Neuaufbau vernachlässigter großer Ficus

Spezielle Baumpflege z.B. düngen, umtopfen, Erden, ein- und auswintern, Pflanzenschutz
Florian Günzburg
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Neuaufbau vernachlässigter großer Ficus

Beitrag von Florian Günzburg »

Hallo zusammen,

meine Mutter hat zu Hause einen schon seit über 10 Jahren einen recht großen Ficus Benjamina Bonsai stehen. Er wurde ihr damals von meinen Vater geschenkt, aber da sie sich mit Bonsai nicht wirklich auskannte, wurde er wohl zu wenig gegossen (evtl. auch zu wenig Luftfeuchtigkeit, Dünger und Licht). Deshalb hat er mit der Zeit immer mehr Blätter verloren und inzwischen ist der komplette obere Teil leider abgestorben. Es war allerdings auch nur ein eher billiger Bonsai aus dem Gartencenter (glaub 400 Euro oder so), was für einen Baum der Größe ja nicht viel ist. Ich finde, man sieht das auch deutlich an der recht plumpen Schnittstelle, wo er einfach gekappt wurde.

Nun möchte ich aber versuchen, diesem Baum zu einem zweiten Leben zu verhelfen, da ich das Nebari sehr schön finde und da ich auch noch nicht viel Erfahrung mit der Bonsaipflege (und besonders mit sowas) habe, wollte ich aber vorher hier um Rat fragen, ob meine Pläne gut und sinnvoll sind oder ob jemand vielleicht auch bessere Ideen hat.

Auf dem Bildern sieht man, dass der ganze Bereich vertrocknet ist, wo die Borke rissig ist, das heißt, es lebt eigentlich nur noch der Wurzelstock und die ersten 30cm. Die ganzen neuen Triebe sind auch vor einigen Jahren aus dem Wurzelstock ausgetrieben (parallel dazu ist der obere Teil dann komplett abgestorben) und alle Blätter, die man sieht, sind an diesen Trieben vom Wurzelstock. Mein Plan wäre nun, den abgestorbenen Teil abzusägen und den Stumpf evtl. wie eine natürlich Bruchstelle aussehen zu lassen, indem man hier noch einen Rest als Totholz gestaltet und stehen lässt. Ich finde die Idee auch charmant, dass man dem Baum später seine "Leidensgeschichte" noch ansieht. Den Wurzelstock würde ich dann versuchen als eine Art Ikadabuki zu gestalten, indem ich einige Triebe aus verschiedenen Stellen hochziehe und forme. ich bin aber noch nicht sicher, wo ich den Schnitt am besten setze und wie ich dabei am besten vorgehe, den Baum neu aufzubauen. Vielleicht habt ihr ja Tipps für mich, wie ihr vorgehen würdet. :)
Danke schonmal im Voraus.
Zuletzt geändert von Florian Günzburg am 02.07.2022, 14:52, insgesamt 1-mal geändert.
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mydear
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Re: Neuaufbau vernachlässigter großer Ficus

Beitrag von mydear »

Florian Günzburg hat geschrieben: 30.06.2022, 20:56 PS: Hab es leider nicht geschafft, die Bilder so hochzuladen, dass sie korrekt gedreht sind. We geht das?
Hochkant-Bilder müssen vorher bearbeitet werden, sonst liegen sie auf der Seite. Ausnahme: die Bilder werden vom Aufnahmegerät direkt hochgeladen. Bitte die Bilder im Beitrag wieder löschen. Vor dem nächsten Hochladen am Computer/iPad/Handy bearbeiten - egal wie, denn dabei wird das Format gespeichert. Erneut hochladen, fertig.

Viel Glück
Rainer
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Florian Günzburg
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Re: Neuaufbau vernachlässigter großer Ficus

Beitrag von Florian Günzburg »

Danke für den Hinweis,
neuer Versuch mit den Bildern:
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Baum am aktuellen Standort
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abgestorbener Teil
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ania
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Re: Neuaufbau vernachlässigter großer Ficus

Beitrag von ania »

Damit die Äste glaubhaft sind, sollten sie am Ansatz möglichst dick werden. In Relation zum dicken Stamm sehen nämlich die dünnen Ästchen noch magerer aus.
Dafür brauchst du Wachstum, und das gibt es nur an der vollen Sonne. Also raus in den Garten! viewtopic.php?p=614904#p614904 schau mal, das ist ein ähnlicher Typ Baum wie deiner.

