Wurzelbild - Grundlagen

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Holger
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Wurzelbild - Grundlagen

Beitrag von Holger »

Um Euch ein bisschen mit meiner Vorgehensweise vertraut zu machen, folgt hier ein Bild, das die Sicht auf die Wurzeln darstellt. Das Graue stellt die Schale dar, Hellbraun sind die Wurzeln, Dunkelbraun der Stamm.

wurzel2.jpg
wurzel2.jpg (47.36 KiB) 911 mal betrachtet

Auf Bild 1 ist ein idealisierter Baum, bei dem sich die Wurzeln gleicher Stärke in alle Himmelsrichtungen gleichförmig ausbreiten. Auf Bild 2 fängt dann die Entwicklung der Wurzeln im Hinblick auf unsere Bedürfnisse an. Die seitlichen Wurzeln bleiben in ihrer Länge bestehen, die vorderen und hinteren sind kürzer, wobei die hinteren Wurzeln durchaus etwas länger sein könnten.

Auf Bild 3 haben wir dann den Baum in eine ovale Schale gepflanzt und die Wurzeln etwas unregelmäßiger gestaltet. Auf Bild 4 kommt dann eine ungefähres Bild unserer Idealvorstellung. Die Wurzeln sind links etwas ausgeprägter, und der Baum ist außermittig gepflanzt. Bei der Astentwicklung tragen wir dem Rechnung, indem wir die Äste der linken Seite auch etwas länger lassen.

Wenn wir Unsere Bäume versuchen in dieser Richtung zu bearbeiten, haben wir eine Grundlage gelegt, um im Laufe der Zeit ein schönes Nebari zu erhalten. Da wir einen Baum von den Wurzeln, über den Stamm zu Krone betrachten ist ein schönes Wurzelbild die
Grundlage jedes schönen Baumes.

Wenn Ihr das untere Bild betrachtet, könnt Ihr gut erkennen, das erst Wurzelbild und Stammverjüngung eine Weiterentwicklung in Richtung des Virtuals ermöglichen.Ich hoffe das ich es einigermaßen verständlich dargestellt und beschrieben habe. Meine Vorgehensweise mit graphischen Primitiven und vom ganz Einfachen zum Idealisierten ist im Prinzip auch die Art und Weise wie ich die Schule sehe.
wurzel1_206.jpg
wurzel1_206.jpg (43.89 KiB) 911 mal betrachtet

Ich möchte euch eine Möglichkeit zur Verbesserung des Wurzelbildes vorstellen. Diese Möglichkeit habe ich selbst noch nicht ausprobiert, werde Sie aber beim Umtopfen unserer Bäumchen auch in die Realität umsetzen. Da wir nur an der oberen Wurzelebene interessiert sind, wird dieser Bereich gestärkt. Der untere Teil der Wurzeln (Pfahlwurzel) dient uns nur dazu den Baum schneller und stärker wachsen zu lassen. Daher werden nur die oberen Wurzeln entwirrt und geordnet und der unter Wurzelballen bleibt unberührt.

wurzel3.jpg
wurzel3.jpg (22 KiB) 911 mal betrachtet

Auf Bild 1 ist in vereinfachter Darstellung das normale Wurzelbild eines Baumes zu sehen. Beim normalen Umtopfen würden wir die gesamte Erde entfernen und das Wachstum des Bäumchen´s, bis zur Neubildung und Stabilisierung der Wurzeln verzögern.

Daher entwirren wir nur den oberen Teil der Wurzeln, bis wir die erste gute Wurzelebene freigelegt haben. Diese Wurzeln schützen wir gut und Entfernen die nächsten 2-3 cm des Erde. Die in diesem Bereich liegenden Wurzeln werden ebenfalls entfernt.

Dann sind wir bei Bild 2. Dort ist rot gekennzeichnet, ein 2mm Draht, der 2-3mal um den Stamm gewunden ist. Der Bereich um die Wurzeln wird mit Sphagnum-Moos umwickelt (das grüne Gewusel). Abschliessend wird eine kleine Manschette um den Stamm gelegt, damit sich die neubildenden Wurzeln später gut vom übrigen Wurzelbereich getrennt werden können, Bild 3.

