Freilandaufzucht - so geht´s - Rohmaterial selber aufziehen

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Reiner
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Freilandaufzucht - so geht´s - Rohmaterial selber aufziehen

Beitrag von Reiner »

von Reiner Vollmari

Erwin Grzesinski hat beschrieben, wie man mit gut gewählten Jungpflanzen aus der Baumschule einen Bonsai gestalten kann. Solche Berichte sind für den ungeduldigen Anfgänger im Bonsaihobby sehr wichtig, da sie schnell ein greifbares Ergebnis liefern. Es gibt aber auch einen längeren Weg mit Baumschulware, der einem in wenigen Jahren einen qualitativ hochwertigen Bonsai in Aussicht stellt.

Von vielen Anfängern werden häufig sehr junge Baumschulpflanzen gezeigt, mit der Frage, was man damit machen kann. Sehr oft lautet die Antwort: "Pflanze ihn erst einmal vier Jahre in den Garten". Da denke ich mir, dass ist für einen Anfänger eine eher unbefriedigende Auskunft, weil er nicht weiß wie er das anfangen soll. Deshalb hier nun einmal ein kleiner Kurs zum Aufziehen von Jungpflanzen in einem geeigneten Beet.
Vorneweg möchte ich den Leuten sagen, die keinen Garten zur Verfügung haben, die beschriebenen Techniken funktionieren auch gut auf dem Balkon, oder in großen Pflanzgefäßen oder Holzkisten.

Einfach im Garten irgendwo in die Erde pflanzen ist nicht der optimale Weg! Wie bei allen Techniken, die wir in der Bonsaigestaltung verwenden, kommt es auf die Optimierung der Bedingungen an. Das soll heißen, ein Pflanzbeet sollte erst einmal auf unser Vorhaben vorbereitet werden. Selber habe ich nur einen kleinen Garten. Deshalb ist mein Anzuchtbeet auch nur knapp 5 m² groß. Das habe ich innerhalb meiner Arbeitsterrasse angelegt. Damit es höher positioniert ist, habe ich große Steinplatten senkrecht als Begrenzung eingemauert. Das ist natürlich nicht nötig, bei mir kam es nur auf die Optik an.

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Die Erde in diesem Beet sollte auf unsere Ansprüche auch vorbereitet werden. Dazu kann man normalen Mutterboden mit viel Lava (Streumittel aus dem Baumarkt) und Bims auflockern. Die Erde sollte immer schön locker bleiben. Wenn sie verdichtet, ist der Zuwachs gleich eingeschränkt. Außerdem bleibt der Wurzelballen kompakter, wenn ordentlich grobes Substrat untergemischt ist. So eine Erde sorgt für viele feine Wurzeln.
Vor der Erstbepflanzung mischt man noch ordentlich viel Grunddünger unter. Da kann man Hornspäne, Knochenmehl, Rinderdung, Pferdemist und ähnliches nehmen.
Beim Bepflanzen immer darauf achten, dass die Bäumchen von allen Seiten genügend Licht bekommen. Das ist sehr wichtig, damit sie nicht einseitig wachsen. Mein Beet ist für 12 -14 Jungpflanzen oder vier große Bäume (Stammdurchmesser ab 30 cm) geeignet.
Beim Einpflanzen im Frühjahr sollte man den Wurzelballen etwas auflockern und schon nicht geeignete Wurzeln entfernen. Wir möchten ja später eine breite Wurzelbasis erreichen, deshalb lassen wir alle radial wachsenden Wurzeln stehen und die senkrecht wachsenden entfernen wir so gut wie möglich.
Alle zwei Jahre nimmt man die Bäume aus dem Beet, macht einen Wurzelschnitt und gräbt die Erde um. Dabei lockert man sie ordentlich auf und kann anschließend noch ordentlich Dünger untermischen.

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Eine Thuja, die nach zwei Jahren im Beet einen sehr guten Wurzelballen ausgebildet hatte. Kevin topfte den Baum damals in die erste Schale.


