Astaufbau - Grundlagen

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Holger
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Astaufbau - Grundlagen

Beitrag von Holger »

von Dieter (Zopf)

Einige von Euch wollen Ihre Bäume klein halten und müssen sich langsam Ihre Gedanken machen, wie die Aststruktur aufzubauen ist. Wenn wir von belaubten Ästen ausgehen und den Baum von oben betrachten sollten sich ähnliche Bilder ergeben.

Auf Bild 1 sind 3 Äste in einfacher Dreiecksform. Der Winkel in dem die Äste angeordnet sind, würde 6 Äste erlauben, eine ausreichende Zahl um einen kleinen Baum aufzubauen.

Auf der Skizze ist zu erkennen, dass sich Teile überdecken. Diese Überdeckung würde in der Realität bei dichter Belaubung das Verkümmern der überdeckten Bereiche bedeuten. Daher ergibt sich eine Grundform nach Bild 2.

Nun ist etwas Platz geschaffen, damit sich jeder Ast entwickeln kann. Auch die Verwendung von mehr als 6 Äste ist ohne weiteres möglich. Da wir organische Formen bevorzugen ergibt sich daraus die schematische Ansicht in Bild 3. Wenn Ihr den Kreis schließt, bleibt genügend Platz für eine Krone, ohne zu großen Überdeckungen zu kommen.

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ast-1_568.jpg (16.41 KiB) 840 mal betrachtet
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ast-2_179.jpg (15.88 KiB) 840 mal betrachtet
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ast-3_172.jpg (15.56 KiB) 840 mal betrachtet

Da sich unsere Ulmen recht schnell verzweigen, müssen wir speziell für Sie einen Schritt weiterdenken. Flache Äste (im Profil) sehen ausgesprochen unglaubwürdig aus. Also sollten wir auch im Zweigaufbau des einzelnen Astes die 3.te Dimension beachten. Stellt Euch einen Ast von Vorne betrachtet vor. Stellt Euch vor Ihr sollt 3 Zweige dieses Astes in verschiedenen Höhen platzieren. Welcher Zweig liegt Oben, welcher in der Mitte, welcher Unten?

Es mag schwer nachzuvollziehen sein, was ich nun eigentlich meine, aber setzt Euch vor einen Eurer Bäume. Betrachtet Ihn auf Augenhöhe und stellt Euch einfach meine Frage beim Betrachten vor. Welche Anordnung hat welche Wirkung ? Welche Wirkung soll mein Baum erzeugen ?

Wenn Ihr es darstellen wollt, ist es am einfachsten, wenn Ihr den hintersten Ast in der dunkelsten Farbe darstellt und nach vorn hin heller werdet.

Wenn wir Unseren Ahorn beschneiden, entwickeln sich aus den letzten 2 Knospen, kleine Zweige.
Der Winkel in dem die Zweige zueinander stehen ist meist gleich. Wenn der Schnitt regelmässig ausgeführt wird, ergibt sich nach einiger Zeit ähnliches wie Bild 1.

Um das zu verhindern, ist es ratsam die Astgabelung zu drahten, um den Winkel zu verkleinern.
Dazu sollte der vom Schnitt verblieben Stummel sehr kurz abgeschnitten werden, im Zweifelsfalle sogar ein kleiner Keil ausgeschnitten werden. Daraus ergibt sich ein Bild ähnlich Bild 2. So sieht die Verzweigung schon besser aus.

Allerdings ergibt sich ein sehr konstruiertes, regelmäßiges Bild.
Daher sollte diese Regelmäßigkeit gebrochen werden. Natürlich bin ich zu faul und überlasse den Bruch der Symmetrie meinen fleißigen Schülern.

Der Baum, die Äste, die Zweige müssen "leben".

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ast-4_102.jpg (9.42 KiB) 840 mal betrachtet

Wenn wir nächstes Jahr Hand an unsere Bäume legen, ist das Drahten teilweise nötig, um bestimmte Korrekturen auszuführen. Ein wichtiger, zu beachtender Punkt dabei, ist der "Astansatzwinkel", also der Winkel in dem der Ast zum Stamm steht.