Wo 2 oder Mehr Ästchen aus einer Stelle im Stamm sprießen, würde ich gleich auf 1 selektieren, oder sie zusammenbinden damit sie zusammenwachsen und 1 dickeren Ast bilden.
Die Astansätze kannst du auch schon mal in eine sinnvolle Richtung drahten, solang sie dünn sind.

Den Hauptstamm würde ich auf jeden Fall irgendwo unterhalb der langen Geraden kappen, und einen halbwegs kräftigen Ast als Stammfortsetzung wählen.

Ansonsten den Sommer mal wachsen lassen.
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Re: Neuaufbau vernachlässigter großer Ficus

Beitrag von dax100 »

Ich persönlich würde mit dem Bäumchen kurzen Prozess machen, alle Äste auf 4-5 cm zurückschneiden, den Stamm runterschneiden bis man wieder auf lebendes Holz trifft. Es ist ein Ficus mit eigentlich gepfropften Ästen, aber für mich sieht das so aus, als sei das meiste was nachgewachsen ist von der Mutterpflanze und die aufgepfropften meist abgestrorben ?! dh. du hast event. 2 Ficusarten an einem Baum die sich unterschiedlich schnell and lang entwickeln, das ist nicht unbedingt schön, die aufgepfropfte Art ist für mich die bessere, nur alleine diese Art zu belassen wird hier wahrscheinlich nicht genügen um das Bäumchen schön und ausreichend zu begrünen !?
Heiner B.
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Re: Neuaufbau vernachlässigter großer Ficus

Beitrag von Heiner B. »

Hallo Florian,

ich stimme zu, das es sich bei den Edelreisern um das "bessere und schönere, weil kleinere" Laub handelt, aber wie dax100 schon schrieb sind die Edelreiser ja mehr oder weniger komplett abgestorben. Also warum den Baum nicht erstmal mit den Originallaub neu aufbauen?

Das mag vielleicht größer sein und nicht ganz so "schön, weil klein" zu sein, aber warum nicht? Dann müsstest du jedoch den Baum insgesamt auf das Laub abstimmen, also großes Laub und großen Stamm und sehr große Schale. Wie Ania schrieb, die neuen Triebe kräftig wachsen lassen, damit sie zum Stamm passen. Die können dann auch ruhig erstmal einen halben Meter oder länger werden, bevor du die zurückschneidest. Du solltest darauf achten, das die Äste sich in eine spätere Form einpassen. Also nur einen Ast an einer Stelle, wenn zwei oder mehr Äste an der gleichen Stelle austreiben, alle anderen bis auf einen passenden entfernen.

Die dünnen Äste bereits in Form drahten oder abspannen, damit du an diesen später nicht mehr mit dann brutaler Gewalt rangehen musst, um sie zu formen.

Beim abgestorbenen Stammteil würde ich jetzt mal vorsichtig die Rinde soweit entfernen, bist du zum lebenden Teil kommst. Dann entweder bis dahin komplett schräg absägen, so dass dieser mit den Jahren überwallen kann (das würde aber bei diesem Durchmesser des Stammes mindestens 5-10 Jahre dauern, eher länger), den Stamm aushöhlen oder den Stumpf zu einem Jin umarbeiten.

Ich weiss, es ist nicht "normal" bei Laubbäumen Jin zu integrieren, aber es geht. Beispiele gibt es da genug. Hier würde das Jin ja auch nur im Laub versteckt sein und nicht wie normalerweise sichtbar als Gestaltungselement fungieren.

Als Gesamtgröße würde ich dabei so um einen bis maximal 1,5 Meter anpeilen, dann wirken die Blätter auch nicht so groß im Vergleich zum Stamm.