Beispiel 1:
Das erste Beispiel zeigt einen Gingko, den ich im letzten Herbst in einem Baumarkt gekauft habe. Hat man einen Baum gefunden, den man nun auf eine Bonsaizukunft vorbereiten will, schaut man sich zuerst seinen Wurzelballen an. Alle unbrauchbaren Wurzeln werden entfernt. Dieser Baum hatte ein Problem mit dem Austrieb im letzten Jahr. Bei einer Höhe von 150 cm hatte er drei Kronenäste, die vergeilt wuchsen. Anscheinend hatte er im Baumarkt sehr schlechte Lichtverhältnisse.

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Deshalb wurde er beim Einpflanzen gleich auf die stärkste Knospe zurückgeschnitten. Die Höhe der Knospe spielte keine Rolle, da der Baum nun erst einmal ordentlich in die Länge wachsen soll. Das hat er auch dieses Jahr gut gemacht.

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Er soll so lange wachsen, bis ich mit der Stammverdickung im Wurzelbereich zufrieden bin. Alles was über den ersten zehn Zentimetern zu sehen ist, ist vollkommen uninteressant. Das kommt später sowieso alles weg. Also, wichtig für die ersten zwei Jahre Wachstum ist nur der Wurzelansatz!

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Wenn der Wurzelansatz eine Dicke von ca. fünf cm erreicht hat, wird der Baum das erste mal zurückgeschnitten. Bei diesem Gingko befindet sich ein Trieb auf einer Höhe von 15 cm. Darauf werde ich dann wohl zurückschneiden. Danach wird der Baum wieder frei wachsen, bis sich die Wunde vom ersten Schnitt geschlossen hat. Dann kommt der zweite Schnitt, wo der Baum dann schon eine Wurzelbasis von ca. acht cm haben sollte. Durch das Zurückschneiden erhält der Stamm "Bewegung". Er erhält so eine interessante Wuchsform und steht nicht kerzengerade da.

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Erwartet wurden die fünf cm Dicke im Herbst 2005. Der Baum hat sich aber wesentlich besser entwickelt und die Dicke des Wurzelansatzes war im Dezember 2005 schon auf neun cm gewachsen.


Beispiel 2:
Hier nun ein Pfaffenhütchen, Euonymus europaeus . Daraus kann man ganz hervorragende Bonsai gestalten. Sie bekommen im Herbst feuerrotes Laub. Die Blätter stehen gegenständig, weshalb das Gezeigte bei einem Ahorn ähnlich ablaufen kann.
2002 kam dieser Baum als junge Baumschulpflanze ins Beet. Die Wurzeln wurden, wie beschrieben, vorbereitet. Durch gute Düngung wuchs der Baum die ersten zwei Jahre enorm und verdickte sich sehr gut (von Bleistiftdicke auf fünf cm).

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Das untere Bild zeigt nun den Aufbau des Baumes. Im Frühjahr 2004 erfolgte der erste Rückschnitt. An der Schnittstelle zeigten sich recht bald zwei neue Triebe, die erst einmal auf eine Höhe von 50 cm wachsen durften. Dann wurde die Schnittstelle V-förmig ausgeschnitten, um eine bessere Verheilung der Wunde zu erreichen. Mit guter Düngung wurde der Baum 2004 wieder über zwei Meter hoch und die neuen Äste verdickten sich rasch. Im März diesen Jahres wurde der Baum ausgegraben, um die Wurzeln zurückzuschneiden. Anschließend wurden die Äste erneut zurückgeschnitten. Nun kamen vier Triebe, die sehr schnell sehr lang und dick wurden. Bereits im Juli konnte ich das dritte mal schneiden. Hierbei habe ich den Trieb in der Mitte noch nicht geschnitten, da er noch Dicke braucht als Stammfortführung.
Die neuen Triebe wachsen schon wieder und werden wohl noch über einen Meter lang dieses Jahr.
Ab dem nächsten Jahr wird dann wesentlich häufiger geschnitten, damit sich langsam eine Krone aufbaut. 2007 wird der Baum dann in einer Schale stehen und die Feinverzweigung kann dann aufgebaut werden. Schnittwunden werden später nicht mehr zu sehen sein.

