Philosophie Ausstellungen

Ausstellungen, Workshops, Arbeitskreise, Events u. -Organisationen, Reisen, Besuchen in Bonsai-Gärten und Töpferstuben.
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Andreas Ludwig
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Re: Philosophie Ausstellungen

Beitrag von Andreas Ludwig »

Herbert A hat geschrieben: 08.10.2018, 13:03 Anmerken möchte ich auch dass der beste und teuerste Importbaum nach 1 bis 2 Jahren ohne perfekte Pflege nicht mehr Ausstellungsniveau hat.
Das ist sicher richtig. Bloss gilt dasselbe für spätmittelalterliche Tafelbilder eines Holbein etwa. Die wären auch in jämmerlichem Zustand ohne dauernde Pflege. Aber niemand legt Wert auf den Namen der Restauratoren in Museen, man nennt da eben Holbein zuerst. Bei Bonsai ist es eigenartigerweise umgekehrt – die Namen der Grundgestalter, also derer, die grosse Ideen mutig umgesetzt haben, kommen zuletzt oder gar nicht. Da hat einer zwanzig oder dreissig Jahre das Beste gegeben und dann sagt ein anderer: Mein Dreispitz. Dabei hatte er keine Schöpfungskraft, bloss Kaufkraft.
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HeikeV
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Re: Philosophie Ausstellungen

Beitrag von HeikeV »

Andreas Ludwig hat geschrieben: 08.10.2018, 13:36 Dabei hatte er keine Schöpfungskraft, bloss Kaufkraft.
Stimmt schon, aber Holbein hatte ja auch einen Auftraggeber mit Kaufkraft ohne den seine Bilder gar nicht erst entstanden wären.

Auch die Bonsai-Kunst kommt eben nicht ohne das Mäzenatentum aus. Ist das nicht die Kröte, die wir wohl oder übel schlucken müssen?
Zumindest so lange bis Bonsai als Kunst anerkannt ist und vielleicht der ein oder andere Lernwillige auch mal mit einem Stipendium
unterstützt wird.

Liebe Grüße
Heike
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Andreas Ludwig
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Re: Philosophie Ausstellungen

Beitrag von Andreas Ludwig »

Heike – kannst du mir die nennen (ohne nachzuschlagen), die Holbein gefördert haben?
Das ist der Punkt. ER hat gemalt, nicht die. Geld gibt es viel, Genie deutlich weniger.
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Dirk K. aus L.
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Re: Philosophie Ausstellungen

Beitrag von Dirk K. aus L. »

HeikeV hat geschrieben: 08.10.2018, 13:54 Auch die Bonsai-Kunst kommt eben nicht ohne das Mäzenatentum aus. Ist das nicht die Kröte, die wir wohl oder übel schlucken müssen?
Gibt es Mäzene in der Bonsai-Szene?

Derjenige, der einen teuren Bonsai von einem Gestalter kauft, ist nicht dessen Mäzen. Denn der Mäzen erwartet keine direkte Gegenleistung für seine finanzielle Unterstützung. Er sympathisiert mit dem Tun und dem Dasein des Künstlers.
Der wahre Weg geht über ein Seil, das nicht in der Höhe gespannt ist, sondern knapp über dem Boden. Es scheint mehr bestimmt stolpern zu machen, als begangen zu werden. (Franz Kafka)
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HeikeV
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Re: Philosophie Ausstellungen

Beitrag von HeikeV »

Andreas Ludwig hat geschrieben: 08.10.2018, 14:01 Heike – kannst du mir die nennen (ohne nachzuschlagen), die Holbein gefördert haben?


Nein, Holbein interessiert mich dazu zu wenig. Aber vielleicht kannst du mir ja sagen wovon er gelebt hat?

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HeikeV
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Re: Philosophie Ausstellungen

Beitrag von HeikeV »

Dirk K. aus L. hat geschrieben: 08.10.2018, 14:15
Gibt es Mäzene in der Bonsai-Szene?


Okay, wie nennst du denn den japanischen Tycoon mit seiner Sammlung extrem wertvoller Bäume? Vielleicht ist der Ausdruck
Mäzen nach deiner Definition unpassend, aber wir würden sicherlich keine so tollen Bäume sehen, wenn gute Gestalter
nicht von ihrer Arbeit leben könnten.