Die Steine auf der Erde würde ich übrigens ersatzlos entfernen, die machen es dir nur ungleich schwerer zu sehen, wann du wieder gießen musst. Eine dünne Schicht Akadama oder feinem Kies sähen deutlich ansprechender aus.
Liebe Grüße
Heiner
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ania
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Re: Neuaufbau vernachlässigter großer Ficus

Beitrag von ania »

Soweit ich sehe ist hier kein Edellaub mehr dran.
Die Profis in Asien bauen die Grundstruktur inkl. Äste mit der schnellwüchsigen Unterlage und pfropfen dann nicht direkt am Stamm, sondern bereits auf verzweigte Äste, die Edelsorte auf. Hier sieht man es gut
http://www.sidiao.com/photo_e_8.htm?i=2
Das sieht dann auch nicht mehr nach Ikea aus...
Allerdings haben die auch ganz anderes Klima. In 10 Jahren kannst du ja mal überlegen zu pfropfen, derweil würde ich mit der Unterlage arbeiten. Das kleinwüchsige Laub direkt am fetten Stamm wird niemals stimmig, das wächst und verdickt viel langsamer.

Das wichtigste momentan wäre ihn in die volle Sonne zu stellen, sonst wird das auch in 20 Jahren nix.

Ich kann mir bei dem Baum eine Höhlung oder Shari besser vorstellen als Jin.
Heiner B.
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Re: Neuaufbau vernachlässigter großer Ficus

Beitrag von Heiner B. »

Hallo Ania,

dein link funktionierte bei mir zuerst nicht, jetzt geht er doch *konfus* .

Der Vorschlag mit dem Jin war nur das: ein Vorschlag :-D . Eine Höhlung sähe natürlicher aus, da hast du wohl recht. Würde aber doch problematisch, da dann ein recht großer Teil des Stammes ausgehöhlt werden müsste (20-30 cm?).

Bei einem Shari hätte ich meine Bedenken, da man dann ja einiges der noch lebenden Rinde entfernen müsste (Sharis werden ja häufig, aber natürlich nicht immer, bis zum Wurzelansatz verlängert, oder täusche ich mich da?). Gleichzeitg hätte man dann ja auch den Stumpf, den man integrieren oder komplett entfernen müsste. Also Jin und Shari oder Aushöhlung und Shari bzw. entferntem Stumpf und Shari und bei diesem könnte man dann auf das Shari verzichten, oder?

Das mit dem Jin kam mir nur deshalb in den Sinn, weil der Stamm ja nur auf ca. 15-20 cm von 50 cm oder so komplett abgestorben zu sein scheint. Natürlich dürfte ein Jin auch nicht die ganze Länge des jetzigen abgestorbenen Stumpfes ausmachen, sondern so, dass man beim entrindeten Stumpf Teile abspaltet und damit eher ein Bild erzeugt, das einem vom Blitz getroffenen und gebrochenen Stamm oder Ast entspricht. Ein kleines Shari wäre dann sozusagen inklusive :-D . Das wäre aber auf jeden Fall eine Arbeit, die am besten von jemand Erfahrenem durchgeführt würde.

Das der Baum so viel wie möglich an Sonne bekommen muss, ist natürlich die Voraussetzung für alles weitere :) .
Liebe Grüße
Heiner
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Re: Neuaufbau vernachlässigter großer Ficus

Beitrag von dax100 »

Heiner B. hat geschrieben: 03.07.2022, 10:46
Beim abgestorbenen Stammteil würde ich jetzt mal vorsichtig die Rinde soweit entfernen, bist du zum lebenden Teil kommst. Dann entweder bis dahin komplett schräg absägen, so dass dieser mit den Jahren überwallen kann (das würde aber bei diesem Durchmesser des Stammes mindestens 5-10 Jahre dauern, eher länger), den Stamm aushöhlen oder den Stumpf zu einem Jin umarbeiten.

