehr vom Gegenständlichen ( Häuser, Brücken etc. ) gestoppt. Saikei ist nach meinem Bauchgefühl immer eher die Landschaft in der mein inneres Auge z.B. die Elfen tanzen sieht. Stelle ich da eine Elfen-Figur rein, tanzt sie nicht mehr.
Kleine Beistellfigürchen, Brücken, Fischerboote und dergleichen mehr sind keineswegs zwingend für Penjin. Ehrlich gesagt mag ich sie nicht. Ich respektiere sie als Ausdruck einer «chinesischen Art», die Schnörkel, Kringel und allerlei Kleinigkeiten schätzt. Das hat aber mit «Penjin» an sich nichts zu tun, es es ist «optional möglich». Der Begriff beschreibt die Arten der Baumgestaltung, die sich stark von Bonsai im japanischen Stil unterscheiden. Komischerweise ist das erste Bild im Artikel über Bonsai der deutschen Wikipedia ausgerechnet ein Penjin. Da sieht man das sehr schön – der kann nicht in Japan entstanden sein. Aber vielleicht sind diese Begriffe gar nicht so wichtig. So, wie man sich durchaus streiten kann, ob Schubert noch Klassik ist oder schon Romantik, kann man sich auch überlegen, ob Kimuras Wacholderwald nicht vielleicht ein Mega-Saikei ist. Oder seine japanische Antwort auf chinesische Penjin. Oder etwas von allem.

Aber noch etwas zu deinem Versuch: Wenn ich mir den in einer grünlichen, helleren Schale (also viel weniger Farb- und Hell/Dunkel-Kontrast zum Stein) vorstelle und vom Rand der Sache zum Stein hin alles mit Moos verfugt, stelle ich mir das als Gewinn vor. Jetzt ist die Schale stark getrennt von der Gestaltung.
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HeikeV
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Re: Saikei ? 1. Versuch

Beitrag von HeikeV »

Ich merk das schon. Die genaue Bestimmung der Begrifflichkeit "Saikei" ist wieder nichts für den deutschen Ordnungsfreak. So wie du es beschreibst ist dann doch der Übergang "Penjin" zu "Saikei" recht fliessend. Im Penjin sind Figuren noch möglich aber nicht zwingend und im Saikei nicht vorhanden. Richtig ? Saikei enthält japanisch gestaltete Bonsai und Penjin chinesisch gestaltete. Richtig ? Tut mir leid aber ich sehe den Unterschied in den beiden Stilen nicht. Auf alten Fotos nehme ich chinesische Gestaltungen als naturalistischer wahr. Aber ist das heute auch noch so ?

Deinen Vorschlag mit der Schale und dem Moos nehme ich sehr gerne auf. Die Schale ist nur ein größerer Untersetzer. Mehr hatte ich mit meiner samstäglichen Resteverwertung nicht zur Verfügung. Auch den Baum werde ich wohl tauschen müssen. Immer wenn ich den Garten komme denke ich an Jim Knopf........

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abardo
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Re: Saikei ? 1. Versuch

Beitrag von abardo »

HeikeV hat geschrieben:Immer wenn ich den Garten komme denke ich an Jim Knopf........
Das ist für mich der richtige Ansatz. Bonsai ist schon immer auch "Modelleisenbahn". A) Modell und b) im Kleinen.

Wenn du an Jim Knopf's Insel denkst, was hast du da noch im Kopf (ohne nachgucken !) ? Eine Insel mit zwei Bergen, Wasser drumrum (insofern ist blau doch völlig ok) und karge Bergspitzen.

Deshalb: der Stein ist zu dominant für die jetzige Schale, die sollte deutlich grösser sein. Wasser und "Strand" drumrum, auch prima. Der Fanenmast passt aber nicht und der Kalmus von der Art her nicht.

