Buchen Yamadori

Allgemeine Philosophie, Stilarten, Techniken, Vorstellung und Besprechung von Rohmaterial sowie lose Sammlung von Entwicklungs-Dokus
YungKonrad
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Buchen Yamadori

Beitrag von YungKonrad »

Hallo allerseits,

Ich habe heute auf einem Spaziergang in einer vielversprechenden Gegend Ausschau nach möglichen Yamadori gehalten und einen in meinen Augen interessanten Kanidaten entdeckt. Der Baum hat eine Höhe von grob geschätzt einem Meter und steht exponiert an einem Hang und ist starkem Wind ausgesetzt. Außerdem scheint die Verzweigung durch Wildfraß angeregt worden zu sein.
Sobald ich eine Erlaubnis bei unserem Forstamt eingeholt habe, würde ich nun möglichst bald die ersten Schritte zum Bergen den Baumes einleiten. Ich habe keine Erfahrung mit Buchen, habe mich aber schonmal eingelesen.
Mein Plan wäre, innerhalb der nächsten paar Wochen eine Art Tunnel unter den Baum zu graben, um die Pfahlwurzel(n) zu suchen und zu kappen. Kann man im gleichen Jahr auch schon einen kreisförmigen Bereich um den Baum mit dem Spaten ausstechen, oder soll ich damit lieber noch ein Jahr warten? Und hat jemand allgemein Tipps für das erfolgreiche Sammeln älterer Buchen? Danke :)
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achim73
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Re: Buchen Yamadori

Beitrag von achim73 »

interessantes teil.
wäre es mein projekt, würde ich bereits vor dem, bergen so zurückschneiden:
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Gruss, Achim
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hopplamoebel
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Re: Buchen Yamadori

Beitrag von hopplamoebel »

Moin,

Dein Plan hört sich gut an - ich würde wahrscheinlich gleich Beides machen.

Viel Erfolg,
woodman
So ist nun weder der etwas, der pflanzt, noch der begießt, sondern Gott, der das Gedeihen gibt.
Lutz Marx
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Re: Buchen Yamadori

Beitrag von Lutz Marx »

Ich denke auch, dass Du den ganz normal ausgraben kannst, Zeitpunkt ist optimal jetzt.
LG, Lutz
YungKonrad
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Re: Buchen Yamadori

Beitrag von YungKonrad »

Okay, danke für eure Einschätzungen. Dann werden ich wohl demnächst den Ballen einmal komplett umstechen, sowohl um- als auch unter dem Ballen.
Thro
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Re: Buchen Yamadori

Beitrag von Thro »

Sieht gut aus. Ich würde ihn auch gleich komplett mitnehmen. Den Erdballen etwas großzügiger lassen vllt.
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mohan
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Re: Buchen Yamadori

Beitrag von mohan »

Auf den 1. Bonsai-Blick sehen diese wildverbissenen Buchen immer toll aus.
Auf den 2. Blick fehlen aber meistens wesentliche Basis-Merkmale, die einen guten Miniatur-Baum ausmachen werden.
Beim 3.Blick würde ich mir vorstellen was konkret draus werden soll und peinlich genau die eventuelle Machbarkeit prüfen (VOR dem Ausgraben) oder ihn stehen lassen.

Vom Bild ausgehend, wäre ich wenn, dann eventuell bei @achim73s Vorschlag. Wenn überhaupt... aber um mehr zum Potential zu sagen fehlen weitere Ansichten :)
Viele Grüße
monika
YungKonrad
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Re: Buchen Yamadori

Beitrag von YungKonrad »

Danke für die Hinweise @mohan . Der Wildverbisseffekt kann täuschen, das stimmt. Vor dem Ausgraben, bzw. Kappen der Wurzeln werde ich mir vor Ort nochmal Gedanken machen ob meine intuitive erste Idee sinnvoll umsetzbar ist, dann mache ich auch noch ein paar Fotos.

Ich hatte etwas in diese Richtung vor (siehe Bild). Da alle Äste eine Dynamik in die gleiche Richtung aufweisen, könnte ich mir eine Windswept Form vorstellen, aber frei Aufrecht wäre auch durchaus machbar. Und zu dem Vorschlag von Achim, kürzen kann man immer noch später :)
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achim73
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Re: Buchen Yamadori

Beitrag von achim73 »

Und zu dem Vorschlag von Achim, kürzen kann man immer noch später :)
ja, aber warum unnötig zeit verlieren.

wenn du das gefühl hast, der obere teil hat potential, würde ich ihn eher noch vor dem ausgraben abmoosen.

aber ich weiss ja nicht, wie oft du da hinkommst...

zur windswept-form:
ich glaube nicht, dass das jemals schlüssig werden kann. der grund für den einseitigen wuchs ist höchstwahrscheinlich dem umstand geschuldet, dass auf der anderen seite weniger licht hinkommt. stehen da evtl. noch andere bäume ?

