Acer palmatum Shishigashira - auf den Weg gebracht

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Holger
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Acer palmatum Shishigashira - auf den Weg gebracht

Beitrag von Holger »

von Kevin Vollmari

zusammengestellt von Reiner Vollmari

Dieser Artikel erschien in der deutschsprachigen Ausgabe 3 von "Bonsai Europe". Wir danken für die Genehmigung, ihn hier weiter verwerten zu dürfen. Dieser Beitrag ist aus dem Jahr 2002.

Hallo liebe Bonsaifreunde,
mein Name ist Kevin Vollmari und ich bin 14 Jahre alt. Ich bin mit Bonsai aufgewachsen, weil mein Vater sich schon so lange ich denken kann, damit beschäftigt. Daher sind Bonsai für mich etwas ganz alltägliches. So fing mein Interesse für Bonsai schon im Kindesalter an, immer wieder nervte ich meinen Vater und wollte wissen, was für eine Baumart ist das?. Im Laufe der Zeit haben sich bei mir Grundkenntnisse gebildet, die ich nun an jugendliche Bonsaifreunde weitergeben will.
In meinem Bericht möchte ich Euch zeigen, wie man eine Fächerahorn-Jungpflanze darauf vorbereitet, ein Bonsai zu werden.
Am Ende des Berichts wird kein fertiger Bonsai zu sehen sein, er ähnelt dem Aussehen seiner Ursprungsform noch sehr.
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Ich gehe in diesem Bericht näher auf das Beschneiden der Wurzeln ein und zeige wie man von Anfang an einen flachen Wurzelballen erhält. Ich habe einen Ahorn gewählt, weil er mir von den Bonsai-Laubbäumen am besten gefällt. Seine Blätter haben in jeder Jahreszeit eine andere Farbe und lassen sich auch ohne Blattschnitt sehr schnell verkleinern.
Im Frühjahr 2002 habe ich mit meinem Vater einige Baumschulen nach geeigneten Jungpflanzen durchstöbert, eigentlich stellte ich mir einen ganz normalen Fächerahorn vor. Leider war keiner zu finden. Da freute es mich, dass eine Baumschule einige Acer palmatum Shishigashira im Angebot hatte. So einen wollte ich auch schon immer mal haben und gestalten.
Alle Varietäten des Acer palmatum sind auf Unterlagen des Acer palmatum veredelt. Daher ist es wichtig vor dem Kauf zu kontrollieren dass die Veredelung nicht dicker als der Stamm ist. Besonders schön ist es, wenn man nicht sehen kann wo die Veredelungsstelle ansetzt. Ich fand einen Baum mit einer, meiner Meinung nach, gut gemachten Veredelung.
So wie mein Vater es mir beigebracht hat, ziehe ich gerne Jungpflanzen in Holzkisten auf.
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Die Holzkiste hat einige Vorteile. Man kann sie auf genau die richtige Größe für den Baum bauen. Der Baum kann perfekt in der Kiste fixiert werden, da man an allen Stellen Drähte durchziehen kann. Es kann jederzeit Einfluss auf die Entwicklung des Baumes genommen werden, anders als im Freiland. Das Klima in einer Holzkiste ist anscheinend optimal für eine Jungpflanze geeignet, da bei uns noch nie ein Baum in einer Holzkiste eingegangen ist. Holzkisten sind eine sehr günstige Art Bonsai groß zu ziehen, da man unbehandelte Fichtenbretter in jeder Holzhandlung günstig kaufen und zurechtsägen lassen kann. Nachteile sieht nur meine Mutter, die von den vielen hässlichen Kisten in unserem Garten genervt ist.
Bevor ich mit den Arbeiten an der Jungpflanze beginne, mische ich mir eine geeignete Bonsaierde zusammen, aus Bims, Akadama, Lava, Kieselsplitt und Torf. Sehr wichtig ist, dass die Erde nicht verdichten kann, um Staunässe in der Holzkiste zu vermeiden. Um die Jungpflanze mit ausreichend Nährstoffen zu versorgen, packe ich auch noch zwei bis drei Esslöffel Hornspäne oder Hornmehl als Dünger dazu. Dieser Dünger dient nur als Startdünger. Wenn keine Nachtfröste mehr zu erwarten sind, fange ich mit einer intensiven Düngung an. Dann dünge ich alle zwei Wochen mit viel stickstoffhaltigem Dünger. So kann man eine hervorragende Entwicklung erreichen.
