Grünschnitt-Kiefer

Allgemeine Philosophie, Stilarten, Techniken, Vorstellung und Besprechung von Rohmaterial sowie lose Sammlung von Entwicklungs-Dokus
koi
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Grünschnitt-Kiefer

Beitrag von koi »

Hallo zusammen,
ich trau mich mal, schmunzeln erlaubt.

Da lag sie, weggeworfen, entsorgt.
Wie lange war die Wurzel ohne Wasser? August 2017, die letzten Tage hatte es geregnet ...
Ab ins Beet, gut wässern und hoffen.
Sie wird nicht braun, im Frühjahr darauf: Sie treibt aus, gerettet.
Aber was mit ihr anfangen ... Literat sind nicht mein Ding, 95 cm hoch.
Der Stamm ist schon recht dick, am Stammansatz 15 cm Umfang.
Dann hab ich halt mal gebogen, und immer wieder nachgespannt.
10 Jahre Bonsai und immer noch Lehrling, klar, das kann nur ein Krückstock werden.

Grüße Karl
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koi
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Re: Grünschnitt-Kiefer

Beitrag von koi »

Mitte Dezember hab ich die Kiefer wieder mehrfach gedreht,
mit ihr gesprochen,
um sie dann ein wenig zu gestalten.
Aber die Krückstock bleibt.
Dem Lehrling fehlen das Wissen und die Praxis um gravierende Eingriffe durch zu führen.
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koi
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Re: Grünschnitt-Kiefer

Beitrag von koi »

Die Spazierstock - Biegung muss unbedingt 3 dimensional verändert werden.
Motiviert durch den Beitrag von Herbert A Kiefer halbe Sache
möchte ich mich dann doch mal versuchen.
Nun, kann ich den starken Eingriff nach der starken Reduzierung an Laub diesen Monat noch vornehmen,
oder soll ich dem Baum ein Jahr Zeit geben?

Gruß Karl
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ania
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Re: Grünschnitt-Kiefer

Beitrag von ania »

Wenn ich mich richtig erinnere, ging es in Herberts Beitrag um das Überwachsen eines eingesägten Knicks? Sowas wird von gutem Wachstum sicher profitieren. Vielleicht zuerst ein oder zwei Opferäste durchschießen lassen wie hier, die Krone kann gleichzeitig weiter gestaltet werden
https://bonsaitonight.com/2022/01/07/cu ... lack-pine/
https://bonsaitonight.com/2017/11/07/bo ... -series-2/

Zu deiner Gestaltung, ich stimme dir zu dass die Dreidimensionalität fehlt. Außerdem finde ich den Bogen zu gleichförmig. Als Physiker freue ich mich sonst immer über eine schöne Wurfparabel. Aber für einen interessanteren Baum würde ich einen Richtungswechsel, der die Symmetrie aufbricht, überlegen.

Sind da Einschnitte vom Draht? Nächstes Mal besser polstern?

Bin aber kein Kiefernexperte, ich bin schon froh wenn sie bei mir überleben!
koi
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Re: Grünschnitt-Kiefer

Beitrag von koi »

hier meine utopischen? Vorstellungen:

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koi
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Re: Grünschnitt-Kiefer

Beitrag von koi »

Hallo ania,
danke für deinen Beitrag.
Drahteinschnitt: Ja da hast du recht. Da ich mit dem Baum gar nichts anfangen konnte, hab ich ihn vernachlässigt.
Gelernt hab ich zwei Dinge: a) besser aufpassen
b) durch das Abdrücken des Saftflusses hat das Dickenwachstum unterhalb der Einschnürung
in kurzer Zeit stark zugenommen.

Bericht von Herbert A : Hier ging es in erster Linie um krasse Biegungen durch Sägeschnitte bis ins Splintholz auf der Außenseite
der Biegung, was ich so noch nie gesehen hatte.

Physikalisch reduziert er dadurch das Widerstandsmonent logischerweise erheblich. Offensichtlich, das zeigen seine Erfolge, wird die Krone mit dem Rest der Saftbahnen immer noch gut mit Wasser und Nährstoffen versorgt.
Was ich nicht weiß, ob ich eine zweite Biegung im deutlich dünneren Stammteil nahe des Laubes, kurze Zeit später, oder eben erst im nächsten Winter kann / soll.
Wenn der Sägeschnitt nicht verwachsen sollte, kann ich da immer noch einen Shari gestalten.
Grüße Karl
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Köhler Rudolf
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Re: Grünschnitt-Kiefer

Beitrag von Köhler Rudolf »

Hallo Karl,

ich mag Projekte mit Biegungen.
Ich bezweifele allerdings ob eine rechtwinklige Biegung (wie auf einem deiner Bilder gezeigt) möglich ist.

