von Gunter Lind
Seit dem 17 Jh. erschienen in China Musterbücher für Handwerkermaler. Ganz wie in den europäischen Musterbüchern für Bauleute, Dekorationsmaler oder Möbeltischler wird dort die hohe Kunst verschiedener Stilarten in einer für den Handwerker oder auch den Hobbymaler brauchbaren Form wiedergegeben. Es gibt eine ganze Reihe solcher Werke. Die letzten erschienen noch Anfang des 20. Jhs.
Das bekannteste Werk dieser Gattung war wohl das Malbuch vom Senfkorngarten (Chieh-tzu-yüau-hua-chuan), 1679 herausgegeben von einer Autorengruppe (Wang Gai, Li Liu-fang, Zhu Sheng, Wang Zhi...). Das Buch hat auf die Geschichte von Bonsai eine beträchtliche Wirkung ausgeübt, weil es 1748 in Japan nachgedruckt wurde, und deshalb, im Unterschied zu anderen chinesischen Quellen, dort leicht zugänglich war.
Das Werk besteht aus einer kurzen Einführung in die Malerei und anschließend verschiedenen Teilen, die jeweils bestimmten Sujets gewidmet sind:
- Das Malen von Bäumen
- Das Malen von Bergen und Steinen ( Landschaftsmalerei )
- Orchideenmalerei
- Bambusmalerei
- Winterpflaumenblüte
- Chrysanthemenmalerei
Schon die Auswahl der Themen zeigt, dass der Literatenmalerei breiter Raum gegeben wurde. Dies kommt auch an manchen Stellen im Begleittext zum Ausdruck. So wird ausgeführt, es komme darauf an, durch die Form den Geist eines Gegenstandes auszudrücken und mittels der Methode des Malens die Regungen des Herzens darzustellen.
Das Buch der Bäume steht am Anfang, weil das Malen von Bäumen als zentral für die Landschaftsmalerei gilt: Um Landschaften zu malen, soll man zunächst Bäume malen können. Das Buch besteht aus 77 Holzschnitten, mit begleitendem Text, der jeweils in die Abbildung integriert ist. Behandelt wird das Malen einzelner Bäume, von Baumgruppen und Wäldern, das Malen von Bäumen aus der Nähe, aus mittlerer Entfernung und aus der Ferne, sowie das Malen verschiedener Baumarten. Das Ganze ist ein Überblick über die Art und Weise, wie in der Literatenmalerei Bäume dargestellt wurden. Sehr viel Wert wird darauf gelegt, den Baum-Malstil bekannter Künstler der Vergangenheit wiederzugeben. Bei ungefähr der Hälfte der Holzschnitte wird auf einen bestimmten Künstler oder eine Gruppe hingewiesen, deren Stil das entsprechende Blatt entspricht. Natürlich kann die Holzschnittechnik die Art der Pinselführung der Tuschmalerei nur sehr unvollkommen darstellen. Lavierungen etwa, oder Halbtoneffekte lassen sich nicht wiedergeben. So geht einiges von der Atmosphäre der Originale verloren und die Bilder wirken etwas lehrbuchartig-trocken. Aber für jemanden, der Vorbilder für die Bonsai-Gestaltung suchte, mag das eher als Vorteil erschienen sein.
Im folgenden einige Beispiele, mit Übersetzung des dem Bild zugeordneten Textes.
Quelle: Der Senfkorngarten, Hrsg. Hans Daucher, übers. Angelika Obletter, Bd.1, Ravensburg 1987
Baumdarstellung von Wu Zhong-gui; diese Methode wurde später von Shi-tian nachgeahmt.
Li Ying-qui malte Kiefern mit der Krümmung eines zusammengerollten Drachen oder eines sich aufschwingenden Phönix.
Ma Yuan malte oft mit gespreiztem Pinselstrich. Seine Bilder haben eine antike Wirkung. In diesem Stil zu malen ist äußerst schwierig. Man sollte nicht vorgehen wie Wu Xiao-xian, der ihn mit armseliger Pinselführung und ohne Methode nachgeahmt hat.
Der buddhistische Mönch Ju-ran und der Priester Mei malten oft diese Art alter Zypresse.
Die Literatenmalerei - Baumbilder der Literaten, Vorbilder für Bonsai
Der "Senfkorngarten" - Ein altes Lehrbuch der Malerei
Der "Senfkorngarten" - Ein altes Lehrbuch der Malerei
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