Kleine Bäume für Geduldige - Weiterbearbeitung von Sämlingen und Stecklingen

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zopf
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Kleine Bäume für Geduldige - Weiterbearbeitung von Sämlingen und Stecklingen

Beitrag von zopf »

Auf dem Weg eines kleinen Baumes zum Bonsai steht in meinen Augen die Entwicklung eines ansprechenden Wurzelfusses an erster Stelle. Während und nach der Wurzelentwicklung kann schon eine erste Auswahl bezüglich der Stammentwicklung getroffen werden.

Als erstes Beispiel sollen einjährige Stecklinge dienen. Die Stecklinge wurden im Juni 2005 von einer Ulme mit Korkrinde geschnitten. Als Substrat habe ich Anzuchterde mit Sand-Beimischung benutzt. Die Stecklinge wurden ca. zwei Wochen nach beginnender Wurzelbildung anfangs vorsichtig, später kräftiger gedüngt. Die Höhe beträgt ca 60cm-70cm.
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Das erste Pflänzchen hat bereits einen entwicklungsfähigen Wurzelballen und die Aststruktur könnte später eine Besenform ergeben. Am Anfang belasse ich vier Äste, die nach und nach bis auf zwei Äste entfernt werden. Der Wurzelballen wird stark eingekürzt und alle starken Wurzeln werden entfernt. Die unten ansetzenden Äste und alle Knospen am Stamm werden ebenfalls entfernt. Die leichte Krümmung des Stammes wird sich hoffentlich noch auswachsen.
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Dieses Pflänzchen ist ein Negativ-Beispiel. Die Äste setzen gegenüberliegend an und trotz Draht wird sich daraus kein ansprechender Baum entwickeln lassen.
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Auf dem nachfolgenden Bild sind die bearbeiteten Stecklinge, die in den nächsten Jahren Ihre Eignung für eine Grundform entwickeln werden.
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Das zweite Beispiel behandelt vierjährige japanische Lärchen. Im Februar 2005 habe ich die Bäume von einer Forstbaumschule (0,65€ pro Stück) erhalten und in eine Anzuchterde/Rindenhumus-Mischung gepflanzt. Mischung heisst in diesem Fall, das Substrat ist Rindenhumus und nur im Wurzelbereich ist Anzuchterde. Dieser Aufbau soll einerseits die Wurzelbildung fördern, andererseits ein Jahr strukturstabil bleiben
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Die Wurzelballen werden einfach mit der Schere getrennt, danach entwirrt, ausgewaschen und stark zurückgeschnitten. Auf dem rechten Bild ist der vorläufige Schnitt zu sehen. Da diese Lärchen für ein Wäldchen gedacht sind habe ich danach noch weiter zurückgeschnitten
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Nach dem Wurzelschnitt habe ich leicht die Spitze geschnitten und senkrecht gedrahtet. Die Äste sind einfach wie ein Weihnachtsbaum zurückgeschnitten und nur im unteren Bereich, wenn nötig gedrahtet.
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Als Pflanzgefäß benutze ich einfache Balkon-Kästen mit 2 Abflusslöchern am Ende. Da die Kästen immer geneigt stehen, ergibt sich kein Problem mit Staunässe. Eine Mischung aus 40% Blähton-Bruch und 60% Rindenhumus erscheint mir im jetzigen Stadium die richtige Mischung zu sein, da ich schrittweise den Anteil an organischen Bestandteilen verringern möchte. Ausserdem ermöglicht mir der Rindenhumus den Einsatz von preiswerten mineralischen Düngern. Die Drainageschicht (eigentlich unnötig) ermöglicht mir beim nächsten Umtopfen ein einfaches Absägen der nicht benötigten Wurzeln.
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Eine dieser Lärchen hatte schon eine annehmbare Wurzelebene und einen gabelförmig geteilten Stamm. Da die Wurzeln zudem einseitig stärker ausgeprägt waren habe ich das Pflänzchen leicht gedrahtet und zur stärkeren Entwicklung in einen Teichkorb gepflanzt. Die Drahtung dient nur zur Formung der Ansätze, da der weitere Lebensweg der Pflanze wohl hauptsächlich durch Schnittmassnahem bestimmt wird.
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Als letztes Beispiel dienen Apfel-Bäumchen. Die Samen habe ich im November 2001 ausgesät und nach 1 Jahr ins Beet gepflanzt. Dort wurden sie bisher einmal umgesetzt. Die Möglichkeit einer Platte unter der Wurzel ist leider durch die Hanglage nicht gegeben.
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Einen Apfel habe ich wiederum in einen Teichpflanzkorb gepflanzt, da er gute Anlagen für einen kleinen Baum hat. Wenn ein Baum noch nicht auf seinem Wurzelballen (Holz zum Stützen) steht, ist die Wurzelebene noch nicht ausgeprägt genug.
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So geschnitten und vorbereitet setze ich die Pflanzen wieder ins Beet um im nächsten Jahr die selben Arbeitschritte durchzuführen. Als erstes beschneide ich meist die Wurzeln, um danach den Stamm und die Äste einzukürzen. Die dickeren Äste schneide ich mit der Konkavzange und lasse dünne Zugäste stehen.
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Auf dem letzen Bild ist ein Wurzelsteckling zu sehen. Also einfach ein dickes Stück abgeschnittene Wurzel, das letztes Jahr einfach mit eingepflanzt wurde. Lediglich 1-2 cm der abgeschnittenen Wurzel waren über der Erdoberfläche. Dieses Bäumchen wird für eine Felspflanzung vorbereitet, daher werden die Wurzeln länger gelassen, damit diese in Zukunft den Stein umklammern können.
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Fazit der ganzen Aktionen:

Die ersten Jahre sollten die Pflanzen in Töpfen gehalten werden, damit sich der Wurzelballen kontrolliert entwickeln kann. Nach 4-5 Jahren Topfkultur ist ein Auspflanzen der Bäume ins Freiland empfehlenswert. Die anfängliche Anzuchterde sollte Schritt für Schritt durch besser drainierendes Substrat ersetzt werden. Die stetige Nässe in der Anzuchterde begünstigt einerseits die Wurzelbildung, andererseits bilden sich dicke "Wasserwurzeln" die später entfernt werden müssen. Auch ungestörtes Wachstum über zwei Jahre kann ich nicht empfehlen. Die Schnittstellen im Wurzel- und Stammbereich sind dann unnötig gross und schmälern schon jetzt die Eignung zum "schönen Bonsai". Zu Sämlingen kann ich nur sagen: jede Menge sähen, immer mehrere in einen Topf. Nach ein paar Wochen die schwächeren herausziehen und nur die stärksten und besten Sämlinge behalten. Nach einem Jahr eine weitere Auswahl treffen und so weiter. Je weiter die Pflänzchen heranreifen, je mehr Pflege benötigen sie und lieber eine Pflanze 5 Stunden pflegen als 5 Pflanzen je eine Stunde pflegen. Bei den Apfelbäumen habe ich mit über 50 Sämlingen angefangen und nur einer wird das Rennen machen.
grüsse an die bewohner von melmac
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