Aber bevor du nicht genau weißt ob das mit der Biegung klappt, würde ich mich nicht mit dem Drahten der einzelnen Äste beschäftigen.

Ich hätte den Baum am Stamm bandagiert und mit zwei dicken Alu-Drähten versehen. Dann im Uhrzeigersinn den Stamm gleichzeitig gedreht und nach unten gebracht. Das ganze dann Spanndrähten versehen. Und dann langsam immer mehr die Höhe reduziert.

So wie es jetzt aussieht, gefällt es mir nicht..... Sorry.
Grüße
Rudi K.
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Herbert A
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Re: Grünschnitt-Kiefer

Beitrag von Herbert A »

Servus Karl,

aus der Mugo könnte ein interessantes Projekt werden. Wie du ja selber schreibst ist dir der erste Versuch einer Biegung nicht gerade gut gelungen. Nur mit Spannen sind sind natürlich erscheinende Bewegungen am Stamm kaum zu machen, da ein Druckpunkt im Bereich der gewünschten Biegung fehlt. Dazu braucht man eine Eisenstange und ein Stück Holz zwischen Eisenstange und gewünschter Stelle an der sich der Stamm biegen soll. Bei deiner Biegung hast du es dem Baum überlassen und der biegt sich eben da wo es für ihn am angenehmsten ist.

Natürlich kann man da noch korrigierend eingreifen. Das hängt von der Stärke des Baumes ab. Niemals zwei Gemeinheiten in einer Wachstumsperiode. Biegen im Frühjahr und Drahten im Winter geht. Die nächsten Schritte aber erst wieder im Herbst da der Baum über den Winter ja in Winterruhe ist und daher kaum eine Selbstheilung der Risse und Spannungen vornehmen kann.

Ohne den Baum zu kennen ist es schwer einen Rat zu geben. Da kommt es darauf an ob das Holz steif oder biegsam ist. Je nachdem wendet man andere Techniken für stärkere Biegungen an. (Lochbohrungen bei biegsamen und Einschnitte bei steifem Holz)

Wegschneiden würde ich vor dem biegen keinen Ast. Grün stärkt den Baum und durch einen stärkeren Saftfluss verheilen Wunden einfach besser.

Am Scheitelpunkt der Biegung würde ich derzeit nichts machen. Das kann sich optisch noch stark ändern wenn du den nach unten zeigenden Stammteil wieder biegst oder spaltest. Um aus deinem Dilemma des gleichmäßigen Bogens wieder rauszukommen würde ich wahrscheinlich den nach unten zeigenden Stamm genau am Stammende zwischen den beiden Ästen ungefähr 10 cm nach oben spalten und den rechten Teil wieder eine starke Biegung und Drehung nach oben geben.

Am besten machst du das mit einem erfahrenen Gestalter bei einem Workshop.

lg
Herbert
Das BFF ist mein persönliches Bonsaitagebuch. Vielen Dank dass ihr das seit vielen Jahren ermöglicht.

Info: www.bonsaisalzburg.net
aduecker
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Re: Grünschnitt-Kiefer

Beitrag von aduecker »

Den U-Ast behalten und nach hinten herunterbiegen, womit Du eine Rückseitenast erhälst?
… einen schönen Gruß ausm Remstal.
Andreas
koi
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Re: Grünschnitt-Kiefer

Beitrag von koi »

Ja Rudi so wie der Baum jetzt ist, gefällt er mir auch nicht.
Eine rechtwinklige Biegung ist nicht geplant.
Da hab ich mich wohl nicht richtig ausgedrückt. Das rechtwinklige U ist so gewachsen, nicht gestaltet.
Mit Al-Drähten geht da nichts mehr, dafür ist der Stamm viel zu dick.

Hallo Herbert,
danke für die Ausführungen.
Um aus deinem Dilemma des gleichmäßigen Bogens wieder rauszukommen würde ich wahrscheinlich den nach unten zeigenden Stamm genau am Stammende zwischen den beiden Ästen ungefähr 10 cm nach oben spalten und den rechten Teil wieder eine starke Biegung und Drehung nach oben geben.