Als Gesamtgröße würde ich dabei so um einen bis maximal 1,5 Meter anpeilen, dann wirken die Blätter auch nicht so groß im Vergleich zum Stamm.
Hallo Heiner, die Rinde bei dem abgestorbene Stamm vorsichtig entfernen ist eher schwieriger möglich, die ist wahrscheinlich wie festgebacken und must du eher mühselig runterschnitzen. Bei einer Reststammhöhe von geschätzten 35-40cm und von dir angepeilten 100-150cm Gesamthöhe, frage ich mich an welche Zeitspanne du so gedacht hast, oder soll er einfach wie eine Zimmer oder Grünpflanze weiter wachsen ? Zu Jin und Shari stehe ich auch zur Aussage von "ania" obwohl ich das momentan überflüssig finde, aber bei der Überwallung der Schnittstelle .. 10 Jahre oder länger bin ich absolut bei dir ! Gruß Harald
Heiner B.
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Re: Neuaufbau vernachlässigter großer Ficus

Beitrag von Heiner B. »

Hallo Harald,

ich würde mich auch eher den 5-10 Jahren oder mehr anschließen und den Baum momentan als Rohling betrachten und auch dementsprechend langsam aber bestimmt versuchen neu aufzubauen. Man darf ja nicht nur den Stamm sehen, sondern muss die Wurzeln und den Neuaufbau der Äste mit ins Bild nehmen.

Die Gesamthöhe von 100-150 cm waren ein von mir aus der Luft gegriffener Wert, da es ja auch immer darauf ankommt, wie sich der Baum entwickelt. Vor allem dürfte er sich natürlich am besten entwickeln, wenn er den Sommer bis Herbst (wenn es in der Nacht um die 10° C werden erst reinholen) noch in die volle Sonne kommt und gleichzeitig auch gut gegossen und gedüngt wird, ohne zu überdüngen. Da das Laub ja um bestimmt das doppelte größer sein wird, wie die jetzt abgestorbenen Edelreiser, hatte ich den Wert von 100-150 cm genommen, damit sich eine passende Relation zwischen Stamm und Ästen sowie dem Laub ergibt. Der jetzige Stamm von um die 35 cm Resthöhe oder so wird dann natürlich um die neugewachsenen Äste, die mit der Zeit zu Nebenstämmen werden, ergänzt oder sogar ersetzt, sofern aus diesem keine neuen Äste wachsen. Bei Blättern von um die 8-10 cm wäre es recht sinnfrei einen Baum zu gestalten, der nur 30 cm groß ist, oder nicht?

Und mit dem vorsichtig die Rinde entfernen habe ich wohl auch gemeint, das man mit auf seine Finger aufpasst :lol: . Das die abgestorbene Rinde u.U. extrem schwierig zu entfernen sein kann, ist mir schon klar. Aber vielleicht lässt sie sich auch einfach so abziehen. Das wird man jedoch erst sehen, wenn man da rangeht. Es empfiehlt sich in jedem Fall die Rinde zumindest soweit zu entfernen, um das weitere Vorgehen abschätzen zu können.

Es kann natürlich auch sein, das Florian sich seinen Baum wie im ersten Post geschrieben zwar als Bonsai vorstellen kann und wegen der damit einhergehenden Zeitspanne lieber einen Zimmerbaum ohne irgendwelchen "Schnickschnack" haben möchte. Das, was du, Ania und ich vorgebracht haben, sollte man ja nur als Vorschläge und Anregungen sehen und nicht als definitive Fahrpläne mit der Prämisse: "So musst du das jetzt machen und nicht anders und wehe du weichst davon jetzt ab :lol: ".

Außerdem hat eh jeder Baum seine eigenen Vorstellungen, wie er wachsen möchte *konfus* *nenene* . Wir bzw. Florian können da nur gut zureden :-D *daumen_new* .
Liebe Grüße
Heiner
Florian Günzburg
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Re: Neuaufbau vernachlässigter großer Ficus

Beitrag von Florian Günzburg »

Hallo zusammen,

erstmal vielen lieben Dank für die vielen Antworten. Das ist super hilfreich.
ich würde mich auch eher den 5-10 Jahren oder mehr anschließen und den Baum momentan als Rohling betrachten und auch dementsprechend langsam aber bestimmt versuchen neu aufzubauen. Man darf ja nicht nur den Stamm sehen, sondern muss die Wurzeln und den Neuaufbau der Äste mit ins Bild nehmen.
Tatsächlich war das schon eher der Plan. Ich bin ja noch nicht so alt und gehe schon von einer Zeitspanne von 10 oder mehr Jahren aus und dafür sollte es dann halt ein schöner richtiger Bonsai werden. :D
Ich hab ja auch erst angefangen mit dem Hobby und mir einige Jungbäume zugelegt und Sämlinge aufgezogen.