Nach diesen ganzen Vorbereitungen kann nun mit den eigentlichen Arbeiten am Baum begonnen werden.
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Bei allen Veredlungsstellen an allen Ahornen findet man immer noch einen vertrockneten Zapfen, an der Stelle wo das Edelreis mit der Unterlage verwachsen ist. Dieser Zapfen muss sehr sauber ausgeschnitten werden.
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Das geschieht mit einer Konkavzange, weil man mit dieser einen tiefen und runden Schnitt machen kann. Trotzdem bleibt immer noch ein Rest des alten, vertrockneten Holzes stehen.
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Diesen Rest entfernt man sorgfältig mit einem Stechbeitel.
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Da, wo der Zapfen vorher war, ist nun ein tiefes Loch im Stamm. Auch hierfür muss Vorsorge getroffen werden, damit es optimal zuwachsen kann. Deshalb entferne ich die Rinde um die vertiefte Stelle mit dem Stechbeitel.
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Die sich neu bildende Rinde sorgt dafür, dass sich die Wunde schnell schließt.
Damit keine Krankheiten oder Pilze in den Baum
eindringen können, wird die ganze Stelle mit japanischer Wundknete abgedeckt.
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Wenn die Knete rissig wird und sich von der Wunde abhebt, ist das ein Zeichen, dass der Heilungsprozess eingesetzt hat.
Nachdem die Veredelungsstelle versorgt ist, schneide ich die Baumkrone auf die Äste zurück, die für die weitere Entwicklung gebraucht werden.
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Bei einem Ahorn ist es sehr wichtig, die Zweige nicht direkt über den Knospen abzuschneiden, sondern einen kleinen Zapfen stehen zu lassen. Die geschnittenen Äste bei einem Ahorn trocknen immer noch ein Stück zurück, so kann es passieren, dass die Knospen, die erhalten werden sollen, auch vertrocknen. Daher ist es immer wichtig, beim Ahorn einen kleinen Rest des Astes oder Zweiges stehen zu lassen. Auch beim Blattschnitt sollte ein Rest des Blattstieles stehen bleiben und beim Rückschnitt im Frühjahr schneidet man auch ein Stück über den Knospen ab. Wenn die Zapfen nach ein paar Wochen ausgetrocknet sind werden sie sorgfältig entfernt und die Wunden werden, bei größeren Schnittstellen, versorgt.
Sehr wichtig ist nun, das richtige Bearbeiten des Wurzelballens. Beim Eintopfen von Jungpflanzen sollte man die alte Erde komplett entfernen, damit man den Wurzelballen besser beurteilen kann. Dazu eignen sich hervorragend chinesische Essstäbchen.
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Bei stark verschlungenen Wurzeln benutze ich ein Metallstäbchen, dass aus einem Schraubenzieher gemacht wurde. Hierbei muss man vorsichtig arbeiten, damit man die Wurzeln nicht verletzt. Nun wird der Wurzelballen mit dem Gartenschlauch ausgespritzt.
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Dieses sollte gründlich geschehen, damit keine alte Erde zurück bleibt. Das ist nötig, weil die neue Erdmischung eventuell eine andere Dichte hat als die alte. So kann es einem passieren, dass der Wurzelballen in der alten Erde sehr lange Wasser speichert und durch die neue Erde das Wasser direkt hindurchläuft. Durch die unterschiedliche Feuchtigkeit in der Schale kann ein Teil des Wurzelballens verfaulen.
Nun kann man den Zustand des Wurzelballens gut beurteilen.
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Ich habe schon oft auf Bildern von japanischen Ahornen ein sehr schönes und großes Nebari (Schildkrötenpanzer) gesehen. Davon beeindruckt, habe ich mit meinem Vater gesprochen, um zu erfahren wie man ein schönes Nebari von Anfang an entwickeln kann. So wie er es mir erklärt hat, versuche ich nun diesen Baum aufzubauen.
Mit einer Wurzelzange habe ich alle senkrecht nach unten wachsenden und nicht zu gebrauchenden Wurzeln abgeschnitten.
