Eingewöhnung und danach (Ficus)

Spezielle Baumpflege z.B. düngen, umtopfen, Erden, ein- und auswintern, Pflanzenschutz
Hippo
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Re: Frage zur Eingewöhnung

Beitrag von Hippo »

ania hat geschrieben: 05.05.2022, 14:43 Vielleicht liegt es auch daran, dass ich ihm über den Winter leider nur ein Westfenster bieten kann, da ist der Kontrast zu draußen exponierte Südseite nochmal heftiger.
Es spielt eigentlich keine Rolle ob es ein Süd- oder Westfenster ist.
Bei beiden Fenstern kommt/käme die UV-B Strahlung nicht durch und die ist hauptsächlich an einem Sonnenbrand schuld wenn die Pflanze (oder auch unsere Haut) direkt an die Sonne rausgestellt wird.
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ania
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Re: Frage zur Eingewöhnung

Beitrag von ania »

Du hast Recht, mein Gedankenfehler.

Kurze Recherche:
Es gibt einen Rezeptor namens UVR8, der bringt den Baum dazu, Sonnencreme (Anthocyanine) aufzutragen.
UVR8 hat die höchste Sensitivität bei Wellenlängen von 285nm, eindeutig UV-B, das kommt weder beim Süd- noch beim West-Fenster durch.
Das ist der höchste Peak der Kurve. Die Flanken reichen bis in den sichtbaren blauen Bereich hinein. UVR8 "sieht" also den blauen Himmel durch das Fenster, aber nur sehr schwach bzw. bei sehr hohen Lichtintensitäten.
Die massive Sonnenschutzreaktion kommt bei UV-B, 285nm, dafür muss der Baum draußen stehen.
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Re: Frage zur Eingewöhnung

Beitrag von baerst5 »

Danke für Eure Erläuterungen. Für meine bescheidene Frage der Eingewöhnung in die neue Umgebung entnehme ich jetzt mal, dass ich mir keine allzu großen Sorgen machen muss. Heute war es bei uns eh bedeckt ;-)
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Re: Frage zur Eingewöhnung

Beitrag von Hippo »

Wunderbar ausgeführt! Ja wahrlich akademisch!
Ich hege allerdings den gaaaaaanz leisen Zweifel, dass man dies dem Ficus glaubhaft verklickern kann.
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Holger
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Re: Frage zur Eingewöhnung

Beitrag von Holger »

Richtig, genau so ist es. Da kann man nichts gravierend falsch machen.

Gruß Holger

@Hippo: Du bist aber auch immer kleinlich :lol:
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Beim Universum bin ich mir aber noch nicht ganz sicher
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Re: Frage zur Eingewöhnung

Beitrag von baerst5 »

Gibt es noch eine Empfehlung, wann ich mit dem Düngen beginnen sollte? Ich dachte mal so an 2 Wochen Eingewöhnung und erst dann ... oder ist das Unsinn?
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Re: Frage zur Eingewöhnung

Beitrag von Hippo »

Noch eine scheue Anmerkung zur Dialektik:
Vielleicht sollte man das Wörtchen "eingewöhnen", im Zusammenhang mit Bonsai, mal etwas überdenken.
Ich möchte hier auch an meine angesprochene Kleinlichkeit anknüpfen.

Ich bin ja letzten Herbst umgezogen und werde seit Monaten ständig gefragt; Na, hast Du dich schon eingewöhnt/eingelebt?
Die obersaublöde Frage hat mich schon von Anfang an genervt und nervt zunehmend immer mehr.
Da ist immer rauszuhören, dass der Fragende damit zum Ausdruck bringt, dass der Gefragte irgendwie downgegradet hat und daher bemitleidenswert ist.
Wäre man kleinlich, könnte man sich angepinkelt fühlen, ist mir aber auf die Dauer zu anstrengend und deshalb kehre ich lieber den Spiess um und frage besorgt zurück; und wann ziehst auch Du in was Besseres um?

Zurückkommend auf die Pflanze, implementiert man gerne in das Klischee des "Eingewöhnens", dass sich die Pflanze, z.B. an einen nicht ganz optimalen Platz, hoffentlich anpasst. Da spielt oft auch ein Kompensations-Trugschluss mit, dass man etwa irgendeinen Standort-Mangel mit was ganz Anderem ausgleichen/kompensieren möchte und glaubt resp. hofft, dass die Pflanze sich dann schon anpasst und eingewöhnt.

Jedoch anpassen und sich an die Anforderungen der Pflanze gewöhnen muss sich nicht die Pflanze sondern der Halter! Die Pflanze kann das nicht, sie assimiliert nur.
Ja, das sind so meine umherschwirrenden 20 Cts zur Terminologie.