Vom alten Edellaub ist noch ein Ast (der unterste) übrig, wobei der auch nur noch spärlich belaubt ist. Alles andere kommt aus der Basis der Mutterpflanze und hat deutlich größere Blätter. Ich würde daher auch komplett aus dem Original Laub aufbauen und den alten Ast wohl mit entfernen. Von der Höhe sollte er daher am Ende wohl wieder ähnlich werden wie jetzt (also gut 1,5m hoch). Oder evtl. ein etwas ausladender Mehrfachstamm, dann könnte ich ihn mir auch etwas niedriger vorstellen. Denkt ihr, man bekommt später die Blätter etwas kleiner durch Blattschnitt?
Das mit dem Jin kam mir nur deshalb in den Sinn, weil der Stamm ja nur auf ca. 15-20 cm von 50 cm oder so komplett abgestorben zu sein scheint. Natürlich dürfte ein Jin auch nicht die ganze Länge des jetzigen abgestorbenen Stumpfes ausmachen, sondern so, dass man beim entrindeten Stumpf Teile abspaltet und damit eher ein Bild erzeugt, das einem vom Blitz getroffenen und gebrochenen Stamm oder Ast entspricht. Ein kleines Shari wäre dann sozusagen inklusive :-D . Das wäre aber auf jeden Fall eine Arbeit, die am besten von jemand Erfahrenem durchgeführt würde.
Das war auch in etwa das, was ich toll fände, wenn es aussieht, als hätte ein Blitz oder Sturm den Stamm gebrochen mit einer Höhlung. Nur hab ich nicht wirklich Ahnung, wie man dabei vorgeht. Muss ich mich wohl noch ein wenig einlesen. Kennt jemand zufällig gute Videos oder Threads hierzu? In Jedem Fall werde ich den oberen geraden Teil wohl komplett entfernen. Die Frage ist dann nur, ob noch weiter runter oder eben noch ein bisschen Stumpf stehen lassen.

Ich denke, als erste Maßnahme werde ich zunächst die Jungen Triebe etwas drahten, für etwas Verzweigung sorgen und mal sehen, wie die Rinde abgeht und wie es darunter aussieht. Das eigentlich abschneiden mache ich dann wohl eher im Herbst oder Frühjahr.

Liebe Grüße
Florian
Heiner B.
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Re: Neuaufbau vernachlässigter großer Ficus

Beitrag von Heiner B. »

Hallo Florian,

Bilder, wie so etwas aussehen könnte, findet man zu Hauf im Internet. Da man einen Blitzeinschlag bzw. Sturmschaden natürlich nicht eins zu eins bildlich an einem relativ kleinen Baum umsetzen kann, nimmt man entweder einen Dremel und fräst die Stellen aus oder Stecheisen bzw. eine Axt (Peter Chan (siehe youtube) hat das mal gemacht) und spaltet Stück für Stück Späne vom Stamm ab. Man kann natürlich zuerst einen Teil absägen und dann Späne abspalten. Das Spalten erzeugt eine schönere Bruchfläche da es ja der Maserung des Holzes folgt, als wenn man rein mit einem Dremel die Oberfläche bearbeitet.

Man kann auf jeden Fall beides kombinieren und dabei ein harmonisches Bild erzeugen. Also teilweise Holz abspalten und dann unten mit dem Dremel lose Fasern entfernen und eine leicht Höhlung herausarbeiten, damit dort keine Fäulnisherde entstehen können und sich kein Wasser staut. Aber denk dran, das beide Werkzeuge ein wenig Erfahrung im Umgang damit erfordern.