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Beispiel 3:
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Linden sind gut im Freiland zu ziehen. Sie wachsen sehr schnell, behalten einen relativ kompakten Wurzelballen und Wunden vom Rückschnitt schließen sich mit Hilfe der japanischen Wundknete sehr schnell. Diese Linde wurde im Sommer 2003 als Containerware (Bonsaifachhandel) ins Beet gepflanzt. Stammdicke ca. drei cm.

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Leider ist der Stamm auf dem Bild nur schlecht zu sehen (ich habe es in der Bildbearbeitung etwas besser sichtbar gemacht). Im Dezember 2005 hatte sich der Stammansatz auf stolze 11 cm verbreitert. Deshalb ist für das Frühjahr 2006 ein starker Rückschnitt geplant.


Beispiel 4:
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Eine Eiche, die ich seit fünf Jahren im Beet vorbereite. Der Stammansatz hat sich bereits ganz enorm verbreitert. Er geht von 15 cm auf 5 cm innerhalb der ersten 15 cm Stammhöhe zurück. Das ist eine besonders gelungene Stammverjüngung. Trotzdem braucht die Eiche noch einmal die selbe Zeit, dann ist sie aber ein erstklassiger Bonsai geworden.


Beispiel 5:
Wer Shohinbonsai mag, wird wissen, dass gute Shohin einen stolzen Preis haben. So ein Bäumchen kann man sich im Freilandbeet auch selber sehr gut erziehen. Hier muß man allerdings schon eine gehörige Portion Mut mitbringen, da man sein Bäumchen immer extrem stark zurückschneiden muß.

Dieser kleine Gingko soll eines Tages ein kleiner, dicker Shohin werden. Er wurde auch im letzten Jahr als knapp fünf Millimeter dickes Jungpflänzchen im Bonsaihandel gekauft. Er wurde direkt auf einer Höhe von drei cm abgeschnitten (man sah gut eine schlafende Knospe). Dieses Jahr (2005) wurde er auch ins Freilandbeet gepflanzt.

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Er wuchs sehr gut an und zeigte im Juli schon eine erste, schöne Stammverdickung. Er wächst jetzt so lange, bis der Stammansatz ca. fünf cm stark ist. Dann wird er auf einer Höhe von fünf cm abgeschnitten. Dann wächst er weiter, damit die Schnittwunde verheilen kann. Bis er in die Schale kommt wird der Stamm nicht höher sein als 10 cm (nach dem letzten Rückschnitt).

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Beispiel 6:
Ja, es ist nur schwer vorstellbar, dass man Bäume so eng beschneiden kann und die das noch überleben. Deshalb hier nun ein Baum, der seit 2001 als Shohin vorbereitet wird. Das ist eine Kornelkirsche, Cornus mas. 2001 in einer Baumschule als bleistiftdickes Pflänzchen gekauft. Der Baum wurde sehr schrägstehend eingepflanzt und dann durfte er ungehindert zwei Jahre stark wachsen.

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2003 war die Kornelkirsche schon recht stark geworden. Der Stammansatz hatte fünf cm Dicke erreicht. Bei einer Stammhöhe von fünf cm war eine kleine Knospe zu erkennen, auf die ich den ersten Rückschnitt machte. Wie erwartet trieb der Baum an der Knospe aus und wuchs kräfig weiter. Er durfte wieder zwei Jahre wachsen und hatte dieses Frühjahr einen sieben cm dicken Stammansatz. Deshalb wurde er auf eine Höhe von sieben cm zurückgeschnitten. Dabei wurden dann auch gleich die Wurzeln zurückgeschnitten. Mittlerweile ist er wieder über einen Meter hoch und der Stammansatz ist bereits acht cm dick. Am Leittrieb könnt Ihr sehen, dass ich den Baum im Frühjahr 2007 auf eine Höhe von acht cm zurückschneiden kann. Dann hoffe ich auf einen Stammansatz von zehn cm.