Bezüglich dem Düngen, würde ich damit erst einsetzen wenn die Pflanze an einem optimalen Platz den Frühlingsaustrieb schiebt.
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Re: Frage zur Eingewöhnung

Beitrag von baerst5 »

OT:
Ich sehe das zwar nicht so mit der negativen Konnotation bei Eingewöhnung, man könnte sicher auch von Anpassung sprechen. Ich will ja, dass es dem Baum bei mir gut geht. Anpassung betrifft dann in der Tat beide: Baum an die veränderte Umgebung, Mensch an den Baum. Was beim Baum Assimilation auslöst, müsste doch aber beim Menschen zu Akkomodation führen?
OT Ende
Was den Austrieb betrifft, da sollte ich warten, bis der bereits vorhandene hellgrüne Austrieb weiter voranschreitet, richtig?
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Re: Frage zur Eingewöhnung

Beitrag von achim73 »

ja. der ficus schiebt bei einigermaßen ausreichendem lichtangebot und passenden temperaturen immer ein paar neue blättchen. aber erst so ab mitte mai, wenn die tageslänge und temperatur richtig hochgeht, fangen sie richtig an, überall auszutreiben. mein ficus hat im letzten sommer sogar weit unten im alten holz, wo ich niemals erwartet hätte, dass da nochmal was kommt, von selbst (also ohne harten rückschnitt) einen dicken neuen trieb gemacht. dann ist auch düngen sinnvoll, wobei die bedeutung von anfängern generell überschätzt wird. die meisten menschen denken, dünger ist die "nahrung" für den baum. stimmt aber nicht. pflanzen betreiben photosynthese und "ernähren" sich von wasser, CO² und licht. daraus bilden sie ihre substanz. die düngerstoffe sind im grunde nur hilfsmittel, wie für den menschen z.b. vitamine.
Gruss, Achim
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Re: Frage zur Eingewöhnung

Beitrag von Hippo »

baerst5 hat geschrieben: 06.05.2022, 06:48 Anpassung betrifft dann in der Tat beide: Baum an die veränderte Umgebung, .....
Genau das ist es was ich meinte. Nein, eben nicht!
In der Natur kann ein Baum z.B. tiefere Wurzeln ausbilden wenn das Grundwasser tiefer liegt. Er kann auch Botenstoffe ausschütten, die Konkurrenzpflanzen auf Distanz hält, er kann Abwehrstoffe gegen Fressfeinde entwickeln und er kann über die Wurzeln mit Pilzen und Bakterien interagieren um sich bestimmte Salze und Elemente zu erschliessen uvm.
In der Schale, hinter unseren Glasscheiben, in unserem Habitat kann er das alles nicht wirklich.
Deshalb schreibe ich, dass der Baum sich nicht anpassen kann! Wir müssen die Umgebung an den Baum anpassen. Wir müssen die Ansprüche erkennen und ihm alles zur richtigen Zeit zuführen. Er ist im Topf kein Bestandteil des Waldes mehr und erfüllt keinen ökologischen Zweck mehr und dient einzig und allein unserem persönlichen Interesse und wir entscheiden über Leben und Tod.
Deshalb ist ausreichend Licht mitunter das Wichtigste was wir organisieren müssen.
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Re: Frage zur Eingewöhnung

Beitrag von baerst5 »

Danke, ich verstehe, was Du meinst. Der Baum ist in der Schale seiner Möglichkeiten der Anpassung weitreichend beraubt. Das erhöht unsere Verantwortung.
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Re: Frage zur Eingewöhnung

Beitrag von Hippo »

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Holger
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Re: Frage zur Eingewöhnung

Beitrag von Holger »

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Richtig, betrifft alle eigenen Planzen, aber bei Bonsai ist es "etwas" anspruchsvoller.

Gruß Holger
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Re: Frage zur Eingewöhnung

Beitrag von Fabian R »

achim73 hat geschrieben: 06.05.2022, 08:46 pflanzen betreiben photosynthese und "ernähren" sich von wasser, CO² und licht. daraus bilden sie ihre substanz. die düngerstoffe sind im grunde nur hilfsmittel, wie für den menschen z.b. vitamine.
Das ist so nicht ganz richtig, bzw. vollständig.

richtig ist:
Durch die Photosynthese kann der Baum Zucker erzeugen und seinen Energiebedarf decken. Er benötigt keine Nahrung in dem SInne, wie wir Menschen Kohlenhydrate zu uns nehmen müssen (Zucker, Stärke, ...)

Um Wachsen zu können, also Biomasse aufbauen, wird Energie und weitere "Baustoffe" benötigt, die dann zu Bestandteilen wie DNA, Aminosäuren und Proteinen verarbeitet werden.
Zwei dieser Baustoffe sind Stickstoff (N) und Phosphat (P), welche dann logischerweise auch Hauptbestandteile unseres Düngers sind
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Re: Frage zur Eingewöhnung

Beitrag von baerst5 »

Ich kann ja mal berichten, wie sich der Baum "eingewöhnt" hat. Er treibt schön aus, die hellgrünen Blättchen werden recht schnell dunkelgrün, und ich habe ihn die letzten zwei Tage auch draußen in der vollen Nachmittagssonne gehabt. Abends stelle ich ihn rein, morgens wieder raus. Auf so einer Fensterbank draussen im 2. Stock habe ich irgendwie Sorgen, dass mal ein Vogel kommt und der Baum abstürzt. Er ist ja sehr klein (20 cm). Er scheint mir aber insgesamt gut angekommen. Weil die Schale ziemlich klein ist, gieße ich bei diesem Wetter jeden Tag. Besprühen tue ich ihn mehrmals am Tag. Wäre es jetzt dann schon an der Zeit, zu düngen? Und wann sollte ich den Austrieb einkürzen? Danke für Hinweise.
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