Du könntest dir z.B. einen in etwa gleichdicken Ast besorgen (vielleicht liegt noch irgendwo einer rum der vom letzten Sturm abgebrochen ist) der dir gleichzeitig als Vorlage einer Bruchstelle und als Übungsobjekt dienen kann. Also gerade absägen, irgendwo sicher einspannen/befestigen und dann so bearbeiten, das es für dich passt. Wenn der lang genug ist, könntest du mehrere Versuche starten und die Bilder hier einstellen.

Die Blätter werden übrigens mit der Zeit von selber etwas kleiner. Einen Blattschnitt würde ich nur empfehlen, wenn der Baum sich über einen längeren Zeitraum gut hat entwickeln können. Und bitte nicht zu oft umtopfen. Vielleicht jetzt im Spätsommer Ende August oder Anfang des nächsten Jahres und dann 2-3 Jahre nicht mehr. Du könntest den Baum auch erstmal in eine etwas größere, selbstgebaute Kiste umsetzen bzw. umpflanzen, damit er so viel wie möglich an Zuwachs bekommt. Zurückschneiden aus der Masse heraus ist besser, als wenn du nur wenig Austrieb zur Verfügung hast.

Ficus ist insofern ja auch ein dankbares Objekt, als das er auch sehr gut aus dem alten Holz austreiben kann.

Eine passende Schale bietet sich erst an, wenn du dir über die neue Entwicklungsrichtung des Baumes klar geworden bist.

Wenn du das noch am Baum befindliche Edelreis entfernen möchtest, dann werf das nicht einfach weg, sondern mach einen Steckling draus :-D , auch etwas dickere Steckling können bei Ficus problemlos bewurzeln. Nur sehr dünne Stecklinge (2-3 mm) haben es etwas schwerer. Bewurzelungshormon macht das Wurzelschlagen ein wenig einfacher, ist aber nicht unbedingt nötig.
Liebe Grüße
Heiner
Florian Günzburg
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Re: Neuaufbau vernachlässigter großer Ficus

Beitrag von Florian Günzburg »

Hallo Heiner,

danke nochmal. Ich habe jetzt mal ein paar erste Maßnahmen ergriffen und mir einige der Empfehlungen hier zu Herzen genommen. Im ersten Schritt habe ich ihn jetzt nach draußen auf die Terrasse an einen recht sonnigen Standort (nicht ganz vollsonnig) gestellt, einiges Laub geschnitten und die Haupttriere einmal grob in Form gedrahtet. Die sind tatsächlich schon so dick, dass ich ziemlich großen Draht brauchte und selbst mit dem gehen nur noch recht große Radien. Gibt es da evtl. Tricks, noch kleinere Radien zu realisieren? Weil es jetzt überall recht gleiche große Radien sind, was m.E. etwas unnatürlich aussieht. Kann man nach dem ersten biegen etwas warten und nach einiger Zeit weiter biegen?

Ich hab außerdem die Steine entfernt, die Oberfläche etwas gesäubert und ihm ca. 2cm mehr Substrat oben drauf gegeben (Akadama + Lavagranulat). Hab ihn jetzt aber sonst zunächst in der Schale und im alten Substrat gelassen, weil ich ihm nicht zu viel auf einmal zumuten wollte. Im nächsten Frühjahr wird er dann evtl. mal umgetopft. Hab auf der Oberfläche dann noch einige Biogold verteilt.

Was das Totholz angeht, habe ich es jetzt erst stehen lassen. Da muss ich mich erst ein bisschen weiter informieren und ggf. Werkzeug beschaffen. Hab auch schon ein paar Videos gefunden, wo Leute sowas großes als Totholz gestalten, wobei das nie Ficus, sondern ja meist Nadelbäume oder Koniferen sind. Was mit da trotzdem noch nicht ganz klar ist:
Da es ja tatsächlich schon totes Holz ist, sollte ich ihn lieber runter schneiden, bis ich auf lebendes Holz stoße oder besser einen Teil des abgestorbenen stehen lassen?
Kann/sollte ich Jin-Mittel auf dem Ficus nutzen oder ist das nur für Nadelbäume/Koniferen?