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Es blieben nur die radial wachsenden Wurzeln stehen.
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Hierdurch wurde der Wurzelballen sehr flach. Auch die restlichen Wurzeln habe ich noch einmal um 1/3 eingekürzt
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Diese Methode hat Vor- und Nachteile. Der Vorteil ist, dass die Wurzeln stark wachsen und dadurch bedingt verdickt sich die Stammbasis überdurchschnittlich. Aber der Nachteil ist, dass der Bonsai im ersten Jahr kaum Zuwachs hat. Nun hatte ich die Wahl wie ich vorgehen sollte. Ich entschied mich dafür, erst die Wurzeln zu stärken und anschließend den Baum aufzubauen. Dieser Weg ist unüblich, man macht es meistens anders herum. Auf dem oberen Bild ist zu sehen, dass ich schon nach dem ersten Wurzelschnitt einen recht schönen Wurzelansatz erreicht habe.
Jetzt sind erst einmal alle Arbeiten an dem Baum abgeschlossen. Nun müssen noch Löcher in die Kiste gebohrt werden; durch diese werden die Drähte gezogen die man zum Fixieren des Baumes benötigt.
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Damit die Wurzeln gut anwachsen können, ist eine sehr feste Anbindung nötig. Das soll aber nicht heißen, dass die Wurzeln gequetscht werden, sondern dass der Draht sie gut umschließt, so dass der Baum fest in der Kiste steht. Um eine Verletzung an den Wurzeln auszuschließen habe ich Aquariumsschläuche über die Drähte gezogen.
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Durch den Wurzelschnitt war der Wurzelballen so klein, dass ich die Drähte kreuzen musste, um den Baum gut in der Kiste zu fixieren.
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Danach habe ich die Erde aufgefüllt, die ich schon vorbereitet hatte. Diese Erdmischung wurde mit einem Essstäbchen gut zwischen die Wurzeln gestopft. Anschließend wurde der Baum ausreichend gewässert und halbschattig aufgestellt. Bei allen Bäumen die ich um- oder eintopfe, achte ich darauf, dass sie in den ersten Wochen nicht in der vollen Sonne stehen. Die heiße Mittagssonne kann den frischen Austrieb verbrennen, da die Wurzeln noch nicht in der Lage sind, ausreichend Wasser aufzunehmen.
Wenn man im Frühjahr einen Ahorn umtopft, muss man darauf achten, dass der Baum keinen Nachtfrösten ausgesetzt wird. Sollte der Wetterbericht Nachtfröste melden, stellt man den Ahorn am besten in eine Garage oder in den Keller. Der Baum darf aber nicht ins warme Wohnzimmer.
Mir war bewusst, dass der Baum nicht so stark austreiben würde, wie die Acer palmatum meines Vaters, die in Holzkisten bis zu 1,5 Meter Zuwachs im Jahr hatten. Das Frühjahr 2002 war im Ruhrgebiet sehr feucht und kühl, dadurch hatte mein Shishigashira nur einen sehr kleinen Austrieb. Ich hatte Angst, dass ich die Wurzeln zu stark zurückgeschnitten hatte, Gespräche mit anderen Bonsaifreunden in Dortmund ergaben aber, dass alle Shishigashira einen nur sehr geringen Austrieb hatten.
Der Baum wurde im Laufe des Jahres immer wieder mit Bio-Gold-Dünger versorgt. Obwohl er wenig Zuwachs hatte, sah er dennoch gesund aus.
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Der Shishigashira hat sich, obwohl er fast keinen Zuwachs hatte, gut weiter entwickelt. Die Stammbasis hat sich erwartungsgemäß schön verdickt. Die Veredelungsstelle wächst zufriedenstellend zusammen.
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Mittlerweile habe ich herausgefunden, dass Shishigashira eine sehr langsam wachsende Ahornart ist. Mein Bäumchen entwickelt sich trotzdem immer etwas weiter und hat die ersten Schritte zum Bonsai gut angenommen.
Zwei Dinge sind unendlich: das Universum und die menschliche Dummheit.
Beim Universum bin ich mir aber noch nicht ganz sicher
(Albert Einstein)
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