Dies ist nicht die übliche Vorgehensweise, sondern stellt nur für diejenigen eine Möglichkeit dar, die sich gerne viel Arbeit machen und Ihren Baum später in sehr flachen Schalen kultivieren wollen.

Anmerkung:
Ich habe von dieser Technik auch schon mal gelesen und zwar im Buch von Grand-Jean "La connaissance du bonsai" (Band 2) für die unter Euch, die Französisch sprechen. Er hat diese Technik benutzt im Zusammenhang mit einer Technik, die eine "falsche Verjüngung"? (weiß mal wieder nicht, wie das auf Deutsch heißt, auf English "inverse taper" korrigieren soll. Eine Möglichkeit nach dem Buch ist, dass man zulässt, dass sich eine Wurzel im freien Boden entwickelt, während der Rest weiter in der Schale bleibt. Diese freie Wurzel umschließt man, dann wenn sie sich gut entwickelt hat auch mit einem Draht, womit sie sich dann im Verlauf aufgrund des Wachstums langsam selber den "Saft abdreht".

Probiert habe ich das aber auch noch nie...

Frage:
Was für eine Funktion soll das Sphagnummoos haben? Bzw. was ist der Vorteil gegenüber "normalem" Substrat ín dem Bereich, in dem Du das Moos eingezeichnet hast?

Antwort:
Ohne Dieter vorgreifen zu wollen: ich denke, dass Moss die Feuchtigkeit länger halten wird und ein anderer positiver Effekt von Sphagnum ist meines Wissens, dass es Substanzen enthält, die einen positiven Effekt auf das Wurzelwachstum enthalten. (Was genau weiß ich leider nicht, freue mich aber über jede "Aufklärung"... )

Dieter:
Welche Stoffe im Sphagnum genau für die positive Wirkung verantwortlich sind, konnte ich bisher nicht recherchieren. Allerdings bin ich immer wieder auf Huminsäure gestossen.
In Skandinavien kultiviert jemand Kiefern in einem Splitt-Sphagnum Gemisch und schreibt von guten Erfolgen. Nick Lenz, Serge Clemence sind nur einige, die von positiven Erfahrungen bei Findlingen berichten.
Ich verwende normalerweise nach jedem Umtopfen Sphagnum als Abdeckung des Substrats und konnte bisher eine gute Feinwurzelbildung unter dem Moos und in das Moos hinein beobachten.

Tut mir aber bitte den Gefallen und räubert nicht die Natur. Sphagnum ist geschützt.

Frage:
Wo bekomme ich das Moos?

Dieter:
Normalerweise gibt es Sphagnum getrocknet im Bonsai-Fachhandel. Gerade jetzt um die Weihnachtszeit gibt es auch bei Blumenhändlern oder Gärtnern die Gestecke machen. Eine andere gute Quelle sind Friedhofsgärtnereien. Man kann das Moss nach Gebrauch auch gut regenerieren. In einem recht flachen Behälter, mir recht vielen Drainagelöchern in den Schatten und immer recht feucht halten. Bei mir steht immer eine größere Schale, wo sich das gebrauchte Moos erholt und nach 1-2 Monaten kann ich größere Stücke wieder "ernten". Durch den Dünger, der von den Bäumen darüber runtertropft, wächst es auch recht kräftig.

Frage:
Wie heißt es so schön? "Blöde Fragen gibt es nicht". Hier meine. Ist das getrocknete Sphagnummoos noch vital? Soll heißen, wenn ich es befeuchte, wächst es dann wieder?

Antwort:
Das handelsübliche getrocknete Sphagnum ist muxmäuschentod. Aber auch dieser kann gut für diverse Zwecke eingesetzt werden. Meines Wissens enthält es in erster Linie viele natürliche Biozide und auch Huminsäuren. Bei meinen Orchideen verwende ich regelmäßig Sphagnum als Substratzusatz oder, für besondere Zicken, auch mal pur, die mögen es sehr gern. Das einzige Problem bei totem Sphagnum ist die relativ schnelle Zersetzung und damit verbundene Gefahr der Substratverdichtung. Bei Jungpflanzen, die eh jedes Jahr umgepflanzt werden, ist er vermutlich zu gebrauchen. Ich werde es auch mal probieren.

