Über die Reste des Frühlingsschnitts - Möglichkeiten der Stecklings-Vermehrung

Anzucht, Vermehrung, Pfropfen, Yamadori etc.
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zopf
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Über die Reste des Frühlingsschnitts - Möglichkeiten der Stecklings-Vermehrung

Beitrag von zopf »

Wenn bei Unseren Bäumchen der erste Frühlingsschnitt erfolgt ist, bleibt meist reichlich Schnittgut übrig. Wer Lust und Zeit hat kann daraus dann Stecklinge machen. Vorteile von Stecklingen sind das identische Erbgut mit der Mutterpflanze. Das bedeutet das Blattform, Blattfarbe, Austriebsbeginn und gegebenfalls Blüte gleich sind. Bei Wald-, Gruppen der Mehrfachstämmen bringt das enorme Vorteile mit sich. Ausserdem können eventuelle Vorzüge einer speziellen Pflanze weitergenutzt werden.
Bei Blühpflanzen z.B. Apfel, Quitte, Aprikose muss man mit einem Zeitraum von 10-15 Jahren rechnen, bis die ersten Blüten erscheinen. Stecklinge, schon Blüten tragender Bäume, können dagegen schon im ersten Jahr blühen.

Auf dem ersten Bild ist Schnittgut des Tages. Im linken Glas sind Quitten- im rechten Glas Katsura- und Amur-Ahorn-Stecklinge. Direkt nach dem Schnitt stelle ich sie in ein Glas mit Algan um sie meist am nächsten Tag weiter zu verarbeiten. Die Schale fülle ich mit Anzuchterde und Kies (2-3mm) und bohre mit einem Stift 2-3cm tiefe Löcher in das Substrat.
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Links sind die Werkzeuge, die bei mir für Stecklinge zur Verwendung kommen. Eine kleine Konkavzange, eine Schere, Pinsel zum Versiegeln der Schnittstelle, Holzstab zum Stechen der Löcher, Skalpell und Schnitt-Unterlage sowie als Hilfsmittel Wundverschluss und Wurzelhormon. Der Wundverschluss ist in meinen Augen unabdingbar, da das grösste Problem der Stecklingsvermehrung das Verpilzen ist. Deshalb versiegele ich alle oberirdischen Schnittstellen, mit bisher guten Erfahrungen
Rechts sind die einzelnen Arbeitsschritte zu sehen. Kürzen auf 3-4 Internodien, dabei die weiche Spitze immer abschneiden. Danach folgt das Versiegeln der Schnittstelle. Die aus dem Glas genommenen Stecklinge mit Wurzelhormon bestäuben und dann mit dem Skalpell mittig im bestäubten Bereich abschneiden. Ohne die ehemalige Schnittstelle Abzuschneiden, besteht das Risiko des Vertrocknens, da das pulverige Wurzelhormon den Wassertransport verhindern kann.
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Wenn die Ladung Stecklinge fertig ist wird die Erde vorsichtig, aber sehr gründlich angegossen. Für die geduldigen Menschen ist hier der Einsatz einer Ballbrause zu empfehlen. Nach dem Wässern muss die Erde um den Steckling noch leicht angedrückt werden, da sich durch das Wässern die Stecklinge gelockert haben. Der gewählte Standort sollte hell und vor allen Dingen warm sein. Temperaturen unter 20 Grad verzögern die Wurzelbildung und erhöhen die Gefahr eines Fehlschlags. Das Gewächshaus auf dem Bild ist zwar etwas teurer in der Anschaffung aber für diejenigen die öfters Stecklinge ziehen wollen eine lohnenswerte Anschaffung.
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Als Stecklings-Substrat kann man auch Steinwolle oder Oasis-Schaumstoff verwenden. Der Einsatz solcher spezieller "Substrate" ist aber nur bei der Vermehrung von schwierig zu bewurzelnden Stecklingen gegeben. Vor der Verwendung müssen solche Substrate mit leichter Düngung gewässert werden. Dazu habe ich das angemachte Algan-Wasser verwendet. Der im hinteren Teil zu sehende Schaumstoff ist nicht zur Stecklingsvermehrung geeignet da er einerseits zu hart, andererseits mit einer Wasser abweisenden Imprägnierung versehen ist. Auf dem rechten Bild ist ein Amur-Ahorn-Steckling zu sehen, der in einem Steinwoll-Block Wurzeln bilden soll.
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Da des öfteren das Problem auftaucht das die zu bewurzelnden Stecklinge zu gross für ein Gewächshaus sind, ist hier ein improvisierter Lösungsvorschlag. Eine in der Grösse ausreichende Styropor-Platte an den Kanten mit Abdeckband verstärken. Schweissdraht 5-6 mm stark wird den gewünschten Maaßen entsprechend zurechtgebogen und dann mit Frischhaltefolie umwickelt. Nachdem der Steckling auf die Styroporplatte gestellt wurde, einfach die Ecken des Schweissdrahtes leicht in das Styropor drücken und fertig ist ein kleines Gewächshaus.
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Auf unterem Bild sind dickere Abschnitte der Quitte zu sehen, die ich versuchsweise wie Steckhölzer behandelt habe. 3 der Steckhölzer habe ich im unteren Teil mit Sphagnum umwickelt (mit Bast fixiert), die 3 anderen zu Kontrollzwecken einfach so gesteckt. Da die Stämmchen etwas dicker sind habe ich den unteren Teil 2-4 fach angespitzt. Der Standort der Steckhölzer ist draussen im Gewächshaus ohne Abdeckung und Wärme. Nach 2 Wochen zeigte sich der erste Austrieb was darauf hoffen lässt das die Wurzelbildung einsetzt.
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Auf dem letzten Foto sind Wurzelabschnitte eines Zierapfels. Da ein Zierapfel nicht die Wüchsigkeit eines normalen Apfelbaumes hat bleibt abzuwarten ob sich oberirdisch Triebe entwickeln. Bei starkwüchsigen Apfelbäumen ist der Weg des Wurzelstecklings erfahrungsgemäss erfolgreich.
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2 Wochen nachdem ich die Stecklinge geschnitten habe, scheinen 70%-80% der Quitten zu bewurzeln. Bei den Ahörnchen musste ich schon 25% entfernen da sich ein Pilz auf den Knospen und den frischen Trieben niedergelassen hat. Frühere Versuch ein Fungizid einzusetzen haben sich als nicht erfolgreich erwiesen, sodas ich heutzutage darauf verzichte.