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Die Schnittstellen verheilen erwartungsgemäß. An der ersten Schnittstelle von 2003 sieht man wie weit sie schon geschlossen ist. Um eine bessere Heilung zu erreichen, kann man zwischendurch den Rand der Rinde (Kallus) einschneiden. Dadurch wird der Baum zum stärkeren Überwallen der Wunde angeregt.

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Eine weitere Methode für eine Stammverdickung sind sogenannte "Opferäste". Wahrscheinlich habt Ihr Euch gewundert, dass an dem Bäumchen einige Äste stehen, die so gar nicht in eine Gestaltung passen würden. Die sollen auch nicht bleiben. Sie haben nur den Zweck, den Saftfluß an den Schnittstellen aufrecht zu erhalten. Sie helfen beim schnelleren Verheilen der Wunden und nebenbei verdicken sie auch noch den Stamm.

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Wenn diese Opferäste ihre Pflicht erfüllt haben, oder langsam zu dick werden, werden sie sauber ausgeschnitten. Das sollte man dann mit einer Hohlkonkavzange machen, damit ein tiefer Schnitt erzielt wird. Die Wunden heilen schnell zu und bald sieht man nicht mehr, wo diese Äste einmal waren.
Ihr seht nun, dass man auch mit Pflanzen, die im Beet stehen, reichlich Arbeit hat. Diese Art der Vorbereitung macht viel Spaß und ist garantiert der schnellste Weg, um an einen schönen Bonsai zu kommen.
Will man seine junge Pflanze gleich in eine Schale pflanzen, wird sie sehr viel längere Zeit benötigen, bis sie einmal ein Bonsai ist. Je nach Pflanzenart und Wüchsigkeit kann man im Freiland schon nach fünf Jahren einen wirklich guten Bonsai besitzen.

Konsequent und mutig sein!

Da viele Bonsaianfänger Angst vor konsequenten Schnitten haben, zeige ich zum Abschluß noch einmal eine Feldulme, die Kevin gehört. Das Bäumchen stammt auch aus der Baumschule. Dieser Baum ist allerdings immer nur in einer Bonsaischale gewachsen, was seine Entwicklung auch deutlich verzögerte. Das Nebari ist nicht erstklassig, aber schon recht schön. Der Baum hatte allerdings eine ziemlich häßliche Krone. Deshalb sagte ich dem Kevin: "Schneide sie einfach ab".
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Ein Bild von 2002, auf dem der Baum zu sehen ist.
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Nach dem Rückschnitt ist das Nebari gut zu sehen. Hier muß in Zukunft noch gearbeitet werden.
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Nach dem Rückschnitt entwickelt sich die neue Krone viel besser. Bisher ließ Kevin den Baum immer lang austreiben. Ab nächstes Jahr arbeitet er dann der Feinverzweigung.
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Hier nun das Nebari, ...
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...die Wundverheilung...
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ulme5.jpg (75.12 KiB) 2397 mal betrachtet
und die Vorderansicht der Schnittstelle. In ein paar Jahren wird das ein richtig schöner Bonsai sein.


Winter

Zum Schluß möchte ich nur noch anmerken, dass ein Freilandbeet keinen extra Winterschutz benötigt. Die Bäumchen können hier tief wurzeln, wodurch keine Frostschäden zu erwarten sind. Dies gilt allerdings nur für einheimische Baumarten. Empfindlichere Sorten können im Winter mit einer Fliesplane oder Fichtenästen abgedeckt werden.

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Der Winter im Ruhrgebiet ist milder, als an anderen Orten in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Spätfröste, wenn es im Frühjahr schon warme Tage gegeben hat, bilden die größte Gefahr.
Deine Organe kommen nicht in den Himmel! Spende rettet Leben.

Reiners Bonsai Blog
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