Frage:
Muss die Manschette, die um die Pfahlwurzel gelegt werden soll die Wurzel fest umschließen d.h. (abwürgen) oder sollte sie nur locker um den Pfahl gelegt werden. Sollte die Scheibe gelocht sein oder aus Vollmaterial.

Kann es sein dass die Scheibe dann so aussieht wie die Abdeckung, damit das Substrat mit Moos nicht gleich weggeschwemmt wird. Wie groß sollte die Scheibe sein . Klar nicht größer als der Teichpflanzkorb. Für die Abdeckung gegen das Wegschwemmen könnte man da auch die Folien benutzen mit denen man z.b Din A4 Blätter einschweißt.

Dieter:
Die Manschette dient nur dazu, dass die Wurzeln nicht ineinander wachsen, das eigentliche Abschnüren wird mit Draht gemacht. Ein Durchmesser von 5-6cm dürfte ausreichen. Als Material dürfte irgendein Kunststoff dienen.


Auch ich habe mich an das Umtopfen gewagt. Da wir einmal über eine Kunststoffscheibe bei der Veränderung der Wurzel geschrieben haben, habe ich mich einfach einmal daran gewagt .Hier das Ergebnis
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wurzel5.jpg
wurzel5.jpg (35.35 KiB) 911 mal betrachtet


Frage:
Ich habe mal eine Frage an Dieter:

Ist es nicht so, das sich Jungpflanzen im Teichkorb besser entwickeln, wenn sie in grobem, sehr durchlässigem Substrat stehen? Das Wasser läuft sofort wieder aus dem Korb heraus, wobei bei jedem Gießen auch viel Luft an die Wurzeln kommt = besseres Wachstum.

Die Fruhstorfer Erde von Enger bietet meiner Meinung nach nicht die aller besten Verhältnisse für unser Vorhaben, oder täusche ich mich da?

Dieter:
Eine ganz üble Frage. Ein vorhandenes Wurzelsystem wächst am besten wenn Sauerstoff, Wasser und Nährstoffe im optimalen Verhältnis zueinander stehen. Licht und Wärme auch im optimalen Verhältnis können alle zusammengenommen zu massivem Wachstum führen.

Ist einer der Punkte nicht im optimalen Bereich können auch die anderen Faktoren dies nicht ausgleichen. Soviel zu einem allgemeinen Ausflug in die Theorie. Nun zu Unseren Bäumchen. Wenn Ihr die Wurzeln in dem Maße wie von mir beschrieben geschnitten habt, ist kaum noch ein Feinwurzelsystem vorhanden.

Unsere Bäumchen sind Jungpflanzen die noch nicht soviel "Energie" im Stamm speichern konnten. Wir haben 3 verschiedene Arten von Pflanzen, ein kleinblättriger "Zierbaum", eine Wald, Wiesen und Heckenpflanze, und einen Nadelbaum (wohl der unproblematischste).

Wir haben alle unterschiedliche Gieß- und Pflegegewohnheiten. Dies sind einige Gründe die mich veranlasst haben, so ein Substrat vorzuschlagen. Durch seine humosen Bestandteile ermöglicht es mineralische Düngung, das Puffer- und Speichervermögen verzeiht Fehler wesentlich mehr als ein reines Durchlaufsubstrat.

Wenn morgens und abends immer kontrolliert werden kann, ist auch ein durchlässigeres Substrat möglich. Allerdings hätte es in den vergangenen Wochen die meisten Bäume dahin gerafft, wenn wir Durchlaufsubstrate gewählt hätten.

Durchlaufsubstrate sind gut, Sie erlauben schnelles Wachstum. Sie sind aber auch sehr gefährlich. Bei Versuchen in den letzten Jahren konnte ich bei mir feststellen, dass erst wenn ein Feinwurzelsystem entwickelt ist oder der Baum ein gewisses Alter hat Durchlaufsubstrate
wirklich Vorteile bringen. In jungen Jahren ist das Wachstum in humosen Substraten besser.

Abgesehen davon gibt es Arten die auch als Jungpflanze ohne Feinwurzelsystem in einem Durchlaufsubstrat stärker wachsen (z.B. Forsythie). Aber Unsere Bäumchen gehören in meinen Augen nicht dazu.
Zwei Dinge sind unendlich: das Universum und die menschliche Dummheit.
Beim Universum bin ich mir aber noch nicht ganz sicher
(Albert Einstein)
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