Stand am 20. Juni 2006
Aus dem Urlaub wieder gekommen musste ich leider feststellen, das die meisten Stecklinge die hochsommerlichen Temperaturen und die Pflege der Cat-Sitterin nicht überlebt haben. Da auch die anderen Bäume sehr gelitten haben (Spitzen vertrocknet) lohnt es sich kaum Sommerstecklinge zu machen.
Zu den Frühjahrsstecklingen kann ich aber genaueres sagen.
Die Stecklinge sollten einen Durchmesser von 5-10mm haben. Der beste Zeitpunkt ist kurz nach dem Erwachen der Knospen, wenn die ersten Blattspitzen zu erkennen ist. Dünnere Stecklinge haben kaum eine Chance und sollten im Sommer geschnitten werden. Stecklinge die dicker als 10mm sind, sollten wie Steckhölzer behandelt werden. Also 15cm-30cm lang in einen tiefen Topf 5-10cm in die Erde stecken. Da 5 von 6 Steckhölzern angegangen sind ist es unerheblich ob der Schnitt mit Spaghnum eingewickelt wird oder nicht.
Die ersten Wurzelstecklinge fangen an Blätter zu treiben, also sollte man viel Geduld mit Wurzelstecklingen haben. Da auch die Zierapfel-Wurzeln zu treiben anfangen, ist es lohnenwert die beim Umtopfen anfallenden Wurzeln einzupflanzen, da sich recht leicht Literaten und Kaskaden mit den
Wurzelstecklingen gestalten lassen.


Stand am 9. Juli 2006
Auf der linken Seite ist ein Kyohime vom letzten Jahr, rechts ein Katsura aus diesem Jahr.
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Hier sind Wurzelstecklinge eines Zierapfels aus diesem Jahr. Die Wacholder Stecklinge habe ich vor 2 Wochen dazugesteckt.
Da die Äpfel erst Frühjahr 2008 umgetopft werden kann ich den Platz so besser nutzen.
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Als letztes Steckhölzer und Wurzelsteckling der Quitte.
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Stand 8.September.2006

Da die Quittensteckhölzer unterschiedliches Wachstum zeigten, habe ich gestern einen Topf aufgelöst,
um der Ursache auf den Grund zu gehen. Die mit Spaghnum umwickelten Steckhölzer haben eine gutes
Wurzelwachstum, im Gegensatz zu den anderen Steckhölzern. Daher würde ich bei
Steckhölzern das umwickeln mit Spaghnum empfehlen.

Nächstes Frühjahr stehen weiter Versuche mit Wurzel-Stecklingen und Steckhölzern an.
Als Pflanzen kommen dann Dreispitz und Zellkowe in Frage.




Sollten bei Euch Fragen aufkommen, die sich nicht aus dem Text erklären, fragt bitte nach. Es ist leider nicht so einfach an alles zu denken, da gewisse Arbeitschritte schon automatisiert sind und deshalb auch keine Erwähnung finden.
grüsse an die bewohner von melmac
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