Ich würde eine grosse ovale Schale nehmen (Inseln sind selten eckig), die kleinen Pflanzen von oben und das Moos in die Mulde/See setzen und zwei kleine, knorzige Wacholder dorthin, wo der Kalmus jetzt ist bzw links daneben, und einen noch ganz nach rechts. Die Berge oben bleiben dann steinig.
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Andreas Ludwig
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Re: Saikei ? 1. Versuch

Beitrag von Andreas Ludwig »

HeikeV hat geschrieben:Ich merk das schon. Die genaue Bestimmung der Begrifflichkeit "Saikei" ist wieder nichts für den deutschen Ordnungsfreak. So wie du es beschreibst ist dann doch der Übergang "Penjin" zu "Saikei" recht fliessend. Im Penjin sind Figuren noch möglich aber nicht zwingend und im Saikei nicht vorhanden. Richtig ? Saikei enthält japanisch gestaltete Bonsai und Penjin chinesisch gestaltete. Richtig ? Tut mir leid aber ich sehe den Unterschied in den beiden Stilen nicht. Auf alten Fotos nehme ich chinesische Gestaltungen als naturalistischer wahr. Aber ist das heute auch noch so ?
Einfach gemacht: Saikei ist eine Landschaft in einer Schale nach japanischer Art. Einen «Übergang» von Penjin zu Saikei gibt es nicht, denn Penjin ist chinesisch. Das sind nunmal zwei Baustellen und ich würde als Langnase dieses Thema tunlichst vermeiden! Chinesen sind bei ihren Penjin recht liberal, ein Penjin kann eine Landschaft sein – aber auch bloss ein Baum. Es gibt drei traditionelle Kategorien: Nur Baum, Landschaft und «Wasser und Land». Die Begriffe Penjin und Penzai werden nicht streng getrennt, oft gleichbedeutend verwendet – und Penzai ist unschwer als (Begriffs-)identisch mit Bonsai zu erkennen.

Naturalistisch ist ein schwieriger Begriff – eigentlich ist ja alles, was aussieht wie etwas in der Natur, per se naturalistisch. Ich würde sagen, die japanische Auffassung ist strenger und strebt nach Klarheit, während die chinesische Auffassung verschnörkelte, auf uns «romantisch» wirkende Formen anstrebt. Und ja, das ist heute auch noch so. Allerdings hat die Kulturrevolution doch sehr viel weggeräumt. Die Figürchen sind immer Zutat, nie Pflicht. Ich denke, sie wurden einerseits als symbolische Aussagen zugefügt («einsamer Fischer bewundert Fels») oder aber ganz einfach, um Proportionalität zu schaffen, also etwa so wie die Bierdose, die neben manchem Bonsai steht auf Bildern.

Eine eigentliche Figurentradition in Japan in diesem Zusammenhang kenne ich nicht (ausser Beistellerkranichen und sowas). Ich kann mir vorstellen, dass das gegen das Gebot der Klarheit, die Strenge, verstossen würde. Vielleicht macht mans aber auch einfach nicht, weil man es nie gemacht hat. Aber warum ist es dir so wichtig, stiltreu zu sein, wenn dir diese Stille nicht vertraut sind? Eigentlich sollte dich das doch ermuntern, deine eigene Vorstellung von etwas Schönem zu verwirklichen. Ein moderner japanischer Bonsaikünstler hat kleine Igel aus schwarzer Keramik gemacht, in denen Moos wächst – sieht schön aus. Ich glaube, es ist ihm egal, was es der Kategorie nach ist.
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abardo
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Re: Saikei ? 1. Versuch

Beitrag von abardo »

Andreas Ludwig hat geschrieben:Ein moderner japanischer Bonsaikünstler hat kleine Igel aus schwarzer Keramik gemacht, in denen Moos wächst – sieht schön aus. Ich glaube, es ist ihm egal, was es der Kategorie nach ist.
Exakt, und Schafe und Schildkröten. Kenji Kobayashi = Keshiki, da geht mir das Herz auf, die Konsequenz des Eigenen. Und jetzt Heike, frag dich einfach "nur", was ist deine Landschaft ?
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Re: Saikei ? 1. Versuch

Beitrag von Andreas Ludwig »

Zurück zur Praxis: Könnte dieser Buchs (wenn es denn der sein muss), sich über den Stein dahinziehen, zum Beispiel in Richtung des Grasbüschels, weil da doch immer dieser Wind geweht hat? Das ist die epische Sicht, formal wäre es einfach ein Zusammenbringen der Elemente. Und eine winzige badende Nixe aus Bronze im Teich unter dem Felsen – das würde ich hier ausnahmsweise zulassen. So eine, die Jäger zu sich herabzieht. Dann müsste die Landschaft aber etwas «verwunschener» sein, vielleicht mit einem Wacholderchen statt des Buchs.

Das nur so als Anreiz.
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