das problem daran ist, dass der hauptstamm sich in die entgegengesetzte richtung neigt, was er an einem windexponierten standort nie tun würde. schaust du dir solche bäume in der natur an, neigt sich der stamm auch immer weg vom wind:
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Gruss, Achim
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YungKonrad
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Re: Buchen Yamadori

Beitrag von YungKonrad »

Das klingt schlüssig @achim73 und das Bild gibt dir auch Recht :D
Der Baum steht in der Nähe vom Haus meiner Eltern, also kein Problem dort regelmäßig vorbeizukommen. Allerdings würde ich die Basis eigentlich gerne behalten. Auf dem Bild ist es nicht zu gut zu erkennen, aber der Stammansatz ist um ein Vielfaches dicker als der linke Hauptstamm, also ließe sich eine gute Verjüngung erzielen.

Ich danke euch für euren Input, ich werde mich vor Ort nocheinmal gründlich Gedanken machen, was sinnvoll ist. Grundsätzlich hat die Buche es mir aber schon angetan..
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mohan
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Re: Buchen Yamadori

Beitrag von mohan »

Ich verstehe das sehr gut @YungKonrad auch ich schaue mir immer wieder gerne Wildverbiss-Buchen in der Natur an :)

Zu deinem Vorhaben den gesamten Teil wie auf deinem letzten Foto zu nutzen:

Gehen wir davon aus das A der wirklich brauchbare Teil wäre und so die Grundbedingungen liefert.

Dann ist im Vergleich der rot markierte Bereich ziemlich unbrauchbar

1.dieser Ast wäre an dieser Position viiiiieeeel zu dick! Im Vergleich zum grünen Bereich, bei dem alle Äste dünner sind und immer bleiben werden.
Solltest du diesen als Stammverlängerung und Spitze für die 'gepeitschte' Form verwenden wollen, ist der Asst daneben halt zu dick.

Generell ist 2. ein Problem, erscheint es doch als dickste stelle des gesamten Baumes

Punkt 3 dieser Stammteil ist zu gerade gewachsen hat keine Verjüngung

Als dies sind wesentliche Fehler, die dein Werk immer unglaubwürdig und maximal zweitklassig erscheinen lassen werden egal was du damit veranstaltest. SO denke ich jedenfalls und das auch nur als Statement zu dieser einen Ansicht, letztendlich musst du es vor Ort selbst entscheiden.

Nachtrag: @achim73s Bild ist fantasiefördernd aber auch etwas trügerisch 8) (Vergleiche den real möglichen Stammverlauf der Buche)
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Viele Grüße
monika
YungKonrad
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Re: Buchen Yamadori

Beitrag von YungKonrad »

Das wirft für mich auch die Frage auf, inwieweit man veranlasst ist, gewissen Gestaltungsregeln zu folgen.

Einerseits gibt es natürlich die Vorgaben dessen, was in der Natur möglich und realistisch ist, also z.B. die Richtung des Hauptstammes bei der windswept Form. Was MÖGLICH ist, ist schwer zu sagen, es gibt mit Sicherheit auch in der Natur Bäume, die eben nicht dieser klassischen Form entsprechen, und mit dem Hauptstamm gegen die Windrichtung geneigt sind (aus welchen Gründen auch immer). Daher kann man auch Bäume entgegen dieser Norm gestalten und trotzdem ein "realistisches" Abbild erschaffen.

Andererseits gibt es auch Regeln bezüglich der Ästhetik, wo es zwar einen Konsens gibt, was allgemein als ästhetisch angesehen wird, im Endeffekt das Empfinden jedoch immer vom Betrachter abhängig ist und somit subjektiv. Für mich persönlich ist der Baum in seinem aktuell rohen und ja auch eigentlich natürlichsten Zustand bereits sehr eindrucksvoll und erweckt den Eindruck eines alten Baumes, der von seiner Umwelt gezeichnet wurde.

Ich werde mich, wie bereits erwähnt, vor Ort in Ruhe mit dem Baum befassen und entscheiden ob ich ihn ausgraben werde oder nicht. Dieses Jahr werde ich das sowieso nicht mehr tun, sondern wenn überhaupt nur Vorbereitungen treffen. Und bei der Gelegenheit mache ich noch ein paar bessere Bilder, damit ihr mir weiterhin mit eurer Erfahrung weiterhelfen könnt, wenn ihr möchtet. Vielen Dank dafür schonmal.
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roro
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Re: Buchen Yamadori

Beitrag von roro »

Hallo Yungkonrad,

ich habe den Faden mit den interessanten Beiträgen gelesen und es kommen mir meine frühen Bonsaijahre dabei gerade wieder in den Sinn. Du hinterfragst die Regeln. Das ist ein wichtiger Punkt, doch dazu musst du dir zuerst selbst eine Frage beantworten: Was willst du? Eine skurrile Skulptur aus einer Pflanze? (es gibt ja da auch die Formen der Topiarii, wo schnittfeste Pflanzen zu jeder künstlerischen Form gezogen werden). Oder ein das Wesen eines "idealen" Baumes einfangenden Bonsai? (Also gewissermassen ein Archetyp eines Laubbaumes.)