Du meinst genau hier?
Kiefer Krückstock 9.jpg
Kiefer Krückstock 9.jpg (210.34 KiB) 1106 mal betrachtet


und dann den nach rechts zeigenden Ast nach oben biegen?
Nun, ich kann mir das nicht ganz vorstellen. Ich lass den Tee noch mal ziehen. :)
Gruß Karl
koi
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Re: Grünschnitt-Kiefer

Beitrag von koi »

Hallo zusammen,
ich habe noch eine grundsätzliche Frage zu starken Eingriffen speziell bei Kiefern:
Der bekannte Kiefern - Experte Herr Othmar Auer - Brixen Südtirol - sägt spitzwinklige Dreiecke bis zum Kernholz aus dem Stamm / Ast.
Dann wird so stark gebogen, dass die Schnittflächen wieder aneinander gepresst werden.
Nach meiner Vorstellung müsste so ein Eingriff bei vollem Saftfluss erfolgen.
Sehe ich das richtig?
Grüße Karl
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ania
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Re: Grünschnitt-Kiefer

Beitrag von ania »

Würde Sinn machen. In der Wegetationsperiode wird der Eingriff sofort "versorgt", indem Wundkallus entsteht und die Wunde überwallt.
In der Winterruhe wächst nichts, bestenfalls wird eine Wunde abgeschottet.
koi
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Re: Grünschnitt-Kiefer

Beitrag von koi »

Hallo Ania,
hast du praktische Erfahrungen ?
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mydear
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Re: Grünschnitt-Kiefer

Beitrag von mydear »

koi hat geschrieben: 05.03.2022, 19:51 praktische Erfahrungen ?
So extreme Biegetechniken gibt es meist nur auf Workshops oder von Spezialisten wie Herbert A.:

viewtopic.php?p=564964#p564964

viewtopic.php?t=49468&start=15

viewtopic.php?t=50062



Grüße
Rainer
“Fais de ta vie un rêve, et d'un rêve, une réalité“ Antoine de Saint-Exupéry
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ania
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Re: Grünschnitt-Kiefer

Beitrag von ania »

koi hat geschrieben: 05.03.2022, 19:51 Hallo Ania,
hast du praktische Erfahrungen ?
Nein, aber ich kann Literatur beisteuern.

Giefing et al. 2006
Biological reactions of thick-branched scots pines (pinus sylvestris L.) to pruning in relation to the season of the year of the operation
http://www.ejpau.media.pl/volume9/issue4/art-05.html
Hier geht es um Überwallung von Schnittwunden bei Pinus sylvestris.
Dicke, lebende Äste wurden im Winter (Anfang März), Frühling (Ende April) und Sommer (Mitte Juli) abgeschnitten (insgesamt 354 Äste an 20 Bäumen).
Die im Winter geschnittenen überwallen am langsamsten, möglicherweise weil das Kambium gefroren ist und nach dem Schnitt abstirbt, statt sich zu teilen und neue Zellen zur Überwallung zu bilden. Die Überwallung erfolgt daraufhin ähnlich wie beim Abschneiden von toten Ästen, durch Stammholz das sich von den Seiten über die Wunde drüberstülpt.
Auch die im Sommer geschnittenen Äste überwallen langsam, wahrscheinlich wegen der geringen Kambium-Aktivität.
Am schnellsten schließen Wunden die im Frühjahr geschnitten wurden, da ist das Kambium am Höhepunkt seiner Aktivität.
Nach 7 Jahren waren 90% der im Frühling geschnittenen Äste überwallt und nur 53% der im Winter geschnittenen.
Infektionen traten zu keinem der Zeitpunkte auf, also die schlechtere Überwallung ist zumindest nicht auf höhere Krankheitsanfälligkeit beim Winterschnitt zurückzuführen. Abschottung scheint das ganze Jahr zu funktionieren.

Oven 1999
Response of the cambial zone in conifers to wounding
https://www.researchgate.net/publicatio ... o_wounding
In Kiefer, Fichte, Tanne und Lärche verläuft die Wundheilung ähnlich (bei Lärche am schnellsten).
Anfang April wurde ein Rinden-Quadrat (3x3cm) entfernt. Daraufhin vergrößerten und teilten sich umliegende Kambium-Zellen und auch Phloem-Parenchymzellen in die Fehlstelle hinein (Kallus). Außen auf diesem Kallus entstand eine verstärkte Schutzschicht und innen eine neue Kambium-Schicht, aus welcher anschließend Wundholz und neue Rinde hervorging.

Mein Fazit wäre, du brauchst aktives Kambium damit die Wundheilung und Überwallung optimal verläuft.
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