Liebe Grüße
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Andreas Ludwig
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Re: Philosophie Ausstellungen

Beitrag von Andreas Ludwig »

Heike – du lenkst es um auf eine merkantile Frage, wer wovon lebt, wie man Rechnungen zahlt. Es geht aber um eine Frage des Urheberrechts – das ist ein natürliches, unbestreitbares, unwiderrufliches. Es geht darum, wer gestaltet hat. Die Kassenzettel sind eine andere Frage.

Bloss weil die Medici Michelangelo bezahlt haben oder da Vinci sind sie noch lange nicht Urheber der Werke – einverstanden?

Holbein hat davon gelebt, dass er gut war. Richtig gut. Das war anderen Geld wert. Denn ihre Wechsel an der Wand hätten weit weniger hergemacht als seine Bilder. Sei nicht so zynisch bitte. Un po' di decenza...
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HeikeV
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Re: Philosophie Ausstellungen

Beitrag von HeikeV »

Andreas Ludwig hat geschrieben: 08.10.2018, 15:15 Bloss weil die Medici Michelangelo bezahlt haben oder da Vinci sind sie noch lange nicht Urheber der Werke – einverstanden?
Einverstanden.
Holbein hat davon gelebt, dass er gut war. Richtig gut. Das war anderen Geld wert. Denn ihre Wechsel an der Wand hätten weit weniger hergemacht als seine Bilder. Sei nicht so zynisch bitte. Un po' di decenza...
Zynismus liegt mir fern. Ich bin da eher praktisch veranlagt. Essen und trinken müssen wir alle.

Wie sieht es denn aus mit dem Urheberrecht, wenn an einem alten Bonsai über die Jahre vielleicht 5 Gestalter gearbeitet haben? Wer kann dann das Recht der Urheberschaft in Anspruch nehmen?

Aber geht es uns wirklich darum oder nur um die Würdigung der Gestalter?

Liebe Grüße
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Re: Philosophie Ausstellungen

Beitrag von Heike_vG »

Andreas Ludwig hat geschrieben: 08.10.2018, 13:36 Bei Bonsai ist es eigenartigerweise umgekehrt – die Namen der Grundgestalter, also derer, die grosse Ideen mutig umgesetzt haben, kommen zuletzt oder gar nicht. Da hat einer zwanzig oder dreissig Jahre das Beste gegeben und dann sagt ein anderer: Mein Dreispitz. Dabei hatte er keine Schöpfungskraft, bloss Kaufkraft.
Dazu ist noch zu bedenken, dass abgesehen von wirklichen Topbäumen von ganz berühmten Meistern schon in der Mittelklasse dem Käufer oft gar nicht bekannt ist, wo genau der Baum eigentlich her ist. Er kauft ihn vom Importeur oder vom Händler, der ihn vom Importeur hat, und da ist die Information oft schon verloren gegangen. Zumal auch in Japan die Bäume oft schon durch 2 - 3 Hände gegangen sind, bis sie in den Import gehen.

Ein kleines und eher bescheidenes Beispiel: Mein Wacholder, der auf der letzten Noelanders Trophy gestanden hat, ist mal von Norbert in Enger gekauft worden. Da haben wir aber nicht erfahren, wer ihn mal gezogen und grundgestaltet hat. Norbert hat ihn ein paar Jahre weiterentwickelt und das Totholz in einem Workshop bearbeitet, ehe ich den Baum übernommen und am Feinschliff gearbeitet habe. Für die NT habe ich als Gestalter Norbert und mich angegeben und Herkunft Japan Import. Mehr war nicht bekannt. So ist das sicherlich oft.

Die Importeure besuchen auf ihren Einkaufsreisen meist mehrere bis zahlreiche Bonsai-Gärtnereien und kaufen überall eine mehr oder minder große Anzahl Bäume, die dann alle zusammen in den Container kommen. Nach dem Auspacken und Auszeichnen, Quarantäne etc. weiß dann schon manchmal keiner mehr bei allen Bäumen genau, welche Partie jetzt von welcher Quelle kommt. "Müsste ich in der Importliste nachsehen..." und das passiert dann manchmal in der Eile doch nicht. Oder der Kunde denkt erstmal gar nicht daran, zu fragen. Oder der Importeur ist Holländer und die Verständigung klappt nur unvollständig... oder so ähnlich. 8) *schulter zuck*

Liebe Grüße,
Heike
Ein halber Schritt in die richtige Richtung ist oftmals ein Reinfall...