Bild 1 ist eine oft verbreitete Art den Astansatz zu formen. Dieser rechte Winkel hat allerdings in meinen Augen nur eine Berechtigung im streng aufrechten Stil. Diese klassische, sehr schwierige Form, hat in guter Art ausgeführt seinen eigenen, stark stilisierten Ausdruck. Der einzige Schulbaum der in dieser Form gestaltet werden könnte ist die Lärche.

Bild 2 ist der "normale" Winkel bei einem Laubbaum. Der Ast neigt sich im unteren Bereich (Wurzelnähe) und steigt, je weiter wir dem Baum nach oben folgen. Im Kronenbereich älterer Bäume ist dies gut zu beobachten.

Die obersten Äste stehen fast senkrecht und bilden in Ihrer Gesamtheit die abgerundete Laubbaumkrone.

Bild 3 ist der Winkel für unsere Lärche. Auch hier ist der Winkel abhängig von der Höhe in der
der Ast entspringt, allerdings ist immer eine Neigung zu beobachten.

Bei dem oben geschriebenen handelt es sich nur um den Ansatz des Astes am Stamm. Der weitere Verlauf des Astes ist immer im Bezug zur Grundgestaltung zu sehen.

Diese Winkel sind nur schematisch zu verstehen und soll die Grundtendenzen aufzeigen. Ein Blick auf Bäume in der Natur, zeigt das geschilderte wesentlich einprägsamer und wunderbarerweise
auch vielfältiger.

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ast-5.jpg (15.44 KiB) 840 mal betrachtet

Frage:
Auf der anderen Seite kann es doch sehr unnatürlich wirken wenn ich den Ast senkrecht zum Stamm drahte - denn am Stamm bildet sich im Ast doch immer eine kleine, unnatürliche Hubbel - verträgt die Lärche Schnittmaßnahmen dahingehend dass ich den Ast oben einschneide und ihn danach flexibler mache (kenne diese Praxis von anderen Bäumen),


Antwort:
Auf dem Bild ist ein schematischer Astaufbau eines Laubbaumes. Viele Bäume wachsen nach diesem Muster und unterscheiden sich oft nur dadurch in welcher Höhe über dem Boden, die nach oben ragenden Äste/Stämme beginnen.

Auch das Alter der Bäume spielt dabei eine Rolle. Junge Bäume haben oft viele Äste, die wie ein Fächer schön symmetrisch angeordnet sind. Im Verlaufe Ihres Lebens werden dann einige Äste mehr gefördert und entwickeln sich zu Stämmen und das Spiel beginnt von vorne.

Entscheidend für diese Wachstumsstruktur sind das genetische Verzweigungsmuster, die maximale Wuchshöhe des Baumes und die äußeren Faktoren. Der Baum stellt sich einfach die Frage, wie er maximale Wuchsleistung (stark abhängig von der Blattfläche) mit möglichst stabilem Wuchs in Verbindung bringen kann. Daher optimiert er seinen Wuchs und bringt in der Natur (mein begrenzter Ausschnitt davon) meist sehr ähnlich Formen hervor. Betrachte 10 Bäume und alle sind unterschiedlich, betrachte 1000 Bäume und alle sehen sich ähnlich.

Da wir junge Bäume haben sind die Äste meist recht flexibel. Auch das frühe Drahten hilft dabei die "Knubbel" zu minimieren. Einzig das Wachstum der Ahorne ist recht starr und benötigt ab und zu Hilfen bei der Winkelkorrektur. Allerdings kann es am Anfang sinnvoll sein mit den jungen biegsamen Ästchen zuarbeiten, die ob Ihrer Jugend sehr biegsam sind.

Beim Drahten der Lärche, das vorzugsweise abwärts geschieht, wird es kleine Risse geben, die uns allerdings nicht weiter stören. Die einsetzende Kallusbildung kann sogar verstärkend auf diesen Bereich wirken.
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ast-6.jpg (15.62 KiB) 840 mal betrachtet
Zwei Dinge sind unendlich: das Universum und die menschliche Dummheit.
Beim Universum bin ich mir aber noch nicht ganz sicher
(Albert Einstein)
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