Werkzeug - Grundlagen

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Holger
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Werkzeug - Grundlagen

Beitrag von Holger »

von Dieter (Zopf)

Um einen kleinen Überblick über das gebräuchlichste Werkzeug zu verschaffen, fang ich mit den Zangen für den Ast und Wurzelschnitt an.

Konkavzange
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schmale Konkavzange
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Dies ist die wohl am häufigsten eingesetzte Zange zum Astschnitt. Sie dient zum Schneiden von Ästen bis ca 1,5 cm Durchmesser. Die Schnittrichtung sollte immer in Richtung des Ast/Stammverlaufs sein. Beim Kauf sollte man darauf achten das die Schneiden 100% tig aufeinander treffen. Überprüfen kann man es, indem man die Schere gegen das Licht langsam schließt. Eventuelle Scharten in der Schneide und Passungenauigkeiten sind sofort am Spalt zu erkennen. Ein Nachteil dieser Zange ist, dass der Schnitt meist (mit einem Messer)nachgeschnitten werden muss.

Für die Zwecke unserer Schule ist die schmale Konkavzange am geeignetsten, da Sie präziseres Schneiden ermöglicht. Allerdings sollten damit nur Äste bis 0,8cm geschnitten werden.

Knospenzange
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Den Nachteil des Nachschneidens verhindert die Knospenzange. Ihr Schnittbild ergibt eine leichte Rundung ins Gewebe des Stammes. Da sich der Wundkallus meist aufwölbt, kann man mit geschickter Schnittführung einen recht flachen Kallus erreichen. Nachteilig ist die begrenzte Winkelstellung beim Schnitt, da die Zange im optimalen Fall rechtwinklig zum Stamm geführt werden soll.

Rund-Konkavzange
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In den letzten Jahren hat man die Rund-Konkavzange entwickelt, die eine Mischung aus Knospen- und Konkavzange ist. Sie ist vom Einsatzwinkel her vielseitiger als die Knospenzange, hinterlässt aber genauso einen nach innen gewölbten Schnitt. Bei etwas größeren Bäumen ist es mittlerweile die Zange, mit der ich am meisten arbeite.

Wurzelzange
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Ein in meinen Augen unerlässliches Werkzeug ist die Wurzelzange. Ihre geraden Schneiden ermöglichen es eine Wurzel sauber und gerade abzuschneiden. Die immer wieder erscheinenden Wurzeln in Richtung Erde, können präzise geschnitten werden und ermöglichen bei sauberer, scharfer Schneide ein gutes Verheilen der Wunde. Da ein Baum darauf vorbereitet ist, Schäden am Stamm oder an den Ästen zu heilen, hat er im oberirdischen Bereich ein recht gutes Abwehrsystem gegen eindringende Feinde. Anders sieht es unterirdisch aus wo wir nur mit sauber Schnitten und darauf folgender Schonung und Kräftigung des Baumes, nach einem Eingriff ins Wurzelsystem, Hilfestellung geben können.

Übrigens ist das Werkzeug noch nicht "winterfertig", das bedeutet, dass Reinigung und Schärfung noch erfolgen. Die ältesten oben gezeigten Werkzeuge sind über 10 Jahre alt. Gut gepflegtes Werkzeug von nur mittlerer Qualität hält ein Leben lang.

Frage:
Konkav und Knospenzange hab ich.

Ich bin jedoch der Meinung dass man die Wurzeln genauso gut mit einer Knospenzange entfernen kann oder gibt es etwas, was dagegen spricht?

Antwort:
Das Schnittbild der Knospenzange ist nicht so sehr geeignet für das Wurzelschneiden. Außerdem lassen die Erdpartikel im Wurzelbereich, die Schneide schnell schartig werden. Wenn Du die Zange für den Wurzelbereich und die Äste gleichzeitig benützt, solltest Du Dir das desinfizieren des Werkzeuges angewöhnen. Wenn Du zuerst die Wurzeln beschneidest und danach die Äste, könntest Du die Schnittstellen infizieren. Im Bodenbereich "wohnt" eine schier unglaubliche Zahl an Bakterien und Pilzen.

Im "kleinen Ökosystem" Schale bildet sich meist ein Gleichgewicht von Helfern und Schädlingen, wenn aber die "Falschen" an ein Schnittstelle oberirdisch kommen, kann es zu Abschottungsreaktionen an der Schnittstelle führen, die ein größeren Saftrückzug zur Folge haben.

Für kleinere Bäumchen, kann man recht gut eine breite Bonsaischere für den Wurzelbereich einsetzen. (Ich weiß sowieso nicht, wofür man Sie sonst einsetzen kann)

P.S. So im Allgemeinen zum Werkzeugkauf. Wer sich richtig intensiv mit dem Hobby beschäftigen will und sich sicher ist, dass es für viele Jahre so bleibt, sollte sich Stück für Stück gutes Werkzeug kaufen. Lieber ein Pflänzchen weniger, lieber eine Schere/Zange weniger aber dafür ordentliches Handwerkzeug.

Eine kleine Auflistung von Werkzeugen die für 90% aller Arbeiten reichen:

1 schmale Konkavzange
1 Rund Konkavzange
1 Wurzelzange
1 schmale Schere
1 breite Schere
1 Drahtzange
1 Drahtschneider
1 Pinzette
2 "Schnitzmesser"

Liest sich wie eine lange Liste an, hält aber bei guter Pflege ein Leben lang.

Frage:
Mal eine ganz blöde Frage...
Ich habe in Harry Tomlinsons Buch "Bonsai" gelesen, dass man Werkzeuge mit einer Flamme desinfiziert. Reicht da eine ganz normale Kerzenflamme bzw. Feuerzeugflamme oder muss das was heißeres/größeres sein?

Antwort 1:
Dieter hatte, wenn ich mich richtig erinnere, auch schon mal geschrieben, dass man die Schneiden zur Desinfektion auch in Spiritus tauchen und anschließend anzünden kann. Ich für meinen Teil würde das so handhaben, dass ich die Schneiden einfach ne halbe Stunde im Spiritus liegen lasse, dann rausnehme und anzünde.

Antwort 2:
Denk an die Klinge. Wenn du eine scharf geschliffene Knospen- oder Konkavzange mit einem Gasbrenner etwa «desinfizierst», wird dir die Schneide blau/golden anlaufen und dich nachher bitter enttäuschen. Hat der Messerschmied sie für Holz, also spitzwinkling geschliffen, ist es nachher ein Welleisen. Mach das nicht.

Ein «Autoklav» in einem medizinischen Labor arbeitet mit 121 oder 134 Grad Celsius. Das kriegst du mit einer Kerze oder mit einer Alkoholablflammung locker hin. Auch 90 bis 100 Grad Celsius reichen für den Alltag, das kriegst du mit einem Wasserkocher hin. Glühtemperatur brauchst du nicht, kein Keim überlebt die genannten Temperaturen.

Ich reibe meine Zangen allenfalls mit einem Lappen ab, auf den ich etwas Alkohol gegeben habe. Damit dehydrieren Keime. Manchmal denke ich einfach auch, dass ich allemal sauberer arbeite als das Maul eines Rehs und schneide einfach...
Zwei Dinge sind unendlich: das Universum und die menschliche Dummheit.
Beim Universum bin ich mir aber noch nicht ganz sicher
(Albert Einstein)
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