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Norbert_S
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Re: Philosophie Ausstellungen

Beitrag von Norbert_S »

Vielleicht hilft dann für die allermeisten Bäume auch die Ehrlichkeit, dass es sich nicht lohnt nach dem großen Künstler zu forschen.
Von den herausragenden, die, die zum verweilen und versinken rufen, kenne ich den Werdegang häufig.
Norbert

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Andreas Ludwig
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Re: Philosophie Ausstellungen

Beitrag von Andreas Ludwig »

Natürlich wird es bei vielem reichen, eine ungefähre Datierung und grobe Herkunft anzugeben, wie bei Antiquitäten es auch reicht zu wissen dass es «Frankreich, um 1850» ist. Aber das wäre mehr als heute meist der Fall ist. Heute ist es einfach eine Kiefer.

Heike_V – es geht nicht um formale, juristische Aspekte und nicht darum, die einzig richtige und verbindliche Vorgehensweise zu finden. Mir geht es um den Umgang mit Informationen, der im Moment eigenartig lieblos ist. Einerseits wird da lange und ausgiebig über das einzelne Ästchen diskutiert oder die Schalenfarbe. Frage ich andererseits, wie alt der Baum ist und woher, kann es durchaus heissen: «Ich denke mal, so 30 Jahre sicher und vermute, er ist importiert.» Es kann eine ganze Weile über den Aufbau der Gestaltung referiert werden, frage ich aber, wer den gemacht hat, mag die Antwort sein: «Wahrscheinlich kein Europäer.» Das ist schon drollig.
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zopf
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Re: Philosophie Ausstellungen

Beitrag von zopf »

Hallo
Holbein hat, sofern nicht seine Lehrlinge, ein fertiges Werk abgeliefert,
sodas er als Erschaffer dieses Werkes gelten kann.
Ein Gestalter im Bonsaibereich liefert vorerst nur eine Idee, eine Skizze ab.
Das wesentliche Werk obliegt demjenigen der durch jahrelange Pflege
aus dieser Skizze, dieser Idee ein Werk erschafft.
mfG Dieter
grüsse an die bewohner von melmac
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Norbert_S
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Re: Philosophie Ausstellungen

Beitrag von Norbert_S »

Oder liegt es daran, dass Bonsai eben doch nicht als Kunst angesehen wird?

Ein wundervoll geschwungener reifer Stamm mit wirklich tollem Nebari, das Astwerk unterstreichend begleitender Rahmen, nicht ganz neu und sichtbar geordnet.
Künstler die Natur, der Rest das Egebnis pflegender Begleitung.
Wer sollte/wollte sich da überhöhen?
Norbert

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mydear
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Re: Philosophie Ausstellungen

Beitrag von mydear »

Norbert ich finde du bringst es auf den Punkt: die Natur ist meist der wahre Künstler.

Wollen wir uns anmaßen bei unserer kurzen Gestaltungs-Zeit von Kunst zu sprechen? Oft genug sind wir uns untereinander nicht mal einig, geschweige denn was Laien ohne Einblick über Bonsai denken.

Grüße
Rainer
“Fais de ta vie un rêve, et d'un rêve, une réalité“ Antoine de Saint-Exupéry
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Jürg Stäheli
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Re: Philosophie Ausstellungen

Beitrag von Jürg Stäheli »

Norbert ich muss dir widersprechen. So ein hervorragendes Ausgangsmaterial wie du es beschreibst, findet man in der Natur nicht. Nur mit Pflege und Begleitung kann niemals ein guter Bonsai entstehen. Meines Erachtens noch wichtiger als die Pflege und Technik ist die Gestaltung, das sind die Entscheide wo geschnitten werden muss.

Ein Bonsai besteht aus drei Elementen, die Reihenfolge ist egal, es sind die Pflanze, das Gefäss und der Mensch der gestaltet. Das sind auch die drei Dinge, die an einer gute Ausstellung angeschrieben gehören
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