Drahten: nicht wie, sondern wann und wie lange?

[Suikinkutsu]

Hallo zusammen,

es gibt hier im Forum dankenswerter Weise reichlich Material zu allen möglichen Themen für Anfänger, um sich einzulesen, sowohl unter "Bonsai Einstieg", als auch unter "Fachwissen".
Ein Thema scheint mir jedoch etwas unterrepräsentiert: das Drahten.
Und das obwohl es ständig gemacht wird.

Bei den Baumportraits gibt es schonmal Hinweise, aber eher allgemeiner Art ("aufpassen, wächst schnell ein"). Über das "Wie" gibt es eine knappe aber sehr informative Anleitung von Erwin Grzesinski (Schritt 5: Jetzt wird gedrahtet).

An die habe ich mich gehalten und vor meinem Urlaub, Anfang Juli, u.a. eine Sandbirke gedrahtet, die ich zuvor etwas frisiert hatte. Nicht viel, lediglich einen Trieb als definierte Spitze aufrecht gedrahtet und einen weiteren als späteren Seitenast, um dessen Position zu korrigieren. Sah für mich ganz manierlich aus.

Nach meiner Rückkehr zwei (!) Wochen später (war warm, die Bäume gut versorgt), hatte ich bereits ein wunderschönes Korkenziehermuster in allen gedrahteten Bereichen .

Habe ich zu eng gedrahtet?
Hatte mich an den Bildern in o.g. Beitrag orientiert. Und der Draht muss ja auch anliegen, wenn er den Ast gleichmäßig halten soll, oder habe ich das mißinterpretiert?

War das einfach der falsche Zeitpunkt?
Aber wann drahtet man dann am besten?

Habe ich den Draht zu lange belassen?
In diesem Falle offensichtlich ja; aber ich hatte bisher den Eindruck, dass Drähte auch mal länger dran bleiben... .

Kurzum: hat vielleicht jemand von den alten Hasen hier die Muße und Lust dazu, auf das Drumherum beim Drahten ein zu gehen, evtl. zum Anheften im Bereich "Fachwissen"?

[espanna]

Hallo Tim,

als alten Hasen würde ich mich nicht bezeichnen, aber meine Erfahrung möchte ich gerne mit dir teilen.
-Wann der Draht einwächst, hängt von der Art und vom Wachstum ab.
-Es gibt Arten, bei denen das wirklich schlimm ist zB. die Rotbuche und es gibt Arten wie zB. die Lärche, oder Fichten bei denen das nicht so schlimm ist, da die Wunden gut schließen, Borke entwickeln und nach ein paar Wachstumsperioden keine Spuren mehr sichtbar sind.
-Vom Zeitpunkt her drahte ich die Bäume komplett im Herbst nach dem Blattfall. Der Draht bleibt dran bis der anfängt einzudrücken. Das kann 2 Wochen nach austrieb sein, oder auch 3 Monate. Wie gesagt, pauschale Aussagen gehen hier nicht.
Drahten kannst du auch nach jedem Blattschnitt.
Einzelne Äste drahte ich auch in der Wachstumsperiode, ganz locker (um ein wenig die Richtung vorzugeben, oder mehr Licht woanders zu schaffen).
-Da das drahten die gewünschte Positionierung der Äste schaffen soll, aber es einwächst bis die da bleiben wo wir möchten, gibt es auch noch die Möglichkeit mit Bändern und Zugdrähten zu arbeiten. Hierbei solltest du auf eine gute Polsterung der Äste achten. Oder halt Draht ab und neu drahten im belaubten Zustand, das ist aber je reifer der Baum, umso schwieriger.

Ich hoffe dass ich dir weiterhelfen konnte!
Viel Spaß beim üben!

[Andreas Ludwig]

Habe ich zu eng gedrahtet?
War das einfach der falsche Zeitpunkt?
Habe ich den Draht zu lange belassen?

Empirische Beobachtung sagt dir: Ja.

Eine deutlich weiterführende Antwort ist, dass es eine Birke ist.
Die sind so. Ich habe vor Jahren sicher den schöneren Korkenzieher gedrahtet als du.

Also nimm es als Lehrstück. Es dient auch bei anderen Arten: Wenn man eher gröberen Draht anlegt, lockerer, eher als «Stützkragen» denn als Korsett, hat man weniger Risiko, sowieso, wenn man gröber formen will. Die Feinheit kriegt man zwei, drei Jahre später allemal hin, wenn die Stütze mal weg ist.

Im übrigen denke ich, man sollte immer aufpassen dass Drahten nicht zum Suchtverhalten wird.

[AlexDuerr]

Hallo Tim,
Ich drahte das meiste im Herbst/Winter, bei Laubbäumen versuche ich immer Anfang Juni den Draht zu entfernen. Bei diesem Vorgehen hatte ich tatsächlich noch nie Probleme mit eingewachsenen Draht. In der Regel halten die Äste dann auch die vorgegeben Form.
Bei im Sommer angelegten Drähten machte ich leider wie du auch schon schmerzliche Erfahrungen mit eingewachsenen Drähten. Gesunde Laubbäume haben da wohl das stärkste Dickenwachstum und angelegte Drähte können da in zwei drei Wochen schon unschöne Narben hinterlassen.
Bei Kiefern verhält es sich bei mir so, dass im September gefühlt über Nacht das Dickenwachstum einsetzt und ich ein wenig acht geben muss, ob und wann ich den Draht entferne.
Drahtdisaster hatte ich aber auch schon zur genüge, vor allem wenn ich angelegte Drähte erst beim Laubfall entdeckte.

[mydear]

Drahtdisaster hatte ich aber auch schon zur genüge, vor allem wenn ich angelegte Drähte erst beim Laubfall entdeckte.

Hallo Alex,
kenne ich auch zur Genüge. Unter der dichten Blätterkrone werden Drähte vergessen. Im Herbst sieht das nicht erbaulich aus, muss ich teils den ganzen Trieb entfernen.
Besser einen Einstecker in den Topf auf dem steht: „30.07.2024: 3 Drähte kontrollieren!“

Grüße
Rainer

[Roberto]

Buongiorno...
Guuuute Idee, Rainer..!

[Berndbonsai]

Bei Laubbäume, vor allem beim Nachwuchs, lasse ich die Drähte ewig lang aus der Krone rausstehen. Dadurch sehe ich ganz einfach wo ein Draht ist und nehme den dann raus. Aber trotzdem hatte ich schon eingedrückten Draht.

[Suikinkutsu]

Hallo zusammen,

sehe gerade mit Erschrecken, dass ich mich garnicht bedankt habe! Vielen Dank für das informative Feedback! Das hilft mir sehr!

Ich wünsche allen einen guten Start in die neue Saison!