Gibt es außerdem eine Möglichkeit, an der Basis oder der Bruchstelle dann irgendwie anzuregen, dass sich noch neue Triebe bilden (z.B. Verletzen und Callusbildung herbeiführen?). Bisher sind es ja praktisch nur zwei Stellen, aus denen die Ganzen neuen Triebe kommen und es wäre natürlich schöne, wenn sie später aus verschiedenen Stellen kommen.

Da eine normale Form für die restliche Gestaltung wohl kaum noch in Frage kommt, wäre mein aktueller Plan jetzt, eine Art windgepeitschten Mehrfachstamm zu machen, sodass es so aussieht, als wäre der abgebrochene Teil vielleicht irgendwann durch starken Wind abgebrochen.
Ich hab hier mal ein Bild des aktuellen Zustandes und ein Versuch, in Photoshop die Gestaltungsidee ganz grob zu visualisieren.
Denkt ihr, dass könnte funktionieren?
Danke

PS: Verzeiht bitte die schlechten Bilder mit dem unruhigen Hintergrund. Der Baum ist so schwer, dass man ihn alleine nicht gut versetzen kann und ich ihn dort Fotografieren musste.
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dax100
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Re: Neuaufbau vernachlässigter großer Ficus

Beitrag von dax100 »

Florian Günzburg hat geschrieben: 10.07.2022, 23:05
Ich hab außerdem die Steine entfernt, die Oberfläche etwas gesäubert und ihm ca. 2cm mehr Substrat oben drauf gegeben (Akadama + Lavagranulat). Hab ihn jetzt aber sonst zunächst in der Schale und im alten Substrat gelassen, weil ich ihm nicht zu viel auf einmal zumuten wollte. Im nächsten Frühjahr wird er dann evtl. mal umgetopft. Hab auf der Oberfläche dann noch einige Biogold verteilt.
Hallo Florian, du hast nun 2 Schichten absolut unterschiedliches Substrat, das hast du zwar gut gemeint, doch nach meiner Meinung hast du nun die Kontrolle über den Feuchtigkeitszustand des Substrats verloren, das aufgeschüttete moderne Substrat zeig dir relativ schnell trocken an obwohl das alte (normale Erde) noch recht feucht ist. So später durch die dunkle kalte Jahreszeit zu kommen stelle ich mir schwierig vor.
Heiner B.
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Re: Neuaufbau vernachlässigter großer Ficus

Beitrag von Heiner B. »

Hallo Florian,

ich schrieb ja oben irgendwo, dass du die Steine entfernen solltest und eine dünne Schicht Akadama aufbringen solltest. Und damit meinte ich auch dünn, also nur etwa eine Korndicke stark. Das ließe die Oberfläche sauberer aussehen und du könntest immer noch beobachten, wie das Substrat abtrocknet.

Mit den 2 cm Dicke des neuen Substrates hast du, wie dax100 schrieb, zwei unterschiedliche Substrate, die natürlich unterschiedlich schnell trocknen. Das kann man sich, natürlich nicht 100% übertragbar, wie Öl auf Wasser vorstellen. Wenn du das so belässt, dann nimm dir zwischendrin einen Schachlikspiess oder Holzzahnstocher, schiebst den tief in den Boden und nach 5-10 Minuten wieder rausziehen, dann kann man erkennen, wieviel Feuchtigkeit noch vorhanden ist.

Die primären Äste hätte ich vielleicht noch nicht so tief nach unten gezogen, sondern diese vorerst noch ein wenig senkrechter gelassen und erst die zweit- und drittrangigen Verästelungen zu Polstern ausgebildet. Dein Virtual sieht jedoch schon ganz gut aus.

Eine windgepeitschte Wuchsform bietet sich bei Ficus eher nicht an, da diese eher selten an der Baumgrenze im Gebirge oder an stürmischen Küsten vorkommen. Fici wachsen meist entweder senkrecht weit hoch über alle anderen Bäume hinaus in den Himmel oder breit ausladend mit vielen Luftwurzeln oder als Würgefeige andere Bäume umschlingend. Das kommt natürlich auch immer auf die Sorte Ficus an, von denen es ja fast an die 1000 gibt.
Liebe Grüße
Heiner
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