Kolbe, Carl Wilhelm (1759-1835) - Eichen in Arkadien an der Elbe

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gunter

Kolbe, Carl Wilhelm (1759-1835) - Eichen in Arkadien an der Elbe

Beitrag von gunter »

von Gunter Lind

Die Kunst Carl Wilhelm Kolbes war bei seinen Zeitgenossen kaum weniger unbekannt als sie es heute ist. Kolbe war Französischlehrer in Dessau, studierte erst als Dreißigjähriger für einige Jahre Kunst in Berlin und ging danach wieder nach Dessau zurück, jetzt als Lehrer für Französisch und Zeichnen. Zum Kunstbetrieb seiner Zeit hatte er nur wenige Beziehungen. Von Verkäufen hätte er nie leben können. Er war ein Einzelgänger. Dabei gehören seine Radierungen zum Besten was damals in dieser Technik in Deutschland entstand und sie geben das Naturgefühl der frühen Romantik vielleicht klarer wieder als die Arbeiten mancher Maler, die gemeinhin mit der Romantik identifiziert werden.

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Landschaft mit zwei großen Eichen

Für die Romantik ist die Natur eine harmonische, vollendete, organische Ganzheit, eine Idee der Gottheit und als solche göttlich. Sie ist ein lebender Organismus, alles ist belebt, durchwirkt von einer geistigen Naturkraft. Der Mensch lebte ursprünglich in Einklang mit der Natur, war gewissermaßen Teil dieses Organismus und es ist Aufgabe der Kunst (und der Wissenschaft) diese ursprüngliche Einheit auf einer höheren, reflektierten Ebene wiederzugewinnen.

Kolbe hat jenes antike Arkadien, in das man die verlorene Einheit gern hineinprojizierte, nicht wie die meisten seiner malenden Zeitgenossen in südländischen Landschaften wiederzufinden gesucht. Er fand es vielmehr vor der Haustür. Er liebte die Landschaft um Dessau, besonders die damals noch vorhandenen großen Eichenwälder. Die sumpfige Auenlandschaft mit großen, alten Eichen ist das Thema seiner Kunst. Er versucht diese Landschaft so wahr und lebendig wieder darzustellen, als ich sie innig fühlte. Seine Eichen sind präzise gemalt. Es sind unzweifelhaft Eichen und nicht irgendwelche andern Bäume. Nur Wahrheit und Lebendigkeit im Ganzen wie in den Details, nur jener Charakter der Anschaulichkeit, der dem unbefangenen Zuschauer den unwillkürlichen Ausruf abpreßt: Das ist wirkliche Natur!

Kolbes Blätter sind keine Stimmungsmalerei. Es geht nicht um die Befindlichkeit oder das Erlebnis des Künstlers. Es gibt auf Kolbes Bildern keine Jahreszeiten, keine Tageszeiten, kein Wetter, wie Sturm, Regen Nebel. Alles irgendwie zeitgebundene, auf eine bestimmte Situation hinweisende fehlt. Die Blätter zeigen die üppige Entfaltung der Vegetation, die Fülle der Naturkraft. Es fehlt auch alles Symbolische. Es gibt zum Beispiel nirgendwo einen Hinweis auf die damals gängige patriotische Eichensymbolik.

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Der ruhende Hirt

Kolbe geht es nur darum, auf Wörlitzens Fluren Arkadia zu finden. Dies Paradies im Eichenwald erinnert noch sehr an die Pastoraltradition des Rokoko, an die Idyllen, die in Dichtung und Malerei des 18. Jhs. so beliebt waren. Auf manchen von Kolbes Blättern tummeln sich Nymphen, Satyrn und Bacchanten. Aber sie sind nur Staffagefiguren, für die Aussage des Bildes eigentlich unnötig und oft an den Rand gerückt. Sprechen soll die Natur, eine unberührte Natur, mit stillen Waldwinkeln, üppigem Buschwerk, und Schatten spendenden Bäumen, die den Menschen glücklich machen und in Einklang mit sich selbst bringen soll. Für Kolbe liegt dieser paradiesische Zustand vor aller Kultur, in einer vom Menschen weitgehend unberührten Landschaft, also nicht im Wörlitzer Landschaftspark mit seinen Pavillons, sondern in den Eichenwäldern darum herum.

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Satyr am Baum

Dass Kolbes Arkadien tatsächlich nicht mehr die Rokoko-Idylle ist, sondern auf die beginnende Romantik verweist, zeigt das Alterswerk mit der "Phantastischen Eiche", einer Totholzskulptur mit nur noch wenigen lebenden Zweigen. Mit dem daneben gestellten üppigen Baum im Bildmittelgrund ist es zugleich eine Parabel von Leben und Tod, Manneskraft und Alter. Aber dieser alte, fast tote Baum strahlt eine wilde Kraft aus. Das tote Holz hat Bewegung, hat Rhythmus. Die Naturkraft manifestiert sich hier nicht weniger stark als in den umgebenden, lebensstrotzenden Bäumen, sie ist unmittelbar, dramatisch, wild.

Zugleich kann man dem Totholzmuster eine gewisse dekorative Wirkung nicht absprechen. Die zeigt sich auch in den andern Bäumen Kolbes. Die lockere Belaubung der hohen Äste verteilt sich immer höchst dekorativ über den Himmel. Die gewundenen Äste der Eiche mit dem Satyr zeigen nicht nur Kraft, sondern eine durchaus dekorative Eleganz. Der schwere Baum erscheint fast leichtfüßig. In die Rolle des Satyrs unter der Eiche möchte Kolbe den Betrachter seiner Bilder versetzen. Seine Kunst habe ihren Zweck erfüllt, wenn ein empfindsames Herz sich mit Wohlgefallen an meine Landschaften anschließt; wenn in einer fühlenden Seele der Wunsch sich regt: Möchte ich unter jenen Bäumen wandeln!

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Phantastische Eiche mit Storchennest


Bildquellen

1, 2 und 4: Ulf Martens: Der Zeichner und Radierer Carl Wilhelm Kolbe d.Ä. , Berlin (Gebr. Mann) 1976
3.: Willi Wolfradt: Caspar David Friedrich und die Landschaft der Romantik, Berlin (Mauritius) 1924
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