Dazu möchte ich anmerken, dass wir im Laufe der Zeit eine Art Idealbild - oder mehrere Idealbilder von Bäumen "abspeichern". Diese Bäume sind überstilisiert und direkt lesbar. Diese Idee resp. diese Bilder haben im Laufe der Zeit gewisse Regeln geformt, die den Grundstein legen, für das Erkennen der kleinen Topfpflanze als "grosser" Baum. Natürlich sind die Grundregeln stark durch die japanische Sichtweise geprägt. Doch die Bäume wachsen in Japan nicht so unterschiedlich zu den unsrigen. Geprägt werden sie viel mehrdurch die Lebensumstände wie die Topografie und das Klima in dem sie wachsen.
Anpassungen an diesen Regeln sind durchaus legitim. So zähle ich hier den naturalistischen Stil von Jürg Stäheli als eine perfektionierte Übertragung der Bilder von stattlichen Park- oder Einzelbäumen mit grossem Kronenvolumen und schönen Wurzelverankerungen wie wir sie in den Voralpen kennen, in einen Bonsai auf. Oder auch Walter Pall's "Märchenstil" also das übertragen von alten, knorrigen Baumriesen ins Metier Bonsai. Es sind hier ebenfalls Archetypen, oder Idealisierte Bilder die mitschwingen und dem aufmerksamen Publikum den grossen Baum im Kleinen erkennen lassen.

Ich gebe Monika recht, wenn sie die unstimmigen Punkte als auch in Zukunft störend taxiert. Das wird nicht überzeugend werden (resp. gänzlich die angesprochenen Bilder evozieren) und für eine oben beschriebene Skulptur ist die Ausgangslage schlicht zu "unspektakulär". Wenn du aber so einkürzen möchtest, gibt es vielleicht durchaus Potential aus diesem Findling.

Doch eines hast du bisher noch nicht betrachtet, und das dürfte ein "Killerkriterium" sein. Wie sind die Wurzeln? Grab doch oben vorsichtig etwas Erde um den Stamm herum ab und lege den ersten Wurzelkranz frei. Ist dieser gleichmässig und zufriedenstellend, hast du eine gute Ausgangslage. Falls nicht investierst du unten viel Zeit die du glaubst, oben mit deinem Fund nicht investieren zu müssen.

Der Bonsaivirus hat die Tendenz alles rosa zu sehen, ich weiss das aus eigener Erfahrung. Zum Glück habe ich das überstanden und diese Phase vor langem abgeschlossen. ich begnüge mich mit einzelnen Pflanzen, die ich noch nicht mal als Bonsai bezeichnen möchte, geschweige denn als Baum.

dies als kleine Anregung.
Gruss,
Roro
Sind diese Blumen künstlich? - Natürlich.
Also natürlich oder künstlich? - Natürlich künstlich!
YungKonrad
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Re: Buchen Yamadori

Beitrag von YungKonrad »

Hallo @roro , ich danke dir für die ausführlichen und interessanten Denkanstöße. Eventuell muss mein Bonsai Auge noch länger reifen, um die von euch angemerkten Makel als solche nicht nur zu bemerken, sondern auch als so störend zu empfinden, wie sie es für euch zu sein scheinen :D
Die rosa Brille des Bonsai Virus hat im Laufe des ersten Jahres, welches ich mich mit dem Thema beschäftige, immerhin etwas nachgelassen (ich habe nicht mehr den Drang jeden Sämling den ich sehe auszugraben). Bis sie komplett verschwunden ist, wird es wohl noch lange dauern.
Die Qualität des vorhandenen Wurzelansatzes auch in die Entscheidung mit einfließen zu lassen hatte ich defintiv vor, ich werde davon auch Bilder machen. Ich habe ja keine Eile die Entscheidung zu fällen, der Gute wird wohl auch noch in ein paar Jahren dort stehen.
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espanna
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Re: Buchen Yamadori

Beitrag von espanna »

Hallo Konrad,

Oft habe ich bei Buchenfindlingen die Erfahrung gemacht, dass die unterirdisch noch recht tief in die Erde gehen, bevor da Wurzeln, oder gar ein Wurzelansatz zu sehen ist. Bevor du ausgrabst, mach mal paar cm am Stamm frei und schau bitte ob da was ist. Oben kann man viel, relativ schnell machen, zumal Buchen auch gut am Stamm Knospen treiben bei kräftigen Rückschnitten. Das Nebari sollte an erster Stelle stehen.

LG
Gruß
László

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